Beatles und Bhang in Rishikesh

Rishi­kesh ist eine hei­li­ge Stadt. Sie liegt am Gan­ges, dem hei­li­gen Fluss im Tal der Hei­li­gen. Der Ober­hei­li­ge hier ist Shi­va. Der Mäch­ti­ge ist nicht nur bekannt als Gott der Lie­be, des Tan­zes und der Zer­stö­rung, son­dern auch der berühm­tes­te Kif­fer Indi­ens. Ihm ver­dan­ken die Men­schen den hei­li­gen Gan­ges, der etwa 300 Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich im Hima­la­ja ent­springt, und des­halb wird Shi­va über­all an den Ufern des Flus­ses ver­ehrt. So auch in Rishi­kesh.

Der Gan­ges trennt die Stadt in zwei sehr unglei­che Tei­le. Am west­li­chen Ufer befin­det sich das chao­ti­sche, das lau­te, schmut­zi­ge, arm­se­li­ge Rishi­kesh. Wer als Besu­cher kommt, ver­bringt wenig bis gar kei­ne Zeit hier, ahnt oft nicht ein­mal, dass die­ser Teil der Stadt über­haupt exis­tiert. Wer als Besu­cher nach Rishi­kesh kommt, der macht es sich am viel über­schau­ba­re­ren öst­li­chen Ufer bequem. Dort wo Spi­ri­tua­li­tät, Eso­te­rik und Bewusst­seins­er­wei­te­rung zuhau­se sind.

Zwei Brü­cken, Lak­sh­man Juh­la und Ram Juh­la, füh­ren über den hei­li­gen Gan­ges; füh­ren von Dreck und Abga­sen hin­über in Gas­sen, voll­ge­stopft mit Heils­ver­spre­chen und Glück­se­lig­keits­be­teue­run­gen. Acht­sam­keits- und Medi­ta­ti­ons­ge­lüb­de schwin­gen in der Luft. Die Welt rückt hier ein Stück näher ans Nir­wa­na.

Lakshman Jhula, Ganges, Rishikesh, Indien
die Brü­cke Lak­sh­man Jhu­la spannt sich über den Gan­ges in Rishi­kesh
Rishikesh, Indien
Rishi­kesh am Gan­ges

Hier in Rishi­kesh ist alles hei­lig. Die Tem­pel, die Medi­ta­ti­ons­zen­tren, die Klös­ter, die Kühe, die ärm­lich geklei­de­ten Män­ner auf der Suche nach Erleuch­tung. Des­halb gel­ten beson­de­re Regeln: Kein Tabak, kein Alko­hol, kein Fleisch, nicht mal Eier – nichts davon ist in Rishi­kesh zu fin­den. Dafür soll Yoga in der Gegend ent­stan­den sein. Und weil das so ist, haben sich hier dut­zen­de Yoga­schu­len mit noch mehr Yogis ange­sie­delt. Rishi­kesh gilt des­halb auch als Welt­haupt­stadt des Yoga.

Rishikesh und die Selbstfindung

Hip­pies aus aller Welt füh­len sich hier zuhau­se. Geklei­det in wei­te Lei­nen und bun­te Batik-Fet­zen schlen­dern die Bar­fü­ßi­gen, Lang­haa­ri­gen, kunst­voll Täto­wier­ten vor­bei an Restau­rants und Gast­häu­sern, Mas­sa­ge­stu­di­os und Hin­ter­zim­mern, in denen aller­lei Spi­ri­tua­li­tät, Eso­te­rik, aber auch der eine oder ande­re Hokus­po­kus ange­bo­ten wird. Klei­ne Noti­zen, oft hand­ge­malt, kle­ben über­all in der Stadt und wer­ben für Rei­ki und Lach­me­di­ta­ti­on, Tan­tra, Yoga, ayur­ve­di­sche Behand­lun­gen, Grup­pen­ku­scheln. Wer nach Rishi­kesh kommt, ist häu­fig auf der Suche – nach Wahr­heit, Erleuch­tung, Lebens­sinn. Die Selbst­fin­dung ist daher ein rie­si­ges Geschäft. Die Hälf­te der Men­schen hier sind Tou­ris­ten, die ande­re Hälf­te lebt von ihnen.

