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Wo einem das Meer auf der Zunge zergeht: Eine kulinarische Reise an die Küsten der Bretagne
In unserer Vorstellung leuchtete die Bretagne in allen Blautönen. Von Türkis bis Azur, auf den Rümpfen der Boote und den Streifen der Pullover der Fischer. Und vor allem im endlos weiten Meer, das sich in der Ferne mit dem Himmel vermischt. Während unserer Reise werden wir lernen, dass dieser spezielle Blauton, der den nahtlosen Übergang zwischen Himmel und Meer einfärbt, von den Bretonen „glaz“ genannt wird. Vor allem aber werden wir lernen, dass die Bretagne unzählige weitere Farben zu bieten hat. Das sehen wir bereits, als wir mit unserem Mietwagen am ersten Abend auf den Küstenort Plouguerneau zufahren: Statt dem Blau des Meeres sehen wir braune, grüne und rote Töne in der Weite leuchten. Es ist Ebbe, und Algen und Seetang – Plouguerneaus Spezialität – erstrecken sich über das bunt schillernde Watt.
Das Gemüse des Meeres
Als wir die braunen und grünen, tropfnassen Gewächse auf dem frei liegenden Meeresboden sehen, können wir uns noch nicht so richtig vorstellen, dass wir das Gemüse des Meeres bald verkosten werden. Doch genau das machen wir nach einer entspannten Nacht im Hotel Castel Ac‘h, wo wir am nächsten Morgen mit Blick auf Europas höchsten Leuchtturm, der sich mit 82 Metern über der Île Vierge, erwachen. Am Ecomusée, Plouguerneaus Algenmuseum direkt an der Küste, treffen wir uns mit unserem Guide. Irgendwie haben wir uns einen bärtigen Fischer vorgestellt und sind überrascht, als Pauline in ihren gelben Gummistiefeln auf uns zugeeilt kommt. Die 36-Jährige arbeitet im Ecomusée und lebt für ihre Region und das Meer.
Gemeinsam machen wir uns auf ins Watt. Und sind überrascht, welch unbekannte Welt sich vor uns auftut: Unser Blick streift über einen maritimen Dschungel aus tausendundeinem Grünton. Die Algen präsentieren sich in allen möglichen Farben und Formen. Und Pauline kennt sie alle: Sie kniet sich in den nassen Sand und schneidet mit der Schere ein Stück von einer langen braunen Alge ab. „Probiert mal!“, fordert Pauline uns auf. Und tatsächlich: Mit ihrem frischen Jodgeschmack und einer leicht pfeffrigen Würze haben wir den Eindruck, dass uns der Atlantik auf der Zunge zergeht. Pauline lacht – scheinbar sind wir nicht die Ersten, die vom Geschmack des Meeresgemüses überrascht sind.
„Hier im Meeresnaturpark Iroise haben unsere über 800 verschiedenen Algenarten perfekte Bedingungen: Klares, kaltes Wasser, das ständig in Bewegung ist, sorgt für viel Licht und bringt eine unglaublich vielfältige Biodiversität hervor. Das fasziniert auch mich – obwohl ich hier aufgewachsen bin und das Meer in- und auswendig kenne – jeden Tag aufs Neue“, sagt Pauline, die eins mit ihrer Region zu sein scheint. Neben dem maritimen Geschmack punkten Algen übrigens auch mit einer Vielzahl an Nährstoffen: Kalzium, Magnesium, Zink, Kalium und Eisen machen sie zu einem wahren Superfood der Meere. Das haben die Bretonen früh erkannt und eine ganze Palette an ungewöhnlichen Gerichten mit dem nahrhaften Meeresgemüse kreiert. So finden sich auf bretonischen Speisekarten Algenspaghetti mit Pesto, Algensalat, Algenrouladen und Crêpes gefüllt mit dem maritimen Alleskönner.
