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Trampen ist was Feines. Wir genießen es am Straßenrand zu stehen, dem Verkehr freudig entgegen zu blicken und auf die nächste Mitfahrgelegenheit zu warten. Doch auf Indiens Straßen sind wir selten allein. Egal, ob in der Wüste Rajasthans, den kurvigen Straßen des Himalayas oder in der tropischen Hitze des Südens – überall begegnen uns die gleichen schrägen Typen, die uns jedoch keinen Meter näher an unser Ziel bringen.
Aus diesem Grund präsentieren wir euch eine (völlig ernst gemeinte) Typologie der Menschen, die uns in Indien nicht mitgenommen haben.
Und auch wenn es so anmuten mag: Der folgende Text enthält keinerlei Übertreibungen.
1. Der Wegweiser
Der Wegweiser ist ein immer wiederkehrendes Phänomen auf Indiens Straßen. Er spricht wenig und zeichnet sich durch Gesten aus.
Wir stehen mit einem beschrifteten Schild am Straßenrand. Wie immer haben wir uns einige Kilometer vom Stadtrand entfernt positioniert. Denn dort, wo in Indien die Stadt endet, enden nicht automatisch die Menschenmengen, die fürs Trampen durchaus fatale Folgen haben können (siehe auch: die indische Menschenmenge). Kleine Teehäuser, die Stände der Panverkäufer, die mobilen Obsthändler mit ihren rollenden Karren – sie alle bevölkern die Straßen bis weit außerhalb der Stadtgrenzen.
Da stehen wir also an der Straße, die auf direktem Wege zu unserem Zielort führt, der auf unserem Schild steht. Wir befinden uns auf der korrekten Straßenseite – alles hat seine Richtigkeit. Und da passiert es, immer wieder. Ein Auto hält an, der Fahrer, der Beifahrer, oder aber auch beide zusammen (meistens dickbäuchige Inder mit Schnubbi), wiederholen, laut und aufgeregt brüllend, den Ortsnamen auf unserem Schild, deuten mit dem ganzen Arm in großen Gesten die Straße hinunter und fahren weiter. In eben diese Richtung. Uns ist klar, dass das Konzept des Trampens in Indien unbekannt ist. Doch für wie hilflos halten uns diese Menschen?
Unser Tipp für Indienreisende: Wenn ihr euch einmal verlaufen habt, macht es euch nicht zu einfach, indem ihr jemanden nach dem Weg fragt oder in eine Karte guckt. Bastelt euch lieber ein Schild, beschriftet es und stellt euch damit irgendwo an den Straßenrand und hofft darauf, dass jemand anhält und euch mitteilt, wo sich dieser Ort befindet. In Indien ist nichts leichter als das.
2. Der fantasielose Skeptiker oder auch der Besserwisser-Schnösel
Der fantasielose Skeptiker weiß nicht, was wir machen, kann sich nicht vorstellen, dass wir bei Verstand sind und ist der Meinung, nur er könne uns helfen.
Ausnahmslos ist diese Gattung der Inder immer die erste Person, die uns anspricht, sobald wir uns am Straßenrand positionieren. In der Regel handelt es sich dabei um einen jungen Mann, der die Schule noch nicht gänzlich abgeschlossen hat. Er trägt eine Brille, einen akkurat gekämmten linken Seitenscheitel mit Fönwelle, ein fein säuberlich gebügeltes Hemd und eine enge Jeanshose, die sich um seine schlaksigen Beine legt. In den Genuss einer gehobenen, privaten Bildung gekommen, denkt er, er sei schlauer als der Rest der Welt. Zumindest spricht er Englisch.
Mit den für diese Gattung typischen Sätzen, die immer einen langen, einleitenden Satzteil mit sich bringen, und selten schnell auf den Punkt kommen (Actually, what happened is…), prescht der fantasielose Skeptiker langatmige Phrasen und versucht uns weis zu machen, dass unser Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist. Es sei „not possible“, dass jemand hier für uns anhalten würde.