Dabei sind es nicht nur West­ler, die Rishi­kesh in sei­nen Bann zieht. Auch vie­le Ein­hei­mi­sche strö­men aus allen Lan­des­tei­len hier­her. Für ange­hen­de Yoga­leh­rer gibt es kei­ne grö­ße­re Ehre, als ein Abschluss­zer­ti­fi­kat, aus­ge­stellt von einer Yoga­schu­le in Rishi­kesh. Doch die Inder sind noch aus einem ande­ren Grund von Rishi­kesh ange­tan. Schon in den uralten Legen­den des hin­du­is­ti­schen Hel­den­epos Rama­ya­na taucht der Ort auf. Die Stadt gilt des­halb als beson­ders spi­ri­tu­ell. Es heißt, wer in Rishi­kesh medi­tiert und anschlie­ßend im Gan­ges badet, kann aus dem betrüb­li­chen Kreis der Wie­der­ge­burt aus­bre­chen. Hier ist man sozu­sa­gen auf der Auto­bahn in höhe­re Sphä­ren, auf der Über­hol­spur mit Voll­gas vor­bei an Leid und Elend.

Hanuman, Rishikesh, Indien
Rishikesh, Ganges, Indien
aus dem Hima­la­ja rauscht der Gan­ges durch Rishi­kesh

Vor 51 Jah­ren taucht Rishi­kesh dann das ers­te Mal publi­kums­wirk­sam auf der Welt­kar­te auf. Damals, im Febru­ar 1968, ver­brin­gen die Beat­les hier eini­ge Wochen im Maha­ri­shi Aschram. Das vol­le Pro­gramm: Medi­ta­ti­on, Yoga, Tex­te­schrei­ben. Hier kon­zi­pie­ren sie ihr legen­dä­res White Album und schrei­ben den Groß­teil der dar­auf ver­öf­fent­lich­ten Lie­der. Natür­lich neh­men sie auch Dro­gen. Das ver­steht sich. Da muss man nur eins und eins zusam­men­zäh­len. Die Beat­les, 1968, Indi­en.

Die Beatles in Rishikesh

Es gibt ja die­se Theo­rie, dass der tran­szen­den­te Zustand nicht nur durch Medi­ta­ti­on, son­dern auch durch LSD her­vor­ge­ru­fen wer­den kann. John Len­non war mehr als nur inter­es­siert. Die Beat­les, getrie­ben vom welt­wei­ten Ruhm, such­ten eine Aus­zeit, such­ten den inne­ren Frie­den. Geor­ge und John waren tief drin in der Medi­ta­ti­on. Rin­go hat­te Magen­pro­ble­me und ernähr­te sich über Wochen haupt­säch­lich von Baked Beans, die er aus Eng­land mit­brach­te. Paul war ein wenig skep­tisch.

Wie viel inne­ren Frie­den die Fab Four hier gefun­den haben bleibt Spe­ku­la­ti­on. Dass sich der Auf­ent­halt für die Band gelohnt hat, ist unbe­strit­ten. Ihr White Album steht wochen­lang auf Platz 1 in allen wich­ti­gen Musik­märk­ten und gilt 2016 als die mit Abstand wert­volls­te LP der Welt. Bei einer Auk­ti­on bringt sie sat­te 790.000 USD ein.

Die Beat­les haben es vor­ge­macht und nach ihnen kamen tau­sen­de ande­re. Das mitt­ler­wei­le unge­nutz­te Maha­ri­shi Aschram ist heu­te Anlauf­punkt für vie­le Fans der Band. Ein Schrein der Pop­mu­sik. Auf dem bewal­de­ten Gelän­de ste­hen noch immer die ver­wit­ter­ten, mit Moo­sen bewach­se­nen kup­pel­ar­ti­gen Wohn- und Medi­ta­ti­ons­räu­me, in denen die Beat­les mit ihren Beglei­tern für eini­ge Wochen leb­ten. In einer gro­ßen, lee­ren Hal­le, ver­steckt zwi­schen wuchern­den Far­nen und Sträu­chern, zie­ren gezeich­ne­te Por­träts der vier Musi­ker und aller­lei Graf­fi­tis und Kalen­der­weis­hei­ten die Wän­de. Aus einem Han­dy­laut­spre­cher klingt „Ob-La-Di Ob-La-Da“. Jun­ge Frau­en voll­füh­ren aller­hand kunst­vol­le Yoga­po­sen.

