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Leopardenspuren! Zehn Meter von unseren Zelten entfernt! Das ist der Wahnsinn! Schon früh am morgen gibts im Camp Schattenland nur das eine Thema. Wir wollen dem Tier folgen. Die Spuren lesen. Und dann ein ultimativ spektakuläres Foto bekommen. Aber Wayne holt uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Erstens: Die Spuren führen in die entgegengesetzte Richtung, die wir heute einschlagen werden. Zweitens: So ein Leopard kann bis zu 15km des Nachts zurücklegen. Und wir wollen es nicht darauf ankommen lassen, irgendwo im Busch, mit Sonnenstich und ohne Wasser gnadenlos dahinzusiechen. Ein schlagendes Argument. Verständnisvoll packen wir all unser Hab und Gut zusammen. Schnallen es wieder auf unseren Rücken. Und ab geht die Lutzie.
Entlang des Flusses herrscht Hochbetrieb. Alle möglichen Antilopenarten stehen bereit an den Wasserlöchern. Schauen sich nervös um. Saufen. Drei Meter lange Krokodile tarnen sich derweil im Tümpel als unscheinbare Stöcke oder Felsen. Überlegen sich Angriffstaktiken. Warten. In einem anderen Tümpel haben es sich Nilpferde bequem gemacht. Kühlen sich im wohltemperierten Flusswasser. Schlackern mit den Ohren. Die Tierwelt scheint heute so friedlich. Wir entspannen uns zusehends. Ein Fehler.
Durch die Büsche seitlich des Flusses zeichnen sich eine Menge Büffelbeine ab. Eine kleine Herde steht dort beisammen. Riecht uns. Rennt. Aber definitiv in die falsche Richtung. Rennt nicht weg. Sondern geradewegs auf uns zu. Eine kleine Herde, die plötzlich erschreckend groß erscheint. Viele Leiber die uns zerquetschen können. Viele Hörner die uns aufspießen können. Viele Hufen die uns zertrampeln können. Uns Schützlingen steht eindeutige die blanke Panik ins Gesicht geschrieben. Jeder sieht sich hastig links und rechts nach einen geeigneten Busch um, in den man notfalls hechten kann. Falls Wayne und F.W. sich in so einem Moment auch ein so derbe einscheißen wie wir, dann ist es ihnen nicht anzumerken. Sie bleiben cool und lässig vor uns stehen. Bauen sich auf. Behalten uns und die schneller näher kommenden Büffel im Auge. Anstatt das Gewehr in Anschlag zu nehmen, pfeifen die beiden. Ernsthaft? Meine Panik wächst, obwohl ich weiß, dass die beiden Guides ihre Aufgabe ernst nehmen. Aber siehe da. Das laute Pfeifen wirkt anscheinend besser als jeder Schuss aus der Knarre: Jetzt sind es die Büffel die panisch dreinblicken. Kehrtwende. Die Herde vollführt im Gleichschritt eine abrupte Pirouette und läuft von dannen. Gerettet!
Während wir wieder durch die Wildnis spazieren und unseren Adrinalinüberschuß abarbeiten, bahnt sich schon das nächste Unheil an. Warum sollen wir auch nur einen Büffelangriff erleben, wenn wir gleich zwei haben können?! Jackpot. Wenige Meter vor uns hocken also diese beiden Büffelbullen. Die sehen schon so aus, als ob sie volle Kanne auf Krawall gebürstet sind. Sobald sie unseren Geruch erschnüffelt haben, gehen sie in Kampfstellung. Beäugen uns. Schnauben. Schatten mit den Hufen. Wir bleiben wieder dicht beisammen. Die Büffel umkreisen uns. Suchen den Schwachpunkt in der Menschenherde. Die Panik lässt uns schon wieder alle Fluchtmöglichkeiten durchkalkulieren. Aber wir müssen uns ans oberste Gebot halten. Standhaft bleiben. Diesmal lassen sich die streitlustigen Bullen nicht durch die Pfeifeinlage beeindrucken. Wayne und F.W. müssen Eier zeigen. Die Büffel nehmen Anlauf. Attacke. Wayne hebt sein Gewehr in die Luft und brüllt: „HEY STAY AWAY! What do you think you are doing here? FUCK OFF!“ Der aggressive Unterton scheint Wirkung zu zeigen. Die Bullebeißer stoppen. Verschaffen uns noch einen kurzen Herzaussetzer, als sie nochmal von rechts vorpreschen. Dann lassen sie von uns ab. Gerettet, die zweite.
