Sounds of the Dolomites

Ein Kon­zert auf dem Gip­fel zum Son­nen­auf­gang? Klar bin ich dabei!

»Das schöns­te Fes­ti­val der Welt« hat Dave Dou­glas es ein­mal genannt. Sounds of the Dolo­mi­tes. Ein Musik­fes­ti­val mit Kon­zer­ten an unge­wöhn­li­chen Orten mit­ten in den ita­lie­ni­schen Dolo­mi­ten. Heu­te will ich mich selbst davon über­zeu­gen. Ich wer­de Dave Dou­glas und die ande­ren Musi­ker auf den Col Mar­ghe­ri­ta beglei­ten. Als mein Wecker um 3Uhr30 klin­gelt ist mei­ne Begeis­te­rung gera­de auf dem Null­punkt. Mei­ne Wir­tin über­rascht mit Kaf­fee und Crois­sants (um die Uhr­zeit!) und mei­ne Lau­ne steigt steil an. Es ist noch dun­kel und kühl in Moe­na, dem beschau­li­chen Dorf im Fas­sa­tal.

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An der Gon­del herrscht Betrieb wie in der Win­ter-Hoch­sai­son. »All die­se Men­schen sind frei­wil­lig mit­ten in der Nacht auf­ge­stan­den«, den­ke ich ver­wun­dert. Ich hat­te ein klei­nes Grüpp­chen von Roman­ti­kern erwar­tet. Von wegen! Spä­ter erfah­re ich: es sind rund 3000, die an die­sem Mor­gen auf den Berg hoch gehen oder fah­ren, um das Kon­zert bei Son­nen­auf­gang zu hören. Mario Bru­nel­lo und Dave Dou­glas tra­gen ihre schwe­ren Kon­tra­bäs­se auf dem Rücken. Ihre Frau­en schlep­pen die schla­fen­den Kin­der nach oben.

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Als die Gon­del oben ankommt stockt mir der Atem beim Aus­blick auf die Kulis­se: es däm­mert gera­de und die Berg­ket­ten am Hori­zont zeich­nen in unter­schied­li­chen blau und grau Tönen. Ein zar­tes Oran­ge legt sich dar­über.

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Wie eine Kara­va­ne stei­gen Musi­ker und Publi­kum den Pfad etwa zwei Kilo­me­ter hin­ab. Dort ist eine Büh­ne auf­ge­baut. In den Fel­sen lagern bereits Hun­der­te, zum Teil in Schlaf­sä­cken, ein­ge­mum­melt in Decken, Händ­chen hal­tend und sich warm klop­fend. Sie trin­ken Tee oder Kaf­fee aus Ther­mos­fla­schen. Die Luft ist kalt, der Fels auch.

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Mei­ne Sitz­nach­ba­rin reicht mir eine Decke zum Sit­zen. Ich bin ihr heu­te noch dank­bar dafür. Denn auch wenn es tags­über heiß wer­den kann in den Ber­gen – nachts kühlt es bis auf unter 10 Grad ab und die Stei­ne strot­zen vor Nacht­käl­te. Ich sit­ze und schaue. Zart färbt sich der Him­mel in Pfir­sisch­gelb.

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Die Musi­ker stim­men ihre Instru­men­te. Auch das, was da in der Luft schwingt, zwi­schen den erwar­tungs­vol­len Besu­chern, der Stil­le des Mor­gens und der röt­li­chen Fär­bung des Him­mels ist eine ganz beson­de­re Stim­mung. Und dann beginnt die Musik: Kon­zert e‑Moll, Anto­nio Vival­di. Gän­se­haut pur. Ich kann nicht sagen ob es an der Musik, am Ort oder am Son­nen­auf­gang liegt. Ich bin mehr als zu Trä­nen gerührt. Ich wei­ne.