Maharishi Ashram, Rishikesh, Indien
Maha­ri­shi Mahe­sh Yogi Aschram in Rishi­kesh
Maharishi Ashram, Rishikesh, Indien
ehe­ma­li­ge Medi­ta­ti­ons­hal­le im Maha­ri­shi Mahe­sh Yogi Aschram
Maharishi Ashram, Rishikesh, Indien
bun­te Graf­fi­tis ehren die Beat­les
Maharishi Ashram, Rishikesh, Indien
die Fab Four in Rishi­kesh
Maharishi Ashram, Rishikesh, Indien
Medi­ta­ti­ons­zel­len im Maha­ri­shi Mahe­sh Yogi Aschram

Sadhus und spirituelle Wahrheiten

Im Stadt­bild von Rishi­kesh selbst spie­len die Beat­les erstaun­li­cher Wei­se kaum eine Rol­le. Hier hat man sich vor allem auf spi­ri­tu­el­le Wahr­hei­ten ein­ge­stellt. In den Aschrams und Yoga­zen­tren wer­den zwei Mal täg­lich Yoga- und Medi­ta­ti­ons­kur­se ange­bo­ten. Ent­lang der tou­ris­ti­schen Haupt­stra­ße hat man die Wahl zwi­schen Kris­tall-Hei­lung, Atem­medi­ta­ti­on, Darm­spü­lun­gen und einer über­bor­den­den Viel­zahl ver­schie­de­ner Kur­se zur Akti­vie­rung der inne­ren Chak­ren. Hier wer­den men­ta­le Blo­cka­den gelöst. Selbst Wahr­sa­ger und Hand­le­ser fin­den ihre Kun­den.

Das spi­ri­tu­el­le und reli­giö­se Wahr­zei­chen Rishi­keshs ist der Tra­yam­ba­keshwar Tem­pel, ein 13-stö­cki­ger, oran­ge­ner Bau direkt am Fluss in der Nähe der Lak­sh­man Juh­la. In sei­nem Inne­ren beher­bergt er bei­na­he das gesam­te indi­sche Pan­the­on. Weit oben befin­det sich ein Lingam, ein sti­li­sier­ter Phal­lus, das gehei­lig­te Sym­bol Shi­vas.

Ganges, Rishikesh, Indien
am Ufer des Gan­ges in Rishi­kesh

Dane­ben fließt der Gan­ges eis­kalt und rei­ßend durch den Ort. An sei­nem Ufer wer­den Green Smoothies geschlürft. Hier sit­zen Sad­hus, die hei­li­gen Män­ner Indi­ens. Lan­ges Haar fällt in schwe­ren Dre­ad­locks von ihren Köp­fen, berührt den oran­ge­nen Stoff, mit dem sie ihre hage­ren Kör­per bede­cken. Als Aske­ten und Bet­tel­mön­che wan­dern sie tau­sen­de Kilo­me­ter durch das gan­ze Land, von den Tälern des Hima­la­jas bis nach Jaisal­mer, Mum­bai, Tiru­van­n­ama­lai. Auch sie suchen die Wahr­heit, die Erleuch­tung.

Die Sad­hus besit­zen kaum etwas und leben von dem, was sie als Spen­den erhal­ten. Ihr gan­zes Dasein wid­men sie tra­di­tio­nell der Weis­heit der alten Tex­te. Ihr Gott ist Shi­va, ein Rüpel und zugleich ein ganz Gro­ßer in der indi­schen Mytho­lo­gie. Der Gott der Zer­stö­rung ist poten­zi­ell übel drauf, mit einem cho­le­ri­schen Hang zu Gewalt­aus­brü­chen. Es wäre schlimm um die Welt bestellt, wenn Shi­va der Legen­de nach nicht eines Tages duf­ten­des Can­na­bis an den Hän­gen des Hima­la­jas gefun­den hät­te. Der Mäch­ti­ge ist von der ent­span­nen­den Wir­kung der­art fas­zi­niert, dass Can­na­bis fort­an zu sei­nem stän­di­gen Beglei­ter und Shi­va zum größ­ten Pothead der Göt­ter­welt wird. Sei­ne Anhän­ger, die in oran­ge­ne Tücher gehüll­ten Bet­tel­mön­che, machen es ihm zu Ehren gleich und kif­fen den gan­zen Tag.

