Palmyra – wie es nie wieder sein wird

Es ist der Früh­ling im Jah­re 2009 des gre­go­ria­ni­schen, bzw 1430 des Hid­schra Jah­res, als ich mit dem Ruck­sack durch Syri­en rei­se. Ange­sichts der, seit dem Aus­bruch des Bür­ger­krie­ges, dra­ma­ti­schen Lage im Land bli­cke ich heu­te mehr denn je weh­mü­tig auf mei­ne damals nie­der­ge­schrie­be­nen Rei­se­er­in­ne­run­gen zurück.

Syri­en bie­tet eine kaum zu über­schau­en­de Zahl groß­ar­ti­ger Kul­tur­denk­mä­ler und das anti­ke Pal­my­ra gehört dabei unum­strit­ten zu den größ­ten Kul­tur­schät­zen Vor­der­asi­ens. Es war mir ein beson­de­res Pri­vi­leg, das alte Tad­mur zu Fuß erkun­den zu dür­fen.

Gele­gen, etwa auf hal­bem Weg zwi­schen Damas­kus und Euphrat in der syri­schen Wüs­te,  benach­bart durch das »neue« Tad­mur, eine moder­ne, gesichts­lo­se, syri­sche Klein­stadt, liegt das anti­ke Tad­mur, eine  gut erhal­te­ne römi­sche Rui­nen­stadt. Abge­se­hen vom liby­schen Lep­tis magna, wird der Kul­tur­rei­sen­de, außer­halb Ita­li­ens schwer­li­che etwas Ver­gleich­ba­res fin­den kön­nen.

Die Oase ist bereits seit dem 7. Jahr­tau­send v. Chr. bewohnt und  das alte »Tad­mor« wur­de nach neue­ren Erkennt­nis­sen  min­des­tens 2000 Jah­re v.Chr. begrün­det. Nach Erobe­rung durch römi­sche Trup­pen im 1. Jahr­hun­dert v. Chr. erreich­te Pal­my­ra als spä­te­re »Colo­nia« sei­ne Blü­te­zeit als zen­tra­ler Han­dels­punkt um das 1. Jahr­hun­dert n. Chr. Nach außen- und innen­po­li­ti­schen Wir­ren und einem gewon­nen Krieg gegen Per­si­en wur­de Pal­my­ra als eigen­stän­di­ger Macht­fak­tor von Rom unab­hän­gig und besetz­te in Fol­ge ganz Syri­en und Ägyp­ten, bevor das Römi­sche Reich den Groß­macht­am­bi­tio­nen Pal­my­ras ein Ende setz­te und die Stadt zer­stör­te. Unter Dio­kle­ti­an wur­de die Stadt um 300 n. Chr. deut­lich klei­ner wie­der auf­ge­baut und ver­lor, nach­dem Zer­fall des Ost­rö­mi­schen Reichs end­gül­tig an Bedeu­tung.

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Ein Blick über die abend­li­che Rui­nen­stadt von der Zita­del­le aus gese­hen.

Ich keh­re in ein klei­nes, her­un­ter­ge­kom­me­nes Hotel ein, des­sen Besit­zer hier zwi­schen Moder­ne und Anti­ke ein ruhi­ges Leben führt. Als Relikt aus der Zeit des Völ­ker­bund­man­dats, als Syri­en unter fran­zö­si­sche Herr­schaft fiel, spricht er ein pas­sa­bles Fran­zö­sisch und wir kom­men bei abend­li­chem Lamm und Kicher­erb­sen ins Gespräch.

Schon um Son­nen­auf­gang bin ich wach um den Tag opti­mal zu nut­zen, denn die Aus­deh­nung der anti­ken Stadt beträgt meh­re­re Kilo­me­ter und Rui­nen fin­den sich noch um den Berg her­um, von dem eine Zita­del­le aus neue­rer Zeit über den säu­len­ge­säum­ten Pracht­stras­sen thront.

Als ers­tes besich­ti­ge den Baal Tem­pel, den der »Isla­mi­sche Staat« vor weni­gen Tagen erst, unter Auf­bie­tung immenser Men­gen von Spreng­stoff, prak­tisch dem Erd­bo­den gleich mach­te.

Dann betre­te ich die römi­sche Pracht­stras­se durch das Hadri­ans­tor und bin über­wäl­tigt von der Viel­zahl gut erhal­te­ner Rui­nen, den Tetra­py­len, dem Ein­druck der 1000 Meter lan­gen Allee aus Säu­len und der Stil­le die in der Wüs­te herrscht. Bis auf eini­ge Syrer, wel­che die his­to­ri­schen Wege immer noch gemäß ihrer ursprüng­li­chen Bestim­mung nut­zen, sind kei­ne ande­ren Tou­ris­ten weit und breit zu sehen.

 

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Das Hadri­ans­tor, der Beginn der Pracht­stras­se.