Wir winken ab, versuchen das Gespräch kurz zu halten, fürchten eine Ansammlung von Indern, die in Sekundenschnelle wie aus dem Nichts entstehen kann (siehe auch: die indische Menschenmenge). Freundlich machen wir unser Gegenüber darauf aufmerksam, dass wir unser Vorhaben trotzdem gerne ausführen würden. Doch der fantasielose Skeptiker ist strikt dagegen, dass wir unseren eigenen Willen durchsetzen, stimmt dieser doch nicht mit seinem eigenen Gutdünken überein. Der Schlaumeier weiß es einfach besser.
Irgendwann werden wir nervös, sehen wir doch schon die ersten neugierigen Inder, die sich auf der anderen Straßenseite positionieren (siehe auch: der Pirscher oder der Starrer). „Listen“, versuchen wir den nicht enden wollenden, bemüht gehobenen Redeschwall des Schlaumeiers zu unterbrechen. Aber auch der Umstand, dass wir den ganzen Weg aus Deutschland per Anhalter gekommen sind, überzeugt ihn nicht. Wie so oft hat er nicht zugehört oder uns nach dem ersten Halbsatz unterbrochen; ist er doch zu sehr damit beschäftigt selbst zu sprechen. Er wiederholt sich. Wir könnten hier nicht stehen, niemand werde uns mitnehmen.
Ob er es jemals probiert habe, fragen wir. Aber natürlich ist der Schlaumeier noch nie getrampt, trotzdem weiß er, dass unsere Idee töricht ist. Und woher, bitteschön? „Because I am Indian“ antwortet er genauso schlicht wie überheblich. Wir beenden das Gespräch, indem wir ihm deutlich sagen, dass er jetzt gerne weitergehen kann, denn schnell kann diese Situation ausarten (siehe auch: der penetrante Helfer). Mit einem arroganten Kopfschütteln und sichtlich in seinem Selbstbild gekränkt entfernt sich der fantasielose Skeptiker schließlich.
3. Der Hilfsbereite
Der Hilfsbereite gehört zur angenehmsten und gleichzeitig auch zur facettenreichsten Gattung derjenigen Inder, die uns beim Trampen durch Indien begegnet ist.
Denn eines wollen fast alle Inder: helfen. Vom 10-jährigen Knirps über den dahinschlendernden indischen Opa bis zur Kleinfamilie. Ob nun Fußgänger oder Auto- und Motorradfahrer, die anhalten, zurückfahren oder in halsbrecherischen Manövern wenden. Sie alle denken, uns sei etwas Schlimmes zugestoßen, wir seien verzweifelt und wir bräuchten sehr dringend Hilfe.
Any Problem? What happened? Where you going? You want help?
Ein fataler Fehler wäre es nun zu erzählen, was wir hier wirklich machen. Das ruft nur wieder den fantasielosen Skeptiker oder Schlimmeres (siehe auch: der penetrante Helfer) auf den Plan, welches wiederum schnell zur großen Menschenansammlung (siehe auch: die indische Menschenmenge) führen kann. Auch hier heißt es wieder, schnell sein, lächeln und freundlich versichern, dass es uns gut geht und wir mit keinerlei Schicksalsschlag konfrontiert worden sind. Einige Inder geben sich damit zufrieden, wackeln freundlich mit dem Kopf, wollen vielleicht noch ein Selfie machen und ziehen letzten Endes von dannen. Dann haben wir Glück.
Haben wir Pech, verwandelt sich der Hilfsbereite zu einer sehr anstrengenden Gattung (siehe auch: der penetrante Helfer).
4. Der penetrante Helfer
Der penetrante Helfer ist eine der gefährlichsten Gattungen der Menschen, denen wir auf den Straßen Indiens begegnet sind. Wird man ihn nicht schnellstmöglich los, sind weitreichende Folgen garantiert (siehe: die indische Menschenmenge), bis hin zum Polizeieinsatz. Der penetrante Helfer ist zeitgleich auch die nervigste Gattung Mensch, die man antreffen kann und bringt selbst erfahrene Tramper und die ruhigsten Zeitgenossen irgendwann zur Weißglut. Gespräche mit dem penetranten Helfer laufen immer in einem ähnlichen Schema ab.