Kaum ein Sad­hu, der in Rishi­kesh nicht stoned ist. Immer wie­der rei­chen die Hei­li­gen ein­an­der ihre mas­si­ven Schil­l­ums, die konisch geform­ten Hasch­pfei­fen. Gera­de hier in Rishi­kesh kom­men sie in den bes­ten Rausch. Das liegt nicht allein an der Hei­lig­keit des Ortes. Es ist das cre­mi­ge Haschisch des Hima­la­ja, des­sen her­aus­ra­gen­de Qua­li­tät die Sad­hus schwe­ben lässt. Und obwohl auch in Indi­en ille­gal, kon­su­mie­ren die Sad­hus ihr Gan­ja ganz legal. Sie beru­fen sich dabei auf ihren Gott. Kif­fen ist für sie reli­giö­se Pra­xis und nie­mand ver­bie­tet es ihnen.

Sadhus, Rishikesh, Indien
Sad­hus in Rishi­kesh

Bhang Lassi, extra strong

Wir sit­zen eben­falls am Ufer, schau­en dem Was­ser des hei­li­gen Gan­ges hin­ter­her. Neben uns stützt eine drah­ti­ge Blon­di­ne die rech­te Fuß­soh­le am lin­ken Ober­schen­kel ab, wäh­rend sie bei­de Hand­flä­chen weit über dem Kopf zusam­men­drückt. Etwas wei­ter ent­fernt medi­tiert ein jun­ger Mann im Lotus­sitz, den wir neid­voll als per­fekt aner­ken­nen. Indi­en ist ver­rückt und Rishi­kesh bil­det kei­ne Aus­nah­me.

Am Swarg Aschram, einem gro­ßen Tem­pel­are­al, lau­fen wir durch einen bun­ten, mit Devo­tio­na­li­en voll­ge­pack­ten Markt. Der Geruch von Räu­cher­stäb­chen hängt schwer in der Luft. Auf den Stra­ßen liegt Kuh­dung, in den Rega­len die ver­schie­dens­ten reli­gi­ös-spi­ri­tu­el­len Gebrauchs­ge­gen­stän­de. Bet­tel­scha­len, Gebets­ket­ten, oran­ge­far­be­ne Tücher und Taschen – ein Ein­stei­ger-Set fürs Hei­lig­sein.

An einem klei­nen Lokal am Stra­ßen­rand bestel­len wir Las­si. Spe­zi­ell soll er sein, las­sen wir den Ver­käu­fer noch wis­sen, und bit­te extra strong. Er ant­wor­tet mit einem ver­schwö­re­ri­schen Grin­sen unter sei­nem wackeln­den Schnurr­bart. Das Spe­zi­el­le ist das Bhang, getrock­ne­te Blät­ter und Blü­ten der weib­li­chen Hanf­pflan­ze. Bhang Las­si ist ein Can­na­bis-Milch­shake; grün­li­ches, cre­mi­ges Zeug. Im Hin­du­is­mus wird Bhang häu­fig wäh­rend reli­giö­ser Fes­te ver­wen­det, wenn die Gläu­bi­gen ihrem Gott Shi­va näher­kom­men wol­len. Das Kraut hat eine lan­ge Tra­di­ti­on und wird des­we­gen in Rishi­kesh, aber auch in ande­ren hei­li­gen Orten Indi­ens, ganz legal ver­kauft.

Wir trin­ken den ers­ten Schluck unse­rer Bhang Las­sis. Und lee­ren die Glä­ser mit einem zwei­ten. Als wir uns vom Wirt ver­ab­schie­den, ist sein Lächeln noch etwas brei­ter gewor­den.