Wo die Welt eine Scheibe ist
Crêpes gehören wahrscheinlich zu den bekanntesten französischen Gerichten im Ausland. Dass sie jedoch aus der Bretagne stammen, wissen nicht alle. In Bénodet an der Südküste erleben wir an mit Pinien gesäumten Buchten und weißen Sandstränden nicht nur ein Kontrastprogramm zur rauen Küste rund um Plouguerneau, sondern lernen auch die süße Seite der Bretagne kennen. Doch der Reihe nach: In der Crêperie „La Réserve Bretonne“ bestellen wir zuerst die dunklen, mit Buchweizenmehl gebackenen herzhaften Crêpes. Einmal den Klassiker – die Complète mit Schinken, Käse und Spiegelei – und einmal etwas ausgefallener mit Algen und Jakobsmuscheln. Ein Genuss!
Jetzt kommt der Nachtisch an die Reihe: Wir entscheiden uns beide für den Star unter den bretonischen Desserts, die Crêpe au caramel au beurre salé, Crêpe mit Salzbutterkaramell. Die süß-salzige Mischung ist der perfekte Abschluss und zaubert uns die Kontraste der Bretagne auf unsere Teller. Meersalz ist die wichtigste Zutat für alle bretonischen Süßspeisen. Das erleben wir auch in der Biscuiterie François Garrec, ebenfalls in Bénodet, wo wir beim Keksbacken zugucken können. Der von Familie Garrec in vierter Generation geführte Betrieb ist für seine Galettes und Palets, typisch bretonische Kekssorten mit feiner Salznote, berühmt.
Nach so viel Salzbutter freuen wir uns auf etwas Bewegung an der maritimen Luft. Im Nachbarort Fouesnant-les-Glénan rollen wir unsere Yogamatten am Strand aus. Es ist dann doch ein Unterschied, ob der Hund auf den Studioboden oder einen weißen Sandstrand und atlantisches Blau herabschaut!
Danach arbeiten wir noch etwas an unserer Ausdauer, tauschen die Yogamatte gegen Wanderschuhe und begeben uns auf den berühmten Küstenwanderweg GR®34, der die Bretagne auf 2000 Kilometern umrahmt und dabei jede Bucht und jede Landspitze mitnimmt. Früher ermöglichte er es den Zöllnern, dem Schmuggel an der Küste Einhalt zu gebieten – daher kommt sein Beiname „Zöllnerpfad“. Heute zählt er zu den beliebtesten Fernwanderwegen Frankreichs. Hier im Süden flanieren wir auf flacher Strecke von Bucht zu Bucht.
Ganz anders war das bei unserer Tour auf dem Zöllnerpfad ab Crozon-Morgat auf der gleichnamigen Halbinsel Crozon, wo uns die bis zu 70 Meter hohen Felsklippen am Ende der Welt ganz im Westen der Bretagne doch sportlich etwas mehr herausforderten. Aber die Anstrengung wurde belohnt: Bei einem Picknick im Nachbarort Camaret-sur-Mer ebenfalls auf der Halbinsel Crozon genossen wir einen atemberaubenden Sonnenuntergang über dem weiten Atlantik und den Blick auf die vorgelagerten Felsen „Tas de Pois“ – die Erbsenhaufen.
Harte Schale, weicher Kern
Aber zurück an die Südküste: Denn auch in Moëlan-sur-Mer sind wir sportlich unterwegs. Hier allerdings nicht zu Land, sondern auf dem Wasser: In einem Kajak gleiten wir über unzählige Austernparks hinweg. „Jede Auster schmeckt nach dem Meer, in dem sie groß geworden ist“, erklärt uns unser Kajak-Guide Jacques Noël und fährt fort: „Was beim Wein das ‚terroir‘, also Lage, Boden und Klima, ist, ist bei den Austern das ‚meroir‘.“ Wir lernen, dass Austernparks immer an der Küste angesiedelt sind. Durch die Gezeiten mal über und mal unter Wasser, wachsen die Austern über mehrere Jahre in engmaschigen Taschen heran.
