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Inmitten der Annapurna Bergkette, umzingelt von 7000 und 8000m hohen Bergen, leben Menschen in kleinen Bergdörfern abgeschottet vom Rest der Welt. Keine Straßen führen hier hinauf, es gibt keine Geschäfte, gelebt wird von der Feldarbeit. Wir begeben uns Off-The-Beaten-Track auf den Community-Trek. Ein echter Geheimtipp!
Bald kommt der Monsunregen. Und mit ihm die schwüle Luft, die Hitze. Bereits nach 5 Minuten klebt mein Shirt an meinem Rücken. Wir befinden uns auf dem Weg, äh, eigentlich auf den Steinstufen, hinauf nach Bas Kharka (1525m). Die Wadenmuskeln werden gleich zu Beginn des Community-Treks im Annapurna Gebiet aktiviert.
Kann Tourismus auch Bio?
Bio ist In, nicht nur beim Frühstücksei. Das geflügelte Wort Nachhaltigkeit spielt nicht nur bei der Herkunft unseres Stroms eine Rolle. Auch im Tourismus ist Öko ein Trend. Eco-Tourism (Ökotourismus) ist das Schlagwort, aber was eigentlich kann an Tourismus Öko sein?
Immer wieder denke ich darüber nach, welche Auswirkungen mein Verhalten hat. Auf die Umwelt, die Natur, die Menschen, das Sozialgefüge einer Region. Bewusst unterstützen wir lokale Geschäfte, familiengeführte Gästehäuser, den Streetfoodstall am Eck. Mir kommt es verrückt vor, wenn Touristen in einem Pool planschen, während im Land Wasserknappheit herrscht. Oder eine „Hot shower“ brauchen, obwohl die meisten Leute nicht mal Strom haben. Als „eine verantwortungsvolle Form des Reisens in naturnahe Gebiete, die zum Schutz der Umwelt und zum Wohlergehen der ansässigen Bevölkerung beiträgt“ definiert die International Ecotourism Society (TIES) Ökotourismus. Es geht also darum, umwelt- und sozialverträglich unterwegs zu sein. Unser Guide Kiran erklärt, beinahe entschuldigend, zu Beginn des Treks, dass wir uns auf sehr einfache Umstände einstellen sollen. Dafür gäbe es kostenloses Wasser und Wifi. Hab ich richtig gehört, Wifi?! Ja, denn ein nepalesischer Pionier brachte vor wenigen Jahren das Internet in die entlegenen Bergdörfer, und startete damit eine kleine Revolution.
Wir erreichen am Nachmittag, vollkommen durchgeschwitzt, das Dorf Bas Kharka. Herzlichst werden wir von unserer Gastfamilie mit einem Glas frischem O‑Saft begrüßt, Bas Kharka ist berühmt für seine Orangenbäume. Durchatmen. Die ersten 600 Höhenmeter geschafft!
Büffelmilch und Reisschnaps
Die Sonne lukt bereits verschmitzt hinter einem Berg hervor, als wir uns auf den Weg nach Nangi (2320m), dem sogenannten Internetdorf, machen. Kartoffel- und Maisfelder, Kühe, Ziegen und Hühner prägen unseren Weg. Frauen tragen ihre Kinder in bunten Tüchern. Feuerholz wird in Körben auf dem Rücken transportiert. Als wir an dem Haus unseres Trägers, Bir Bahadur, vorbeikommen, stürmt seine kleine Tochter heraus. Ihr geflochtener Pferdeschwanz wippt aufgeregt auf und ab. Seine Eltern und Frau kommen lächelnd hervor. Da die gemeinsame Sprache fehlt, lächele ich so breit, dass mir die Wangen schmerzen. Es ist etwas ganz besonderes für mich, dass uns Bir Bahadur in sein Heim einlädt. Der Hauptraum ist Küche und Wohnraum zugleich. In einer Ecke flackert ein Lagerfeuer, ein paar Pfannen und Töpfe hängen an der Wand. Die Holzbalken der Decke sind schwarz vor Ruß. Wir sitzen auf selbstgeflochtenen Bastmatten und trinken ein Glas heißer Büffelmilch. Sie ist so fettig, dass sich sofort eine Haut bildet.