Hanu­man-Lan­gu­ren hän­gen in den Bäu­men und auf Mau­er­sim­sen. Gan­ze Fami­li­en fin­den sich hier zusam­men. Der Nach­wuchs krallt sich ins Bauch­fell, lässt sich kopf­über in der Gegend her­um­tra­gen. Ein paar Jung­tie­re toben hyper­ak­tiv über die Well­blech­dä­cher der umste­hen­den Gebäu­de. Auf der Stra­ße kom­men uns drei indi­sche Tou­ris­ten in gestreif­tem Polo­hemd und Pilo­ten­bril­le ent­ge­gen. Sie knab­bern an gerös­te­ten Mais­kol­ben und erre­gen damit Auf­merk­sam­keit.

Hanuman-Languren, Rishikesh, Indien
Hanu­man-Lan­gu­ren in Rishi­kesh

Die Affen in Rishi­kesh sind pro­fes­sio­nell und die­se Gele­gen­hei­ten las­sen sie sich nicht ent­ge­hen. Schon läuft eines der grö­ße­ren Tie­re mit schnel­len Schrit­ten auf die Inder zu, die, ganz erschro­cken und uni­so­no, ihre drei Mais­kol­ben fal­len­las­sen und das Wei­te suchen. Es ist ein vol­ler Erfolg und ein Fest­mahl für die Affen­ban­de.

Die Sze­ne bringt uns zum Lachen, aber viel­leicht arbei­tet auch bereits das Bhang in unse­ren Kör­pern. Egal, was es ist, es gefällt. Ein paar Meter wei­ter sit­zen etwa zwei Dut­zend Sad­hus, Bab­as, wie sie respekt­voll genannt wer­den, in einer Rei­he. Har­zig duf­ten­de Rauch­schwa­den zie­hen von ihnen her­über. Ihr Lachen ist anste­ckend und breit grin­send grü­ßen wir jeden ein­zel­nen: „Namas­te, Baba-Ji.“

Hanuman-Languren, Rishikesh, Indien
der Affe und die Beu­te
Sadhus, Rishikesh, Indien
noch mehr Sad­hus in Rishi­kesh

Dann gelan­gen wir erneut zum Ufer des Gan­ges. Die Son­ne schickt sich an tief­rot hin­ter dem Hori­zont zu ver­sin­ken. Men­schen­mas­sen strö­men zu den Ghats, den stei­ner­nen Stu­fen, die bis an die eisi­gen Flu­ten des Flus­ses füh­ren. Es ist Zeit für die Ganga Aar­ti, eine all­abend­lich statt­fin­den­de Zere­mo­nie in der bren­nen­des Licht der Fluss­göt­tin Ganga dar­ge­bo­ten wird. Dazu klingt ein uraltes Lied, das über­all am Gan­ges gesun­gen wird. Es han­delt natür­lich von Lie­be.

Auf den Stu­fen ver­sam­meln sich hun­der­te Ein­hei­mi­sche und Tou­ris­ten. Da sind Müt­ter und Kin­der, Bett­ler und Hei­li­ge, Gurus und Schü­ler, Suchen­de und Gestran­de­te, Hip­pies und Hei­mat­lo­se. Sie alle kom­men zusam­men, um dem Fluss, der Natur, dem Mit­ein­an­der Respekt zu erwei­sen. Mit­ten­drin in die­ser bun­ten Ver­an­stal­tung ste­hen wir und stau­nen. Am Rand der Zere­mo­nie hocken Frau­en auf dem Boden, die hand­tel­ler­gro­ße, aus Pal­men­blät­tern gefloch­te­ne Körb­chen ver­kau­fen. Geschmückt mit Blü­ten, Ker­zen und Räu­cher­stäb­chen wer­den die win­zi­gen Flö­ße andäch­tig dem Gan­ges über­ge­ben, der sie in sei­ner rasen­den Flucht mit sich reißt.

