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Ich glaube, ich wohne hier.

Mein Ruck­sack liegt leer unter mei­nem Bett.


 

 

Ich bin auf Bocas del Toro. Ja, noch­mal. Ich bin zurück­ge­kehrt und habe damit mein eige­nes Dog­ma gebro­chen, nie an einen Ort zurück­zu­keh­ren. Denn nie ist es wie es zuvor ein­mal war. Und weil es zuvor ein­mal toll war, will man ja zurück­keh­ren. Also kann man eigent­lich nur ent­täuscht wer­den.

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Doch die­ses Mal will ich es gar nicht wie es zuvor ein­mal war. Nach sechs Mona­ten unter­wegs sein, drei Tagen an einem Ort, irgend­wie irgend­wo im Hos­tel unter­kom­men, Ruck­sack packen, Ruck­sack schlep­pen, ewig Bus fah­ren, woll­te ich jetzt mal mei­nen Ruck­sack aus­pa­cken. Und aus­ge­packt las­sen. Nach sechs Mona­ten Gemein­sam­keit, 24 Stun­den am Tag, sie­ben Tage die Woche, habe ich mich von mei­ner Reise‑, Herz- und See­len­be­glei­tung ver­ab­schie­det. Nach sechs Mona­ten Hostel­le­ben habe ich jetzt ein Apart­ment. Ohne Rezep­ti­on, an der ich alles erfra­gen kann. Ohne Gemein­schafts­raum, in dem ich Gleich­ge­sinn­te tref­fe. Ich habe einen Job, ein Fahr­rad, eine loka­le Tele­fon­num­mer, Hob­bies, Freun­de und noch mehr Bekann­te. Nach sechs Mona­ten Besu­cher sein, bin ich jetzt Bewoh­ner.

0.ropa

So toll das Rei­sen auch ist, noch tol­ler fühlt sich gera­de das Woh­nen an. Auf der Haupt­stra­ße, auf der ich mich noch als Besu­cher haupt­säch­lich auf­hielt, bewe­ge ich mich kaum noch. Und wenn, tref­fe ich alle zehn Meter auf einen Bekann­ten. Die gan­zen ver­schie­de­nen Restau­rants, die ich als Besu­cher noch aus­pro­bie­ren woll­te, rie­che ich nicht ein­mal mehr. Ich fah­re gezielt zu dem Super­markt, der mei­nen Lieb­lings­boh­nen­muss ver­kauft und zu der Gemü­se­hüt­te in der vier­ten Stra­ße, der das frischs­te und güns­tigs­te Gemü­se hat.

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Wenn ich nach Hau­se kom­me, las­se ich mich ein­fach auf mein Bett fal­len. Ich besit­ze wie­der einen Haus­tür­schlüs­sel. Und einen fixen Ort, an dem ich die­sen immer able­ge. Im Bad las­se ich mei­ne Sachen ein­fach ste­hen und ram­mel sie nicht in den Kul­tur­beu­tel. Auch mein Hand­tuch hat dort einen ganz eige­nen Haken. Im Kühl­schrank sind allein mei­ne Sachen und kei­ner trinkt mir die Milch weg.

0.refi

0.hibanico

Mei­nen Ruck­sack habe ich kom­plett aus­ge­packt, mei­ne weni­ge Klei­dung hängt auf Bügeln in der Ecke mei­nes Apart­ments, der Ruck­sack liegt leer und nutz­los unter dem Bett. Ich besit­ze mitt­ler­wei­le einen eige­nen Ven­ti­la­tor und eige­ne Kis­sen für mein Bett. So gro­ße Din­ge habe ich schon lan­ge nicht mehr gekauft. Denn Kauf­kri­te­ri­um war stets, ob es noch in den Ruck­sack passt oder sich dort dran­schnal­len lässt. In so einem eige­nen Zuhau­se kommt tat­säch­lich mehr unter als in so einem Ruck­sack, der bis jetzt immer mein Zuhau­se war.

