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“I feel more and more the time wasted that is not spend in Ireland”, fand die Dramatikerin Lady Gregory. Nun, ich war noch nie da. Höchste Zeit, mein Leben auf die richtige Spur zu bringen – ich reise in die Grafschaft Cork.
Cork hört Elvis Presley. In klaren Glockentönen spielt der 300 Jahre alte Kirchturm von St. Anne’s “I can’t help falling in love” und erfreut möglicherweise die Anwohner, vielleicht aber auch nicht so sehr, wie ich es ihnen wünsche. Der Glöckner von St. Anne’s? Bin ich.
Ich kenne keinen andere Kirche, in der man, während man den Turm hinaufsteigt, das Glockenspiel betätigen kann, ganz selbstbestimmt und nach Gutdünken. Fantastisch! Es hängen ein paar Noten bereit, die zeigen, in welcher Kombination man die acht Seile behutsam ziehen kann, um bestimmte Lieder zu spielen, neben Elvis auch andere Klassiker wie Amazing Grace oder When the Saints go marching in, Glocken-Karaoke sozusagen: 8654 – 8654 – 8654 – 6867…
Ein paar Treppen und Leitern weiter, man kommt an den Glocken vorbei, stehe ich oben und blicke über Cork. Nach Dublin und Belfast ist Cork mit gut 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der Insel Irland, der River Lee windet sich mit Kanälen und Seitenarmen durch die Stadt auf dem Weg zum nahen Meer. Der Stadtkern liegt dabei auf einer Insel im Fluss, schon Anfang des 7. Jahrhunderts wurde hier ein Kloster errichtet; Wikinger kamen, Normannen, Engländer. Heute Elvis.
Das Zentrum von Cork ist ein sympathisches, lebendiges Gewusel kleiner Straßen und Plätze mit vielen Pubs, Restaurants, einem wunderschönen English Market und vielen kulturellen Orten – am besten bewegt man sich hier zu Fuß, um die Einbahnstraßenenge und überraschend abbiegenden Autospuren zu vermeiden. Mit Cork als Homebase, ich übernachte im schönen The River Lee mit tollem Blick über Fluss und Stadt, möchte ich ein paar Tage lang die Grafschaft Cork erkunden, an der Küste spazieren und – natürlich – besten irischen Whiskey probieren.
Durchatmen auf irisch
Der Golfstrom segnet Irland mit einem durchgängig milden Klima, das sich in einem frischen Grün (und ausgezeichneter Butter) auslebt. Durch grüne Hügel und Büsche kurve ich nun auf dem etwa dreiviertelstündigen Weg an die Küste, genauer gesagt zu einem Startpunkt des Ballycotton Cliff Walks. Ein Pfad führt an den teils steil abfallenden Klippen entlang, auch jetzt im Herbst blühen noch Wiesenblumen und Büsche voll reifer Beeren stehen ungepflückt. Nur eine Frau begegnet mir mit ihrem Hund. Das Wrack der MV Alta liegt fotogen mittig zerbrochen am Fels. Am anderen Ende der Wanderung steht der Ballycotton Leuchtturm auf einer kleinen vorgelagerten Insel. Es ist wunderschön und wunderschön still.
Marlogue Wood
Marlogue Wood liegt im Südosten von The Great Island, einer Insel im Mündungsgebiet bei Cork. Ein Wald am Wasser hat immer etwas besonderes, doch hier waren mir der Bestand von Monterey-Kiefern aufgefallen – eine kalifornische Kiefer, die für Mitteleuropa eigentlich nicht winterhart genug ist. Ein Kiefernhain am Meer, hier fühle ich mich wie in Italien! Am anderen Ufer sieht man den Hafen von Cork.
Kinsale
Am südlichen Endpunkt des Wild Atlantic Way, eine der längsten zusammenhängenden Küstenstraßen der Welt, liegt das kleine Städtchen Kinsale. Die bunten Geschäfte und Restaurants im Ort sind erkennbar auf Besucher ausgerichtet, und bekannt für seine besonders guten Fisch- und Meeresfrüchte-Restaurants. Ich kräftige mich im Fishy Fishy mit einem leckeren Mittagessen, bevor ich mich auf einen sonnigen Spaziergang mache: Ziel ist das Charles Fort, das gemeinsam mit der Ruine des James Fort am gegenüberliegen Ufer früher die Einfahrt des in der Mündung des River Bandon gelegenen Hafens von Kinsale sicherten. Der Scilly Walk ist ein Spazierweg am Wasser entlang, der von der Stadt bis zum Fort führt.
Wanderorte in der Grafschaft Cork im Video
Im Gefängnis so frei
In der Bucht von Cork, nach Sydney dem größten natürlichen Hafen weltweit, liegt die Hafenstadt Cobh (/koːf/ ausgesprochen). Hier kamen im April 1912 die letzten 123 Passagiere an Bord der RMS Titanic, bevor diese sich auf ihre – gelinde gesagt – eher unperfekte Reise nach Amerika aufmachte.
Der Holzpier, auf dem die Reisenden auf die Transferboote stiegen (die Titanic ankerte aus Zeitgründen etwas vom Ort entfernt vor einer kleinen Insel, ist noch vorhanden. Im historischen Abfertigungsgebäude der White Star Line kann man heute die Geschichten einiger der Passagiere nacherleben.
Die Insel, hinter der die Titanic ankerte, nennt sich Spike Island und ist eine Besonderheit für sich. Ursprünglich war hier ein Kloster, doch, da strategisch günstig gelegen, wurde hier im 18. Jahrhundert ein Sternfort zum Schutz des Hafens von Cork errichtet. Als dieses nicht mehr benötigt wurde, wurde es zum größten Gefängnis der Welt mit Platz für 2300 Häftlinge. Erst 2004 wurde das Gefängnis geschlossen. Mittlerweile kann man die Insel und das Gefängnis erkunden und sich darüber freuen, nicht das Pech zu haben, hier eingebuchtet gewesen zu sein…
Ein ähnliches Gefühl beschleicht mich auch, als ich zurück in Cork ins Cork City Gaol trete. Das Gefängnis der Stadt war bis in die 1920er aktiv, und es ist schwer vorstellbar, dass in den Hungersnöten 1845 und 1849 viele Arme vorsätzlich Straftaten begangen, um hier eingesperrt zu werden und damit etwas zu essen und anzuziehen zu bekommen.
Der Anteil der Engel
Ein Großteil der bekanntesten Irischen Whiskeys wird in Midleton, nahe Cork, hergestellt. In Krisenzeiten taten sich 1966 mehrere eigenständige Destillerien zusammen und verlegten die gesamte Produktion hierher. In der Jameson Experience wird der Prozess, der für die Herstellung nötig ist, in der historischen Anlage erklärt und gezeigt – spannend! Seit 1975 wird nebenan weiter produziert. Während der Reifung in amerikanischen Bourbon- und spanischen Sherry-Fässern verdunstet ein Teil des Whiskeys, die Interaktion mit dem Holz und der Luft ist für den Geschmack notwendig. Dies ist der sogenannte Anteil der Engel, Angel’s Share. Schön, dass sie auch etwas abbekommen! Übrigens: Die Verkostung verschiedener Whiskeys im Anschluss an die Führung ist absolut empfehlenswert.
Eine wirklich sympathische und vielfältige Region, denke ich, als ich mich wieder auf dem Heimweg mache. Und einen besonders schönen Fund, den ich in Cork gemacht habe, tja, den werde ich jetzt noch nicht verraten. Ein bisschen müsst ihr euch in Geduld üben!
Vielen Dank für die Unterstützung der Recherchereise an die Insel Irland!
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