PENETRANTER HELFER: Where you going?
WIR: Ortsname.
PENETRANTER HELFER: Busstand (große Geste mit dem Arm).
WIR: Oh no. We don’t go by bus.
PENETRANTER HELFER: No bus?
WIR: No bus.
PENETRANTER HELFER: You go taxi?
WIR: No, we go by lift only.
PENETRANTER HELFER: Ahhh, okay.
(PAUSE)
PENETRANTER HELFER: You need bus?
WIR: No. NO BUS!
PENETRANTER HELFER: Ahhh. Okay. No bus. No bus. No problem.
(PAUSE)
PENETRANTER HELFER: You need taxi?
WIR: No. NO TAXI.
PENETRANTER HELFER: Ahhh. Okay. No taxi. No taxi.
(PAUSE)
(DER PENETRANTE HELFER HÄLT EINEN BUS)
PENETRANTE HELFER: You go bus!
WIR: No, we don’t go by bus.
PENETRANTER HELFER: YES! You go bus.
WIR: No. NO BUS!
PENETRANTER HELFER: ???
WIR: NO BUS!!!
(BUS FÄHRT WEITER)
PENETRANTER HELFER: No bus?
WIR: No. NO BUS. Lift only, okay? LIFT ONLY.
PENETRANTER HELFER: Ahhh. Okay, okay. Lift Only.
(PAUSE)
(DER PENETRANTE HELFER HÄLT EIN TAXI)
WIR: No, NO TAXI.
(TAXI FÄHRT WEITER)
WIR: NO. NO TAXI. NO TAXI. NO BUS. LIFT ONLY. OKAY? LIFT ONLY!!!
PENETRANTER HELFER (erstaunt): Ahhh. LIFT ONLY?
WIR (hoffnungsvoll): Yes, only lift.
(PAUSE)
PENETRANTER HELFER: You need Bus?
WIR: NO! NO BUS!!!
(DER PENETRANTE HELFER HÄLT EINE AUTORIKSCHA)
Dieses Gespräch kann in die Unendlichkeit weiter gesponnen werden. Dabei werden immer wieder dieselben Fragen gestellt und unzählige Busse, Taxis und Autorikschas angehalten.
Ganz gleich, was man tut. Der penetrante Helfer wird nicht aufhören zu helfen, bevor man ihn, manchmal auch mit rabiaten Mitteln, davongescheucht hat. Meistens reicht es schon eine ihn weiterschickende Handbewegung zu machen und in kräftigem Ton „Jollo, Jollo“ zu schnauzen, was so viel heißt wie „Vorwärts“ oder „Los“.
Wird man den penetranten Helfer nicht los, dann gerät das Reisen per Anhalter schnell in Gefahr, denn der penetrante Helfer scheut auch nicht davor zurück in seiner Verzweiflung die Polizei zu rufen, welches ganz sicher zu einer katastrophalen Situation führen wird (siehe auch: die indische Menschenmenge).
5. Der Starrer
Der Starrer ist die weitverbreitetste Erscheinung an indischen Straßen. Er positioniert sich in der Regel in sicherer Entfernung zu uns, meistens auf der gegenüberliegenden Straßenseite und starrt uns unverhohlen an. Dabei sucht er sich ein schattiges Plätzchen und hat alle Zeit der Welt. Der Starrer hat kein Problem damit, mehrere Stunden Lebenszeit dem Starren zu widmen, denn Zeit hat er offensichtlich mehr als genug.
Der Starrer tritt nur in Aktion, wenn zum Beispiel ein Auto für uns hält, denn dann rennt der Starrer, als ginge es um sein Leben, um noch vor uns das Auto zu erreichen, um nicht ein einziges Wort des Gesprochenen zu verpassen. Bei solch einer Situation treten auch Starrer auf den Plan, die uns noch gar nicht aufgefallen sind, da sie aus einem sicheren Versteck oder aus größeren Entfernungen heraus starren. Fährt das Auto dann weiter, kehrt der Starrer in seine vorherige Position zurück und tut das, was er am besten kann: starren. In einigen Fällen mutiert der Starrer auch zum Pirscher oder zum Schleicher (siehe auch: der Pirscher).