Einen Großteil des Raumes nehmen zwei Plastikfässer ein. „Reisschnaps“- erklärt uns Kiran. Das Dorf hat erst vor drei Jahren eine Stromleitung erhalten, eine nackte Glühbirne baumelt von der Decke. Während ich meine Milch schlürfe, versuche ich mir vorzustellen, in diesem Dorf zu leben. Mich täglich um Ziegen und Hühner zu kümmern, den Alltag von der Feldarbeit und Ernte diktiert zu bekommen. Die nächste Stadt liegt einen strammen Tagesmarsch entfernt. Es will mir nicht so recht gelingen. Und andererseits sind wir uns auch ähnlich. Das Leben dreht sich um die gleichen Themen: einen Partner fürs Leben finden, eine Familie gründen, den eigenen Kindern eine gute Zukunft ermöglichen, den Teller auf dem Tisch zu füllen. Meine Gedankenspiele werden von einem Glas Reisschnaps unterbrochen. Linus!
Im Internetdorf von Mr. Wireless
Unser Nachtlager wartet in Nangi, dem Internetdorf. Ich gebe zu, mir ist das ganze Wifi-Thema zu Beginn etwas suspekt. Durch die Diskussionen um Datenschutz, Internetkriminelle und NSA- Spionage sind der Wert und die Chancen des Internets in den Hintergrund gerückt. Vielleicht, weil es schon zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
In Nangi gibt es in der Schule ein „Computer Lab“, hier wachsen die Schüler nun mit Facebookfreunden und Likes auf. Das hat auch Auswirkungen auf die Sozialstruktur. In Nepal herrscht das Kastensystem, Ehen werden zu 90% arrangiert. Neuerdings wird auch über Facebook geflirtet, so dass „love marriages“ zunehmen und junge Menschen das Kastensystem auf die Probe stellen. Per Videokonferenz gibt es Sprechstunden mit einem Arzt in Kathmandu. Um mit Verwandten im Ausland zu kommunizieren sind Skype, Facebook & Co. wichtig. Die hohe Arbeitslosigkeit zwingt viele Verzweifelte ins Ausland, täglich migrieren 1600 Nepalesen vor allem in die arabischen Emirate und Malaysia. Sie bauen Häuser, Fußballstadien oder verdingen sich als billige Haushaltskräfte. Sie halten die nepalesische Wirtschaft am laufen: 26% des Bruttoinlandsproduktes werden von Arbeitsmigranten aus dem Ausland geschickt.
Eine Kuh muht, eine alte, gekrümmte Frau rupft Gras mit ihrer Sichel. In Nangi wirken die Baustellen in Katar und Kuala Lumpur sehr fern. Allmählich beginne ich zu verstehen, welche Bedeutung dem Community-Trek zukommt. Neben der Landwirtschaft, die überwiegend Subsistenzwirtschaft ist, gibt es hier oben keine Einnahmequellen. Die Touristenströme bewegen sich auf den Haupttrekkingrouten im Everest Gebiet oder entlang der Annapurna Runde. Mahabir Pun, in Nangi geboren, hat mit der Unterstützung des UN-Entwicklungsprogrammes den Trek etabliert, es gibt in den Dörfern Community-Dining-Halls, in denen die Gäste bekocht werden, geschlafen wird in Homestays. Jeder im Dorf beherbergt abwechselnd Wanderer. Die Einnahmen werden im Dorf geteilt, so profitieren alle Dorfbewohner von den Gästen in Wanderstiefeln. Community Development Commitees, Dorfräte, kümmern sich um Entwicklungsprojekte und die Verteilung von Ressourcen. Der Plastikmüll, den viele Trekker durch Plastikflaschen verursachen, ist hier oben kein Thema. Wasserflaschen werden nicht verkauft, stattdessen gibt es gefiltertes Bergwasser umsonst.