0.Wendy

Ich fah­re mei­ne eige­nen Wege, ich put­ze mein eige­nes Bad, ich tref­fe mei­ne eige­nen Freun­de an mei­nen eige­nen Orten. Anstatt von frü­hem Reiß­ver­schluss­zip­pen im Schlaf­saal wach zu wer­den, weckt mich mein Wecker, um pünkt­lich zur Arbeit oder in die Wel­len zu kom­men. Anstatt mei­nen Rei­se­pass stets an mir oder im Schließ­fach zu haben, ruht er jetzt in der hin­ters­ten Ecke hin­ter der Klei­dung. Anstatt nur eine Schei­be Käse und eine hal­be Toma­te für eine Mahl­zeit zu kau­fen, mache ich jetzt rich­ti­ge Super­markt­ein­käu­fe, die ich kaum nach Hau­se geschleppt bekom­me, die mei­nen klei­nen Kühl­schrank bis zum Rand fül­len und die mich mit dem chi­ne­si­schen Ver­käu­fer so bekannt machen, dass er mich abends beim zufäl­li­gen Auf­ein­an­der­tref­fen auf Bier ein­lädt.

0.bici

Vor sechs Mona­ten waren Din­ge wie die­se noch nor­mal. Jetzt sind sie wie­der beson­ders. Damals habe ich mich von allem befreit. Struk­tu­ren, Ver­ant­wort­lich­kei­ten, Uhr­zei­ten, Abhän­gig­kei­ten. All dies habe ich gesprengt und bin ein­fach los­ge­zo­gen. Das war das ulti­ma­ti­ve Frei­heits­ge­fühl und tat so wahn­sin­nig gut. Jetzt las­se ich Din­ge wie die­se wie­der in mein Leben. Eben nur an einem ganz ande­ren Ort und in ganz ande­ren Dosen und ganz selbst­be­stimmt. Aber auch dies ist das ulti­ma­ti­ve Frei­heits­ge­fühl und tut so wahn­sin­nig gut.

0.cama

Momen­tan über­le­ge ich, mir einen Mixer zu kau­fen, um mor­gens fri­sche Säf­te zu machen. Aber das ist mir momen­tan noch zu viel Invest­ment, Besitz und Bin­dung. Und passt gemein­sam mit dem Ven­ti­la­tor und den Kis­sen erst Recht nicht in den Ruck­sack. Freun­de und Fami­lie fra­gen mich, was denn nun mein Plan sei. Ich habe kei­ne Ahnung. Ich weiß nur, dass es mir momen­tan hier so gefällt. Und ich weiß, dass ich in ein paar Wochen ent­we­der den Mixer gekauft oder aber den Ruck­sack wie­der gepackt habe.


Antworten

  1. Avatar von Klaus
    Klaus

    Und jetzt?2018?immer noch dort oder wie­der gepackt und los­ge­zo­gen?
    LG klaus

  2. Avatar von Jessica
    Jessica

    Hal­lo Lena,

    Habe gra­de dei­nen Bericht hier gele­sen und finds wahn­sin­nig span­nend und mutig was du da gemacht hast! 🙂 Bist du noch in Bocas del Toro?
    Ich bin grad auf dem Weg dort­hin und auf Arbeits­su­che ; Viel­leicht hast du den einen od.anderen Tipp für mich oder weisst wen wer jmd sucht od. Braucht? 🙂
    Freue mich auf dei­ne Neu­ig­kei­te n.
    Alles gute dir wei­ter­hin !
    L.G
    Jes­si­ca

  3. Avatar von Kevin

    Coo­ler Bericht 🙂
    Und by the way… Was für ein Surf­brett 🙂 Super!

    LG Kevin

    1. Avatar von Lena

      Lie­ben Dank Kevin! Hahaa, ja, es trägt jede Far­be von Wax, die ich fin­den konn­te 🙂

  4. Avatar von Kati Altmann via Facebook

    so wahr!!! ein­fach wun­der­bar!

    1. Avatar von Lena

      Ja so wun­der­baaar! Dan­ke!

  5. Avatar von Erich Glas
    Erich Glas

    Ja hal­lo, der Bericht hat mir sehr gut gefal­len weicht er doch von den übli­chen ab und ankom­men ist auch sehr schön.

    1. Avatar von Lena

      Dan­ke­schön Erich! Für dein Kom­men­tar, für’s Ver­ständ­nis und für’s Mögen.

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