6. Der wissbegierige Starrer
Der wissbegierige Starrer ist eine Spielart des Starrers. Er spricht wenig, möchte dennoch seine Neugier stillen. Dabei kommt er meistens auf uns zu, bis er schon fast auf unseren Füßen steht und deutet auf unser Schild. Er möchte, dass wir ihm dieses zum besseren Lesen entgegenhalten. Ignoriert man seine Andeutung, nimmt er einem einfach das Schild aus der Hand. Nachdem er es eine Minute lang genauestens gelesen hat, gibt er es uns freundlich mit dem Kopf wackelnd wieder zurück. Ist der Wissensdurst des wissbegierigen Starrers in dieser Hinsicht gestillt, überwiegt seine Neugier, wie es denn nun mit uns weiterginge. Also steht er, typisch indisch, weiterhin nur wenige Zentimeter von uns entfernt, und beobachtet stillschweigend das Geschehen. Auch der wissbegierige Starrer hat sehr viel Zeit im Gepäck.
7. Der Pirscher oder auch der Schleicher
Der Pirscher, auch der Schleicher genannt, ist eine Weiterentwicklung des Starrers. Er beobachtet uns zunächst, wie auch der Starrer (siehe oben), von der gegenüberliegenden Straßenseite. Lässt man ihn allerdings kurz aus den Augen, pirscht er sich langsam, Schritt für Schritt, immer näher an uns heran. Zunächst wechselt er die Straßenseite und beobachtet uns aus einigen Dutzend Metern Distanz. Doch diese Entfernung verkürzt sich zunehmend, ohne dass es großartig auffallen würde.
Der Schleicher agiert dabei äusserst geschickt. Nach spätestens 10–15 Minuten hat er sich bis auf einen Meter herangeschlichen, hält sehr bald nur noch eine Armlänge Abstand und starrt uns an. Starrt man zurück, blickt der Pirscher verunsichert auf den Boden, nur um uns, sobald man den Blick abgewendet hat, wieder anzustarren. Manchmal zückt der Pirscher auch sein Handy und tut so, als stünde er nur ganz zufällig wenige Zentimeter von uns entfernt. Auch der Pirscher hat keinerlei Zeitvorgaben und keine weiteren Termine an diesem Tag.
8. Drei Jugendliche auf dem Moped
Wären die drei Jugendlichen, die auf ein Moped gequetscht, in der Gegend herum cruisen, zu Fuß unterwegs, gehörten sie in die Kategorie der Pirscher und Schleicher. Auf ihrem Zweirad bilden sie jedoch eine eigene, nicht zu unterschätzende Gattung.
Die drei Jugendlichen auf dem Moped fahren einige Male an uns vorbei. Beim ersten Mal gestikuliert einer der drei Jungs aufgeregt herum und zeigt mit dem Finger auf uns, um auch die anderen beiden Mitfahrer auf uns aufmerksam zu machen. Dabei entgeht das Moped knapp einem Unfall mit einer Kuh, die mitten auf der Straße in Ruhe ihr Mittagessen zum wiederholten Male genießt. Die weiteren Male, die das Moped nun im Minutentakt an uns vorbeirollt, wird angestrengt versucht, unsere Aufmerksam auf sich zu lenken. Vorranging wird dabei gegrölt und gejohlt. Dieser Vorgang wiederholt sich in etwa zehn Mal, bis das Moped in einiger Entfernung zum Stehen kommt.