Wild Wild West auf dem Mohare Hill
Einatmen. Der Fuß steht in steilem Winkel, die Sehnen ziehen, die Waden sind angespannt. Ich lenke meine Energie in den Oberschenkel und drücke mich hoch. Ausatmen. Von Nangi (2300m) zum Mohare Hill (3320m) geht es steil bergauf. Das Licht der Morgensonne schimmert magisch durch den dichten Wald. Wir steigen heute 1000 Höhenmeter hinauf, es ist der anstrengendste Tag des Community-Treks. Das gefällt mir, denn ich will mich auspowern. Nach 3 Stunden erreichen wir plötzlich das Ende des Waldes und von nun an kraxeln wir entlang einer steil abfallenden Wiese.
Auf dem Mohare Hill gibt es eine Lodge, eine Community Dining Hall und Dzopkyos. Am Abend zieht ein schauriges Gewitter auf, der Himmel ist schwarz, Blitze zucken. Wir wärmen uns am Ofen, schauen fasziniert dem Naturspektakel um uns herum zu.
Fröhlich frisch geht es um 5.30 raus, der Sonnenaufgang wartet. Mit einer Tasse Kaffee lassen wir unsere Blicke über die Annapurna Berge gleiten. Es ist ein Moment der vollkommenen äußeren und inneren Ruhe, kein Mensch weit und breit.
Das wahre Highlight hier oben ist aber der nepalesische Cowboy. Für zwei Monate wurde er engagiert, um die Dzopkyoherde zu trainieren. Sie sollen lernen, Lasten zu tragen. Ein Mensch kann 30 kg in seinem Korb auf den Mohare Hill tragen, ein Dzopkyo 60 kg. Die Dzopkyos scheinen nicht so begeistert, schließlich durften sie bisher tun, was sie wollten. Vielleicht fanden sie auch nicht so toll, dass sie vor 2 Tagen kastriert und ihre Hoden verspeist wurden? Der Dzopkyo Trainer ist ein wahrer Teufelskerl, er säuft täglich 3 Liter Schnaps, seine Frau ist mit einem anderen Mann weggelaufen. Entspannt hält er das Leittier an seinen Hörnern fest, bespannt das bockende Dzopkyo mit Lasten. Lässig, aber autoritär, weist er den aufmuckenden Tieren ihren Platz zu. Selbst als er zu Boden geworfen wird, steht er mit einem süffisanten Lächeln auf. Wild Wild West in Nepal!
Wie schön kann ein Bergdorf sein?
Der Abstieg führt uns nach Tikot, einem Bergdorf so hübsch, dass es fast kitschig ist. Die Dächer sind aus Schieferstein, Ziegen, Kühe und Hühner scharren hinter jedem Haus. Ein wenig komme ich mir vor, als laufe ich durch eine Mittelalter-Filmkulisse. Und doch ist auch hier die Moderne angekommen: Satellitenschüsseln thronen auf einigen Dächern, in der Community Dining Hall gibt es W‑Lan und die Dorfjugend sitzt mit Handys am Sportplatz.
Unser Abstiegstag nach Tatopani beginnt gemütlich. Ich zögere unseren Abgang mit einem zweiten Kaffee heraus, so ganz will ich noch nicht diese Bergwelt verlassen. Auf dem Weg begegnen uns drei Frauen. Auf meine Frage, wo sie gerade herkommen, erwidern sie: „Wir haben unsere Kühe in den Wald gebracht“. Nach 7‑Tagen Community-Trek kommt mir das plötzlich ganz normal vor. Als gingen sie mit dem Hund Gassi.
Vielen Dank an ASI Wirklich Reisen für die Einladung auf den Community Trek. Wir hatten eine Menge Spaß!
Antworten
Great information, Thank you for sharing
Community trek is one of best way to explore insight Nepal, their land and mountains, people, their local culture and tradition and much more. Involving directly with the Nepali community , sharing and caring by your direct help. Staying with family home as a family member with local taste you directly helping the community for sustainable fund.
http://www.nepalfootprintholiday.com/nepal/nepal-community-trek.htmlschöner Bericht und tolle Bilder!
Ein toller Bericht, ganz großartig geschrieben! Nun habe ich direkt Lust, diesen in wunderbaren Nuancen beschriebenen Trek selbst zu erwandern und all diese spannenden Details selbst wahrzunehmen.
Oh das freut mich! Es lohnt sich auf alle Fälle 🙂
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