Dein Warenkorb ist gerade leer!
Eine Entdeckungsreise entlang der Westküste der Türkei
Am Morgen des 6. Februar 2023 erschütterten starke Erdbeben den Südosten der Türkei und den Norden Syriens. Abertausende Menschen sind gestorben und wurden verwundet, unzählige Menschen haben ihr Zuhause verloren. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen. Das Ausmaß der Not und des Leidens der betroffenen Bevölkerung lässt sich nicht ermessen. Weniges liegt ferner in diesen Zeiten als über eine touristische Reise in die Türkei zu berichten. Doch nicht wenige Menschen in der Türkei leben vom Tourismus, und die Not wird nicht geringer, wenn dieser zum Erliegen kommt.
Meine Reise fand im November 2022 statt. Sie führte mich als erstes nach Troja.
Troja, welch Mythos: ein grandioser Goldschatz, eine entführte Schönheit, ein trügerisches Holzpferd. Seit dem Erscheinen der Illias, Homers epischer Abhandlung über den trojanischen Krieg, machten sich unzählige Glücksritter auf die Suche nach dem verschollenen Ort, nach Gold, Ruhm und Ehre. Auch ich folge nun ihrem Ruf.
Troja ist Sehnsuchtsziel und Arbeitsstätte von Archäologen aus der ganzen Welt. Der historische Ort wird im Nordwesten der Türkei, nahe der Stadt Çanakkale an den Dardanellen verortet.
Çanakkale ist eine aufstrebende Stadt, mit guten Restaurants und einem schönen Hafen, der inzwischen die Original-Requisite des trojanischen Pferdes aus dem gleichnamigen Hollywood-Blockbuster beheimatet.
Die Stadt ist ein geeigneter Ausgangspunkt für die Erkundung Trojas und weiterer archäologischer Sensationen an der Westküste der Türkei.
Vor Ort ist das 2018 eröffnete Troya Müzesi definitiv einen Besuch wert. Weithin sichtbar erhebt sich der rostrote Kubus, der das Museum beheimatet, aus der mit Olivenbäumen gesäumten Steppe. Höhe und Struktur des Museums spiegeln die Dimension des alten Trojas. Auf 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden neben den historischen Fundstücken auch zeitgenössische Kunstausstellungen geboten. Helena und Achilles erzählen mir in Form von Hologrammen jeweils ihre Version der Ereignisse. Animationen bringen mir das Leben der damaligen Bewohner nahe und lassen mich in die Schuhe der vielen Ausgrabungsleiter schlüpfen, die hier gewirkt haben.
Besonders hervorgetan hat sich unter ihnen der deutsche Kaufmann Heinrich Schliemann, ein schillernder Zeitgenosse, der im 19. Jahrhundert beim kalifornischen Goldrausch ein Vermögen machte und jüngst seinen 200. Geburtstag feierte. Getrieben vom fixen Gedanken das verschollene Troja zu entdecken, rekonstruierte er die geographischen Angaben Homers und machte sich mit einem kleinen Team an die Ausgrabung. Im Jahre 1873 wird Schliemann als Entdecker Trojas weltweit gefeiert. An die 8.000 Fundstücke fördert seine Grabung zutage: Waffen, Vasen und jede Menge Goldschmuck, den „Schatz des Priamos“, wie er ihn spektakulär und historisch inkorrekt betitelt. Bald schmuggelte Schliemann die wertvollsten Stücke entgegen der Abmachungen mit dem Osmanischen Reichs nach Berlin, wo er sie dem
„deutschen Volke“ schenkte. Im zweiten Weltkrieg landete der Goldschatz schließlich als Kriegsbeute in Russland, wo er bis heute im Moskauer Puschkin-Museum verweilt. Zum
Glück steckten Mitarbeiter ein paar Stücke des Schmucks in die eigenen Taschen. Diese sind im Untergeschoss des Museums in der Schatzkammer ausgestellt.
Der einst gefeierte Autodidakt Schliemann wird in der professionellen Archäologen-Szene mittlerweile äußerst kritisch gesehen. Vom Goldrausch erfasst, schlug Schliemann wortwörtlich eine brachiale Schneise der Verwüstung in den Ausgrabungs-Hügel, den sogenannten Schliemann-Graben. Nach heutigen Standards der Archäologie ein wahres Sakrileg.
Ein anderer Deutscher ist dafür hoch angesehen. Der Tübinger Professor Manfred Korfmann leitete ab 1988 die Grabungen. Er ist zu großen Teilen für die Ernennung Trojas zum UNESCO-Weltkulturerbe verantwortlich. Auch die Errichtung des Troja Museums geht auf ihn zurück, dessen Eröffnung er jedoch nicht mehr erlebte.