Völlig ausgelaugt schlagen wir nach drei Stunden Wanderung mit heiklem Gefühlschaos unser nächstes Lager auf. Direkt an einem mächtigen Baum, an dem Elefanten gerne ihren dreckverkrusteten Bauch schubbern. Überall sind Fußabdrücke der Riesen zu finden. Eine Spur irritiert uns jedoch gehörig: zwei parallel laufende Linien lassen vermuten, dass hier jemand unbeholfen mit dem Quadbike umhergeschlingert ist. Der wissende Wayne klärt uns auf: Hier hat ist ein fauler Elefant entlang gelatscht, der seine Hinterbeine ganz einfach hat schleifen lassen. Oh, so würde wir uns auch manchmal gern hängen lassen! Durch die hohe Elefantenfrequenz ist dementsprechend um den Kratzbaum herum Unmengen an Elefantenkacke zu finden. Inmitten den Fladen positionieren wir unsere Zelte. Schön kuschelig wirds.
In der sengenden Mittagshitze suchen wir uns wieder einen idyllischen Tümpel zwischen Krokos und Hippos. Plantschen wieder zwischen Bilharzioseschnecken. Lassen uns von Riesenkrebsen in den Zeh zwicken. Und auch der reptilienverrückte Thilo wird wieder fündig: Mit einem jungen Wasserwaran wird Fangen gespielt. Hoffentlich wartet Mamawaran nicht hinter der nächsten Ecke. Denn sonst würde das Spiel heißen: Bis einer weint. Irgendwann gewinnt der kleine Waran, weil er eine Spalte gefunden hat, aus der Thilo ihn nicht mehr rausscheuchen kann. Glück für den geschuppten Freund.
Nachmittags steht ein weiterer Ausflug an. Wir erkunden die neue Gegend. Verfolgen, wieder besonders zu Thilos Freude, eine frische Krokodilspur. Vielleicht wird ja das Fangspiel endlich zum Erfolgserlebnis. Ganz aufgeregt watscheln wir den schwerfällig wirkenden Abdrücken hinterher. Vielleicht hinter diesem Mopanebusch? Nein. Oder hinter diesem? Auch nicht. Krokodil sag mal Piep! Wir sind so erwartungsvoll. Doch als uns wieder der süßlich, schwere Geruch von verrottendem Fleisch in die Nase steigt und wir wenig später einen nicht mehr ganz so frisch aussehenden Büffel sichten, wird klar, dass sich das Kroko hier wohl einen Mitternachtssnack gegönnt hat. Wir verlieren die Spur hier. Und müssen uns wieder geschlagen geben.
Nun pirschen wir uns an Tiere heran, die deutlich sichtbar sind. Zwischen hohen Gräsern steht eine Elefantentruppe. Sogar die Ohren eines Kleinen schlackern immer mal wieder zwischen den Grasbüscheln hervor. Langsam schleichen wir uns an. Diesmal ist der Wind auf unserer Seite. Wir kommen bis auf 30m an die Dickhäuter heran. Stellen uns auf eine kleine Anhöhe und genießen diesen atemberaubenden Augenblick. Immer mal wieder dreht der Wind ein bisschen. Dann schießen plötzchlich alle Rüssel und Rüsselchen in die Höhe, um unseren seltsamen (wahrscheinlich nach Schweiß, Mückenschutzmittel und Flusswasser stinkenden) Geruch wahrzunehmen. Aber die Elefanten nehmen uns nicht als Gefahr wahr. Grasen gelassen weiter. Und wir schauen gelassen zu. Es fühlt sich herrlich an. Und als ob Natur uns noch das i‑Tüpfelchen der Wanderung präsentieren möchte, malt sich hinter uns ein leuchtend bunter Regenbogen am Himmel ab. Ein wunderschönes Zusammenspiel inmitten wunderschöner Wildnis.
Wir sind zufrieden und erfüllt. Zwar noch immer ein bisschen angespannt und ziemlich ausgehungert (der Zuckervorrat hat bei weitem nicht gereicht und je zweimal am Tag Nudeln mit roter Soße hängen uns dann auch zum Hals raus). Aber die Endorphine tanzen Rumba. Thilo mimt wieder den Buschmann und entfacht das Feuer mit Steinen und Kacke. Niemand lässt sich von den kleinen Skorpionen einschüchtern, die zwischen uns umherflitzen. Auch das Löwengebrüll, dass wir diese Nacht hören klingt wie Musik in unseren Ohren.
Am nächsten Morgen bewegen wir uns wieder in Richtung Zivilisation. In Richtung Dusche statt Hippotümpel. In Richtung Boerewors und Cola statt Nudeln und Flusswasser. Darauf freuen wir uns insgeheim schon ein bisschen. Aber die vier Tage in der Wildnis haben etwas in uns ausgelöst. Wir wollen mehr davon. Überleben lernen dort draußen. Wild sein. Frei sein.
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Antwort
.… und ich lese die ganze Zeit »Bügelangriff«!
Wahrscheinlich brauche ich Urlaub .…
Auf jeden Fall vielen Dank für den spannenden Bericht, der nicht nur wegen meinem Verleser mehr als spannend für mich gewesen ist
LG
Sabienes
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