Nun wird diskutiert und gekichert, wobei einer der drei Jungs, wohl der Schwächste aus der Gruppe, immer wieder in unsere Richtung geschubst wird. Bald trottet er unsicher und gegen seinen Willen auf uns zu, nur um dann endlich vor uns stehend, den Supercoolen heraushängen zu lassen. Betont lässig rotzt er uns dann ein „Where [sic!] is going on, bro?“ entgegen, bevor er endlich kleinlaut mit der Sprache herausrückt. Er und seine Freunde hätten doch gerne ein Selfie mit uns.
9. Die Kuh
Indien ist nicht nur voller Inder. Auf den Straßen begegnen wir auch einer Vielzahl verschiedenster Tierarten. Sei es die Kuh, die extra von dort, wo die Straße am Horizont endet, zu uns her trottet, nur um direkt neben unsere Rucksäcke zu kacken, und dann gemütlich wieder den ganzen Weg zurück wackelt. Seien es Affen, die unseren Proviant klauen, Hunde, die gestreichelt werden wollen, Schweine, die um unser Gepäck herum grunzen, Hühner, die hektisch über uns hinweg flattern, herrenlose Ziegen- oder Schafskaravanen, die schielend an uns vorbeiziehen oder Wasserbüffel, Elefanten und Kamele, die gemächlich der Straße folgen. Keiner von ihnen möchte uns mitnehmen.
10. Die Laufkundschaft
Die Laufkundschaft kreuzt unseren Weg, ist aber aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage anzuhalten und sich zum Starrer oder Pirscher zu entwickeln.
Ob es nun die 80 Personen sind, die im klapprigen Bus an uns vorbeifahren oder die kleine Autorikscha, die gerade 10 Kinder aus der Schule abgeholt hat. Sie alle freuen sich uns zu sehen und winken wie verrückt. Wir winken zurück. Aus zahlreichen vorbeifahrenden Fahrzeugen sehen wir herausgehaltene Smartphones, die gerade ein Filmchen von uns drehen oder Fotos schießen und die bei Misslingen gerne bereit sind, ein oder zwei weitere Male an uns vorbeizufahren. Autos wenden, nur um nochmals im Schritttempo an uns vorbeizurollen und uns besser begutachten zu können. An einsamen Straßen werfen uns LKW-Fahrer Kekspakete in die Arme oder hupen uns zur Begrüßung in die ewige Schwerhörigkeit. Immer wieder schallt aus den vorbeifahrenden Autos euphorisches, aufgedrehtes „Hiiiiiiiiiii“ und „Hellooooooooooooooo“, zu uns herüber. Immer wieder strahlen uns Gesichter an.
Voll besetzte Autos kommen direkt vor unserer Nase zum Stehen, während uns Fahrer und Beifahrer in aller Ruhe 2–3 Minuten anstarren, bevor sie wortlos weiterfahren. Fahrradfahrer, Motorrad- und Mopedfahrer sowie Fußgänger halten in der Regel zwei bis drei Meter hinter uns und blicken neugierig zurück, bis ihnen langweilig wird oder wir böse, aus Angst vor der indischen Menschenmenge, zurückstarren. Es gibt wirklich kaum jemanden, der ohne uns zu beachten an uns vorbeizieht.
11. Die indische Menschenmenge oder auch die völlige Eskalation
Die indische Menschenmenge entsteht schnell und kann innerhalb weniger Sekunden zu einer Gruppe von mehreren Dutzend Personen heranwachsen. Der Grund dafür ist einfach erklärt.
Sind wir mit einem beliebigen Inder im Gespräch, sei es mit dem Hilfsbereiten, dem penetranten Helfer, dem wissbegierigen Starrer oder den drei Jugendlichen auf dem Moped, wird jeder Inder, der in dieser Zeit die Straße entlangläuft, stehen bleiben, um herauszufinden, was gerade los ist und worüber gesprochen wird. Man kann es nicht genug betonen. JEDER Inder. IMMER.
Auch Inder, die im Normalfall an uns vorbeigelaufen wären, bleiben nun, nur wenige Zentimeter von uns entfernt stehen und beobachten die Lage.