Ich ver­brin­ge Stun­den damit mit alle Details anzu­se­hen und die Hand­werks­kunst der Stein­met­ze zu bewun­dern, wäh­rend die Son­ne immer höher steigt und die Tem­pe­ra­tur, obwohl Früh­ling, deut­lich über 30°C klet­tert. Hier sehe ich die ein­zi­gen Dro­me­da­re wäh­rend mei­ner Syri­en­rei­se. Zwei der stoi­schen Tie­re war­ten mit ihren Besit­zen im Schat­ten des Hadri­ans­tors auf Besu­cher um sie durch die Rui­nen­land­schaft zu tra­gen. Eine klei­ne Grup­pe fran­zö­si­scher Kul­tur­tou­ris­ten hat sich zu mir gesellt und beschert den zwei kamel­kun­di­gen Syrern das ers­te Geschäft ihres Tages.

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Sta­tue eines Man­nes, acht­los am Weges­rand.

Das bes­tens erhal­te­ne Kollos­se­um ist mein Rast­platz und nie­mand stört die Stil­le. Die blu­ti­ge Ver­gan­gen­heit die­sen Ortes, an dem zur Blü­te­zeit Pal­my­ras Tier- und Gla­dia­to­ren­kämp­fe statt­fan­den, ist blu­ti­ge Gegen­wart gewor­den, als der IS das Thea­ter 2015 für Mas­sen­hin­rich­tung nutz­te.

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Das Kol­lo­se­um Pal­my­ras, hier fan­den, unter der Herr­schaft des Isla­mi­schen Staats, Mas­sen­exe­ku­tio­nen statt.

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Blick in die Prach­stras­se.

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Säu­len­in­schrif­ten.

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Aus dem Inne­ren des Tem­pels des Baal-Shamin.

Ich habe fast den gan­zen Tag mit der Besich­ti­gung ver­schie­de­ner Tem­pel, Prach­stras­sen und Rui­nen­fel­dern ver­bracht, als ich mich spät­nach­mit­tags auf den Weg zum »Tal der Grä­ber« mache. Nach meh­re­ren Kilo­me­tern Fuß­marsch, auf denen ein Gecko die ein­zi­ge Lebens­form ist, die mir begeg­net, errei­che ich Pal­my­ras West­ne­kro­po­le.

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Der Gecko ist per­fekt an sei­ne Umge­bung ange­passt.

Die Grab­tür­me aus dem 1. Jahr­hun­dert n. Chr. sind für ihr Alter in sehr gutem Zustand und waren die Grab­stät­ten wohl­ha­ben­der Fami­li­en. Von außen schlicht fin­den sich im Inne­ren der Tür­me kunst­vol­le Deko­ra­tio­nen und immer noch far­bi­ge Decken­ge­mäl­de.

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Blick auf die Grab­tür­me Pal­my­ras West­ne­kro­po­le. Der IS spreng­te 2015 die drei Best­erhal­te­nen.

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Far­bi­ge Fres­ken im Inne­ren der Grab­tür­me, die Gesich­ter wur­den zer­stört.

Um den Son­nen­un­ter­gang zu erle­ben, stei­ge ich zum Abschluss des Tages zur Qal´at Ibn Ma´n, der ober­halb der Rui­nen­stadt gele­ge­nen Zita­del­le auf. die im 13. Jahr­hun­dert n. Chr. errich­te­te Fes­te, soll­te die Regi­on vor Kreuz­fah­rer­hee­ren schüt­zen, ver­sank aller­dings, wie die ihr zu Füßen lie­gen­de Stadt, in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit.

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 Qal´at Ibn Ma´n, im 16. Jahr­hun­dert zum Schloss aus­ge­baut.

Als ich damals Pal­my­ra und eini­ge Wochen spä­ter Syri­en ver­ließ, hät­te ich mir die Dra­ma­tik, mit der sich die Situa­ti­on im Land ent­wi­ckel­te, nicht im Traum vor­stel­len kön­nen und es erfüllt mich mit tie­fer Trau­er, den Nie­der­gang die­ses Lan­des täg­lich in den Nach­rich­ten zu ver­fol­gen.

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Antworten

  1. Avatar von Marion

    Neben all den mensch­li­chen Schick­sa­len ist es wirk­lich sehr scha­de um die wun­der­schö­nen kul­tu­rel­len Stät­ten in Syri­en. Vie­len Dank für die­sen schö­nen Bericht und die tol­len Bil­der!

  2. Avatar von Hans-Dieter Knebel
    Hans-Dieter Knebel

    Hal­lo,
    ja, es ist schlimm, was reli­giö­ser Fana­tis­mus so alles anrich­ten kann. Ich war 2004 dort. Aller­dings gab es damals noch kein Kol­lo­se­um, son­dern »nur« ein Thea­ter.
    LG
    hdk

    1. Avatar von till
      till

      das ist rich­tig, die Sitz­rei­hen eines Amphi­thea­ters lau­fen rund her­um, es ist natür­lich ein Thea­ter.

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