Im Sommer arbeiten um die 50 Personen auf der Ausgrabungsstätte. Ich laufe durch ein lebendiges Museum, das zusehends wächst. Schicht um Schicht wird von den Teams aufgedeckt. Bereits seit dem vierten Jahrtausend vor Christus gibt es an dieser Stelle Siedlungen. Kriege, Brände und Erdbeben führten immer wieder zu Zerstörung und Neuaufbau. Gerade erst stießen die Forscher auf eine zehnte, noch ältere Schicht. Die Zeit des Trojanischen Krieges fällt in die sechste Schicht, was in etwa dem Zeitraum von 1800 bis 1250 vor Christus entspricht.
Bei der Fundstelle handelt es sich zweifelsfrei um einen historisch bedeutsamen Ort. Aber tobte hier wirklich der in der Ilias besungene Krieg? Darüber wird in der Fachszene gestritten. Ist Homers Werk reine Fiktion, oder gab es Troja, Achilles und die schöne Helena wirklich? Zwischen imposanten Mauerresten und alten Säulen fällt es mir jedenfalls schwer nicht daran zu glauben.
Troja ist nicht die einzige interessante Ausgrabungsstätte der Region. Eine halbstündige Autofahrt weiter südlich erreiche ich Alexandria Troas. Die Stadt wurde 311 vor Christus unter dem Namen Antigoneia gegründet, und im Andenken an Alexander den Großen, später umbenannt. Durch ihre strategisch günstige Lage zwischen Asien und Europa wurde sie gar als Hauptstadt in Erwägung gezogen. Auch hier sind die Ausgrabungen noch aktiv, besonders in den Sommermonaten, wenn Studenten aus der ganzen Welt vor Ort sind, um auf dem etwa 400 Hektar großen Gelände zu buddeln. Bisher ist nur ein Bruchteil der Stadt aufgedeckt. Die Grabungen werden Jahrzehnte lang dauern. Da die Stätte noch keinen Museumsstatus hat, ist der Eintritt kostenlos, und ich kann mich frei bewegen und quasi live daran teilhaben, wie stattliche Bauten wie das Odeon oder die griechische Agora gehoben werden. Optisch ist Alexandria Troas fast eindrucksvoller als Troja, da hier Tempel oder Rundbögen vor Ort zusammengesetzt und (noch) nicht in Museen gebracht werden.
Weiter geht die Reise Richtung Assos. Auf dem Weg mache ich einen kurzen Stopp am Tempel des Apollo Smintheus in Chryse, benannt nach einem mächtigen Heiler und Propheten, der ebenfalls in der Ilias erwähnt wurde. Das hellenistische Bauwerk geriet im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit. Nur zufällig wurden die Überreste unter einer Olivenöl-Produktion gefunden. Auch diese Stätte ist noch nicht endgültig erschlossen. Ich schlendere zwischen Granatapfelbäumen und Olivenhainen vorbei an den Überbleibseln von Griechen und Römern. Der Tempel war einer der heiligsten Orte der Hellenistischen Periode, ein Heilort, mit Bädern und Quellen. Der Name Smintheus stammt wahrscheinlich vom kretischen Wort Sminthos = die Maus ab, und stand für prophetische Gaben. Dies erklärt die vielen kleinen Mäuseskulpturen, die eine aktuelle Kunstausstellung über die Treppen des Tempels wimmeln lässt
Nach einer wilden Serpentinenfahrt über abenteuerliche Straßen erreiche ich schließlich Assos an der Südküste der Provinz, was sich schnell als das Highlight meiner Entdeckungstour herausstellt. Steile Gassen führen hinauf zu der antiken hellenistischen Stadt, die auch schon Aristoteles besucht haben soll. Von hier oben habe ich einen traumhaften Blick über die Ägäis und das Ida-Gebirge, die griechische Insel Lesbos scheint nur einen Steinwurf entfernt. Die Nachmittagssonne taucht antike Stadtmauern, den Athena-Tempel und ein beeindruckendes Theater in dramatisches Licht. Entlang von Disteln, Feigen- und Walnussbäumen und Wildem Wein geht es nach meinem Rundgang hinunter in den Hafen. Während die Sonne feuerrot in der Ägäis versinkt, lasse ich mir ein eiskaltes Efes- Bier schmecken und genieße die Abendstimmung im schmucken Fischerhafen.