Das lockt auch alle versteckten und nicht-versteckten Starrer und die Pirscher und Schleicher an, die sich uns nun im Deckmantel der Menge ohne jegliche Scheu nähern. Ähnliches geschieht auch, wenn ein Auto hält. Dann kommen die Starrer und Pirscher angerannt und die vorbeigehende Laufkundschaft setz ihren Weg einfach nicht fort. Die Neugierde gewinnt Überhand.
Beim Trampen in Indien muss es also schnell gehen. Unnötig lange Gespräche werden zwangsläufig zu einer großen indischen Menschenmenge führen.
Aber auch die einzelnen Fahrrad‑, Motorrad‑, oder Mopedfahrer, die wenige Meter hinter uns zum Stehen kommen, werden schnell zum Anlass einer großen Ansammlung. Unweigerlich halten dann weitere Zweiradfahrer an und tauschen sich mit den bereits haltenden Fahrern über uns aus. Ihr Ziel ist es, schnell auf den aktuellsten Stand der Geschehnisse gebracht zu werden. Durch eine zusammenfassende Erklärung hoffen sie in kürzester Zeit möglichst viel über uns zu erfahren.
Ist man mit einem Inder im Gespräch und kann dieses nicht schnell beenden (siehe: der penetrante Helfer), wird die indische Menschenmenge wachsen und wachsen. Fotos werden geschossen, Videos gedreht. Jeder Inder, der ein wenig Englisch spricht, wird sich dann in das Gespräch mischen, was das Interesse aller anderen noch verstärkt. Folglich werden die Ohren aller Beteiligten spitzer und sie nähern sich noch weiter, um besser hören zu können (aufgrund des extremen Lärmpegels im Alltag, hervorgerufen durch den Verkehr und extra laut konstruierten Hupen, hören die meisten Inder sehr schlecht).
Umringt von der indischen Menschenmenge sind wir für die vorbeifahrenden Autos unsichtbar. Im schlimmsten Fall sorgt die Menschenmenge für das Auftauchen der Polizei. Sobald die Polizei eintrifft, kommt das ganze Dorf, der ganze Stadtteil, die ganze Stadt zusammen und jeder Fußgänger, jeder Zweiradfahrer und viele vorbeifahrende Autos unterbrechen ihren Weg und möchten unbedingt wissen, was da gerade los ist.
Menschen, die zu weit entfernt vom Geschehen sind, setzen ihre Ellenbogen ein, um näher zu kommen. Die Situation eskaliert. Die Polizei versteht absolut gar nichts, spricht auch (wenn überhaupt) nur wenige Worte Englisch und macht die Sache nur noch schlimmer.
In diesem Moment sehen wir uns zur Flucht gezwungen. Ein paar hundert Meter reichen meistens, um der großen Masse zu entgehen. Außer ein paar Starrern folgt uns zum Glück niemand. Die Starrer positionieren sich alsbald wieder auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Aber die fallen uns kaum noch auf. Wir sind Schlimmeres gewohnt.
Antworten
Großartig! Fehlt noch: Der Ricksha/Taxifahrer, oder halten die nicht?
Danke fürs Vorreiter sein, auch wenns manchmal hart ist 😉
Doch, doch; die Rikschafahrer halten auch, aber das machen sie ja in jedem Land – und hartnäckig sind sie auch überall. Die Berufsgruppe Taxifahrer ist mit ihren Eigenheiten vermutlich nicht indienspezifisch genug, um hier gelistet zu werden. 😉
Die kackende Kuh hat eindeutig den höchsten Sympathie-Score.
I break together. 😉Tja, lustige Tiere sind immer sehr beliebt. 😉
Tatsächlich ist uns die Kuh auch sehr sympathisch!
Der Hammer, ich habe beim Lesen des Artikels Tränen gelacht!
Auch wenn es manchmal stark an die Nerven gehen kann, man muss Asien und seine Bewohner einfach lieben – nicht zuletzt dafür dass sie einfach so unglaublich anders ticken als wir.In Indien ticken die Menschen tatsächlich sehr anders, als wir es aus Europa gewohnt sind. Lustig ist das allemal. 😉
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