Ganga Aarti, Rishikesh, Indien
Ganga Aar­ti in Rishi­kesh
Ganga Aarti, Rishikesh, Indien
Blu­men­floß wäh­rend der Ganga Aar­ti Zere­mo­nie

Die Ster­ne leuch­ten bereits über der Stadt, als wir durch die Gas­sen zurück schlen­dern. Wir sind noch immer zutiefst selig und bereit für einen aus­gie­bi­gen Schlaf. Am nächs­ten Mor­gen bene­belt das Bhang noch immer unse­re Köp­fe. Nicht unan­ge­nehm, nur so als steck­ten sie in Wat­te. Der Nebel zieht auch über den Gan­ges, hüllt den hei­li­gen Fluss in mor­gend­li­che Mys­tik. Ein Lan­gu­ren­paar kopu­liert auf dem Dach gegen­über. Dahin­ter erhe­ben sich die ers­ten grün bewal­de­ten Höhen des Hima­la­jas.

Rishikesh am Morgen

Jetzt am frü­hen Mor­gen sind die Stra­ßen bei­na­he leer. Nur ein klei­ner Chai-Shop ver­kauft bereits damp­fen­den Milch­tee aus einem rie­si­gen Kes­sel. Er hat die per­fek­te Lage. Von hier kön­nen wir auf den rau­schen­den Gan­ges und die Stra­ße schau­en, die sich lang­sam belebt. Die ers­ten Yoga­mat­ten wer­den geschul­tert, medi­ta­ti­ver Gesang klingt aus den Laut­spre­chern der Tem­pel her­über. Zwei Sad­hus stei­gen mit ihren wal­len­den Tüchern bis zur Hüf­te in den Fluss, neh­men ihre ritu­el­len Waschun­gen vor. Die ers­ten Medi­ta­ti­ons­klas­sen enden, die Gurus geben ihren Schü­lern Anwei­sun­gen zur spi­ri­tu­el­len Übung mit in den Tag.

Der Tee­ver­käu­fer hält den Stum­mel einer Bidi in sei­nem Mund­win­kel und auch wir fin­gern zwei der indi­schen Arbei­ter­zi­ga­ret­ten aus ihrer Zei­tung­s­um­man­te­lung und rau­chen sie zum mor­gend­li­chen Chai. Unse­re Bli­cke gehen hin­aus auf den Fluss und die Men­schen, die nun in immer grö­ße­rer Zahl am Chai-Shop vor­bei strö­men. Das Feu­er­zeug klickt, wir inha­lie­ren tief und berei­ten uns men­tal dar­auf vor in weni­gen Minu­ten ver­rückt zu spie­len. Wir haben uns für einen Medi­ta­ti­ons­kurs ange­mel­det. Und nicht für irgend­ei­nen, son­dern für Oshos dyna­mi­sche Medi­ta­ti­on.

Trayambakeshwar Tempel, Rishikesh, Indien
Tra­yam­ba­keshwar Tem­pel in Rishi­kesh
Rishikesh, Ganges, Indien
Rishi­kesh am Gan­ges

Wir sind die ein­zi­gen Teil­neh­mer in einem rie­si­gen Raum. Vor uns steht ein win­zi­ger Guru. Ohne Umschwei­fe legen wir los. Es geht ums Schnau­fen, Sprin­gen, Schrei­en, Lachen, Tan­zen, Arm­we­deln. All das soll angeb­lich zur Beru­hi­gung des Geis­tes bei­tra­gen. Vol­le Kraft für inne­re Ein­kehr. Eine Stun­de hüp­fen und hecheln wir wie beses­sen durch den Raum, brül­len, bis die Lun­gen schmer­zen und sind froh, dass außer dem Guru nie­mand da ist, der uns dabei zusieht. Tat­säch­lich sind wir nach der ein­stün­di­gen Übung wesent­lich ruhi­ger, aus­ge­gli­chen wie nach einem lan­gen Wald­lauf. Dann ste­hen wir wie­der auf Rishi­keshs Stra­ßen, sind zurück am Gan­ges, zurück bei den Sad­hus. Wir gön­nen uns einen wei­te­ren Bhang Las­si und war­ten mit inne­rer Stil­le und glück­se­li­gem Lächeln auf die Ganga Aar­ti am Abend.

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