Wer noch mehr Indiana Jones-Feeling erleben möchte, auf den warten im Umkreis noch tolle Ziele wie Pergamon oder die weißen Sinterterrassen in Pamukkale.
Für mich geht es jedoch weiter nach Istanbul, mitten hinein in diese laute, wild romantische und melancholische Stadt, die einfach bei keiner Türkei-Reise fehlen darf.
Das Jahr 2023 wird als Schicksalsjahr für die Türkei in die Annalen eingehen. Das Bestehen der Republik jährt sich zum 100. Male und es stehen Wahlen an, die nur als richtungsweisend zu bezeichnen sind. Wird Präsident Erdogan seine Macht behaupten und seinen politischen Kurs fortsetzen, oder obsiegt die Opposition? Eine hohe Inflation von bis zu 175 Prozent geißelt das Volk. Ganz aktuell stürzt das verheerende Erdbeben das gesamte Land in einen Ausnahmezustand und tiefe Trauer.
Auch in Istanbul ist die Stimmung angespannt. Doch Zweifel, dass dies die schönste Stadt der Welt ist, bestehen keine. Stolz ist man auf das Essen – das weltbeste, die Musik, die Kultur, Atatürk. Die türkische Flagge ist omnipräsent. Egal wohin der Blick schweift, der weiße Halbmond auf rotem Grund, ist schon da.
Ein wenig Sightseeing muss sein, und so warte ich geduldig auf Einlass in die Hagia Sophia, den Versunkenen Palast, die Cisterna Basilica, den Galata-Turm und den Topkapi-Palast, verliere mich auf dem Großen Basar und bewundere die prachtvolle Süleymaniye-Moschee des osmanischen Star-Architekten Sinan.
Dem Zauber Istanbuls erliege ich vollends am Bosporus, der Lebensader der Stadt. Das Goldene Horn funkelt, Straßenmusiker ziehen ein dankbares Publikum an, junge Paare spazieren verliebt in der frischen Meeresbrise, vorbei an den Anglern auf der Galata-Brücke und den Ständen mit den frischesten Fischbrötchen. Ich nehme eine der vielen Fähren auf die gegenüberliegende Seite, nach Kadıköy, der „Stadt der Blinden.“ Denn es musste sich eindeutig um blinde Siedler handeln, die sich im 7. Jahrhundert für die asiatische Seite des Bosporus entschieden, statt sich auf der viel schöneren europäischen Seite niederzulassen. Möwen verfolgen kreischend das Schiff. Ich erstehe bei einem der Verkäufer Çay und Simit, Tee und Sesamkringel und genieße die etwa 25-minütige Überfahrt. Inmitten der Stadt, die niemals schläft und immer lärmt, sind die Fahrten auf dem Bosporus friedliche Ausfluchten. Kadıköy ist Leben pur. Im Hafenviertel reihen sich Raki-Restaurants, Bars und Marktstände dicht an dicht. Neben Beyoğlu, dem Viertel um den Gezi-Park, hat sich Kadıköy zum Hotspot für Nachtschwärmer und die Partymeute entwickelt. Dementsprechend voll sind die Gassen, von allen Seiten ertönt Musik und Gelächter. Wer gutes Essen sucht, wird hier fündig, ob als schneller Happen auf die Hand, oder bei einem ausgiebigen mehrstündigen Abendessen mit Mezze und Raki.
Ich nehme die letzte Fähre Richtung Karakoy und schlendere zu meinem Hotel zurück. Die Isitkal-Straße, Istanbuls berühmteste Einkaufsstraße, ist auch kurz vor Mitternacht noch gut gefüllt, Freunde und Familien lassen den Abend in einem der vielen Baklava-Cafés oder einer der beliebten Dachterrassen-Bars ausklingen. Auch mich zieht es hoch auf das Dach meines Hotels. Der Blick auf die hell erleuchtete Stadt ist magisch. Eine perfekte Kakophonie aus Musik, Sirenen und Stimmengewirr zieht zu mir hinauf. Diese Stadt kommt nie zu Ruhe, so sehr man es ihr gerade wünschen mag.
Vielen Dank an Gebeco und goturkiye.com für die Einladung auf diese Reise.
Gebeco bietet 9 Reisen nach Türkiye an. Zum Beispiel die 12-Tage-Studienreise „Westtürkei & Meer“, die Eindrücke Istanbuls, archäologische Sehenswürdigkeiten, Naturerlebnisse und Erholung kombiniert.
Schreibe einen Kommentar