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Der Berg als Lehrmeister

Phil­ipp Laa­ge ist Autor und Jour­na­list, der in sei­nem Buch »Gip­fel­rausch« die Fra­ge beant­wor­tet, war­um Men­schen auf Ber­ge stei­gen, und dabei eine ganz per­sön­li­che Per­spek­ti­ve ein­nimmt. In einer ein­dring­li­chen und leicht­fü­ßi­gen Spra­che beschreibt er sei­ne Rei­sen, die ihn in die Berg­land­schaf­ten auf der gan­zen Welt füh­ren. Sei­ne Erzäh­lun­gen sind geprägt von Schön­heit und Ent­beh­rung, Genuss und Grenz­erfah­rung, klei­nen Schrit­ten und gro­ßen Höhen, Tri­umph und Schei­tern. Sein ers­tes Buch »Vom Glück zu rei­sen« erschien 2019 im Rei­se­de­pe­schen Ver­lag, gefolgt von »Gip­fel­rausch« im Jahr 2021. Heu­te lebt Phil­ipp Laa­ge in Ber­lin und arbei­tet als Jour­na­list und Autor. Durch sei­ne Berg­stei­ger­er­fah­run­gen stößt er immer wie­der auf tief­ge­hen­de Fra­gen, die über das Berg­stei­gen hin­aus­ge­hen: Ist tat­säch­lich immer der Weg das Ziel? Und was haben wir davon, ganz oben zu ste­hen?

Ausrüstung für den Berg

Welche Rolle spielen deiner Meinung nach die mentalen und emotionalen Herausforderungen beim Bergsteigen? Wie hast du gelernt, mit diesen Herausforderungen umzugehen? 

Ich wür­de sagen, sie machen das Berg­stei­gen erst reiz­voll, wie das sons­ti­ge Leben auch: Wenn einem ohne Anstren­gung alles zufliegt, dann bleibt man wahr­schein­lich unter sei­nem Poten­zi­al. Dann gäbe es noch viel mehr zu erfah­ren, über sich selbst und die Welt. Das heißt nicht, dass ich mich bewusst in Gefahr bege­be oder ver­meid­ba­re Risi­ken ein­ge­he. Aber es bringt einen auch nicht wei­ter, wenn immer alles ein­fach, kom­for­ta­bel und vor­her­seh­bar ange­nehm ist. Ich begrü­ße die Wid­rig­kei­ten, die das Berg­stei­gen mit sich bringt: Käl­te, Erschöp­fung, Aus­ge­setzt­heit. Dadurch ler­ne ich etwas über mich selbst. Und ich füh­le mich umso zufrie­de­ner, wenn die Tour vor­bei ist.     

Du stellst auch Fragen, die über das Bergsteigen hinausgehen, wie die Bedeutung des Weges als Ziel und den Nutzen, ganz oben zu stehen. Welche Antworten hast Du auf diese Fragen gefunden?

Oben zu ste­hen, es an die Spit­ze geschafft zu haben, gilt in unser Kul­tur als Erfolg. Da unter­schei­det sich der Berg­stei­ger viel­leicht weni­ger vom Cor­po­ra­te-Kar­rie­ris­ten, als ihm lieb ist. Ande­rer­seits heißt es ja ger­ne: Der Weg ist das Ziel. Wert­vol­ler als das Errei­chen des Ziels sei­en all die Din­ge, die man unter­wegs ler­ne. Das stimmt sicher auch. Trotz­dem will man hin und wie­der schon ger­ne den Gip­fel errei­chen und nicht hun­dert Meter unter­halb umkeh­ren müs­sen. Die Ant­wort bleibt schwie­rig. 

Auf dem Gipfel

Wie haben deine Bergsteigererfahrungen dein Verständnis von Erfolg und Misserfolg geprägt, und wie hast Du versucht, diese Erkenntnisse in dein tägliches Leben zu integrieren?

In Geor­gi­en habe ich ein­mal ver­sucht, den Kas­bek zu bestei­gen, einen Fünf­tau­sen­der im Kau­ka­sus. Für die Nacht war ein Gewit­ter ange­kün­digt, trotz­dem habe ich mei­nen Berg­füh­rer dazu gedrängt, in Rich­tung Gip­fel auf­zu­bre­chen, weil ich nicht schei­tern woll­te. Wir sind mit­ten in den Sturm gelau­fen und muss­ten prak­tisch zurück zur Hüt­te ren­nen, um nicht erwischt zu wer­den. Das war sehr dumm von mir. Manch­mal geht nichts, weil die äuße­ren Umstän­de ein­fach nicht pas­sen, egal, wie sehr man etwas will oder sich anstrengt. Das kann eine ent­las­ten­de Erfah­rung sein, auch im All­tag. 

Welche Lehren oder Einsichten hast Du aus deinen Bergabenteuern gezogen, die Du auch auf andere Lebensbereiche anwenden kannst?

Ich glau­be, es ist eine popu­lä­re Vor­stel­lung, dass Berg­stei­ger sich in wag­hal­si­ge Aben­teu­er stür­zen und mit Aus­nah­me­si­tua­tio­nen kon­fron­tie­ren, wodurch sie dann auch ihr übri­ges Leben zäh und tap­fer meis­tern. Aber es ist etwas ande­res, einen Berg zu bestei­gen oder eine Fir­ma zu grün­den. Oder eine Bezie­hung zu füh­ren. Der Berg lehrt man­ches, aber er macht dich nicht lebens­taug­li­cher. Ander­seits kann man am Berg natür­lich ganz viel über das Wesen der Din­ge ler­nen. Zum Bei­spiel, dass nicht jeder Tag schön sein muss, es sich aber loh­nen kann, trotz­dem mor­gens auf­zu­bre­chen.

Blick auf den Mt. Kazbeg

Wie würdest Du jemandem, der noch nie Bergsteigen ausprobiert hat, erklären, was Sie persönlich an dieser Aktivität fasziniert und motiviert?

Ich mag die sport­li­che Her­aus­for­de­rung; die Bewe­gung in der Natur; die Ruhe und Abge­schie­den­heit, das lecke­re Essen auf den Hüt­ten und die Ein­kehr in der Stu­be nach einem lan­gen, anstren­gen­den Tag an der fri­schen Luft; den Flow eines nächt­li­chen Auf­stiegs, fast wie Medi­ta­ti­on; die ers­ten Strah­len der Son­ne nach Stun­den der Dun­kel­heit; das Hoch­ge­fühl beim Abstieg; die wohl­tu­en­de Erschöp­fung, die jede Zel­le des Kör­pers zu erfas­sen scheint. All das macht mich glück­lich.      

Inwiefern haben deine Bergreisen dein Verständnis für die Natur und die Umwelt geschärft?

Das Gelin­gen einer Tour hängt vom Wet­ter ab, also lernt man, den Him­mel und die Wol­ken zu lesen. Man schärft sein Ori­en­tie­rungs­ver­mö­gen, sei­nen Blick für die Land­schaft. Man ist wirk­lich abhän­gig von der Natur – eine Erfah­rung, die man im All­tag kaum noch macht. Ansons­ten ver­su­che ich, die Ber­ge so zu hin­ter­las­sen, wie ich sie vor­ge­fun­den habe, also kei­nen Müll zu hin­ter­las­sen, nicht die Vege­ta­ti­on zu stö­ren oder Tie­re auf­zu­schre­cken. Die­ses Bewusst­sein exis­tiert nicht über­all. Am Elbrus in Russ­land haben die Leu­te ihren Müll teil­wei­se ein­fach zwi­schen den Fel­sen ver­brannt. 

  

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