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Hin­ter­her fra­ge ich Mario Bru­nel­lo wie er das macht, nicht zu wei­nen bei soviel Emo­ti­on im Publi­kum. »Das ist gar nicht so ein­fach« lacht er, »ich habe da mei­ne Tricks. Ich kon­zen­trie­re mich auf den Takt. Ganz sto­isch.« Und dann spricht er noch über die Magie der Ber­ge, wie sie ihn inspi­rie­ren und Kraft geben. Genau des­halb sind wohl auch all die ande­ren gekom­men, die mit ihren bun­ten Jacken dem Dolo­mit-Fels eine ganz neue Far­be ver­lei­hen.

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Es ist ein tol­les Kon­zert und ein groß­ar­ti­ges Publi­kum. Dave Dou­glas über­rascht mit einer eige­nen Kom­po­si­ti­on, die er den Dolo­mi­ten und sei­nem Bru­der wid­met. Zuga­ben wer­den erklatscht, es wird gescherzt, gelacht und geweint.

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Inzwi­schen ist es zehn Uhr. Die Son­ne brennt und die Luft heizt lang­sam auf, trotz der Höhe. In allen Tälern Trentino’s lie­gen die Tem­pe­ra­tu­ren in die­sen Tagen über 30 Grad, in Tren­to oder Bozen sogar 38 Grad. Sehr unge­wöhn­lich. Ein idea­ler Zeit­punkt in die küh­le­ren Ber­ge zu flüch­ten. Aber ich muß jetzt wie­der run­ter.

Den Abstieg mache ich zu Fuß. Ehren­sa­che. Nach einer Wei­le ver­las­se ich den gut besuch­ten brei­ten Wan­der­weg und neh­me den soge­nann­ten Schä­fer­weg. Auf schma­lem Pfad geht es eine Wei­le berg­ab, berg­auf, durch duf­ten­de Wie­sen und vor­bei an Kühen und Zie­gen.

Dann geht es kon­se­quent nur noch berg­ab. Ich bin müde, mei­ne unge­üb­ten Bei­ne schmer­zen, die Schu­he drü­cken. „Mama, wann sind wir end­lich da“ quen­gelt das Kind in mir. Mei­ne zwei Liter Fla­sche Was­ser ist bald alle und rich­tig gefrüh­stückt habe ich auch noch nicht. Ich ver­su­che tap­fer nicht an Hun­ger, Durst und Schmer­zen zu den­ken und den­ke an Hun­ger, Durst und Schmer­zen. Dann erin­ne­re ich mich an eine Übung aus dem Yoga, eine Atem­medi­ta­ti­on. „so ham“ (ich bin). Ich den­ke „so“ beim ein­at­men und „ham“ beim aus­at­men. Lang­sam kom­me ich in einen gera­de­zu medi­ta­ti­ven Schritt, setz­te einen Fuß vor den ande­ren, atme ein, atme aus, den­ke »so«, den­ke »ham« . Den Knien ist es egal, sie schmer­zen wei­ter. Das letz­te Stück Gefäl­le gehe ich rück­wärts run­ter. Gut, dass mir nie­mand zusieht. Gegen eins bin ich im Tal und von hier schnurs­traks mit einer Seil­bahn auf die Hüt­te. Kei­nen Schritt gehe ich mehr heu­te. Ich schwö­re!IMG_0079

Ich mache es wie die Pro­fi­wan­de­rer: Schu­he aus, nas­se Kla­mot­ten auf­hän­gen und dann ab in die gute Stu­be.

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Ein rich­tig zünf­ti­ges Essen mit jede Men­ge Kalo­rien, das habe ich mir jetzt ver­dient. Jawohl. Kalbs­ha­xe und Polen­ta. Min­des­tens. Und zum Nach­tisch noch einen Stur­del. Von mir aus mit Sah­ne.

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Und dann gehts ab in den Lie­ge­stuhl. Was für ein Tag. Dan­ke, lie­be Ber­ge. Das war ganz gro­ßes Kino!

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