Bei einer Mittagspause können wir die berühmte Meeresfrucht auch endlich probieren. Geöffnet werden die Austern für uns vom Profi, danach zeigt uns Jacques, wie wir den Muskel mit der Gabel von der Schale lösen. Dabei erzählt er uns, dass das Muskelfleisch direkt an der Schale mit seinem süßlichen Geschmack den Einstieg in die Austernwelt vereinfacht – bretonische Kinder probieren das feine Stück bereits in jungen Jahren. Auch uns schmeckt es besonders gut und wir lassen gleich die nächste Schale öffnen. Was uns überrascht: Austern sind in der Bretagne kein Luxusgut, sondern gehören zum Alltag dazu. Statt nur in feinen Restaurants genießt man sie hier frisch vom Markt mit einem kühlen Glas Weißwein.
Das Ballett der Fischkutter
Genauso frisch ist auch der Fisch in Le Guilvinec. Im Fischereimuseum Haliotika im Südwesten der Bretagne lernen wir alles über das Leben der Küstenfischerinnen und ‑fischer und wie wir die Biodiversität unserer Weltmeere alle gemeinsam besser schützen können. Ein Highlight ist aber definitiv der Blick von der Besucherterrasse um 16 Uhr, wenn die Fischkutter nach getaner Arbeit in den Hafen zurückkehren. Der frisch gefangene Fisch wird in die große Halle gebracht, wo er direkt an die Restaurants der Region verkauft wird.
Hier treffen wir Philippe Lessard, der Besuchergruppen durch die Halle führt und zu jedem Fisch etwas erzählen kann. „Le Guilvinec ist Frankreichs wichtigster Hafen für Frischfisch. Bei uns gibt es jedoch keine Industriefischerei. Stattdessen arbeiten wir mit selbstständigen Fischern aus der Region zusammen, die das Meer vor unseren Küsten kennen und schätzen“, sagt Philippe. Wer kein Französisch spricht, kann auch Touren auf Deutsch buchen oder sich einen deutschsprachigen Audioguide ausleihen.
Die Bretagne, Inspiration für Künstler und Autoren
So bunt wie die Fischkutter vor Le Guilvinec leuchten auch die Boote im Hafen von Clohars-Carnoët. Hier hat man fast den Eindruck, auf eine Postkarte aus der Bretagne zu blicken. Kein Wunder, dass schon im 19. Jahrhundert berühmte Maler wie Paul Gauguin den Ausblick festhalten wollten.
Die damals neu gebaute Eisenbahnlinie von Paris nach Quimper ermöglichte es den Künstlern, der Hektik der Großstadt zu entfliehen und sich von der Natur, den Menschen und den Farben der Bretagne inspirieren zu lassen. Auf Spaziergängen durch Clohars-Carnoët und Névez, das bekannt ist für seine reetgedeckten Häuser, wandeln wir auf den Spuren der Maler und lassen die Farbwelt der bretonischen Landschaften in all ihren Nuancen auf uns wirken.
„Diese eine Bretagne gibt es nicht, es gibt viele Bretagnen und genau darin liegt ihr Geheimnis“, schrieb schon der weltberühmte Autor Gustave Flaubert und jetzt wissen wir, was er damit meinte. Die Erinnerung an die Bretagne, ihre Farben und ihre Geschmäcker wird uns noch lange begleiten.
Hinkommen
Die Bretagne erreichen Sie bequem über vier Autobahnen aus allen Himmelsrichtungen. Mit A gekennzeichnete und in Frankreich mautpflichtige Autobahnen gibt es hier nicht, in der Bretagne fahren Sie immer kostenfrei auf den zwei- bis vierspurig ausgebauten Nationalstraßen (N) oder entspannt die Landstraße zwischen Meer und Wäldern entlang.
Vom Pariser Bahnhof Montparnasse sind Sie mit dem französischen TGV in nur 1,5 Stunden in Rennes, der Hauptstadt der Bretagne. Ab Strasbourg gibt es außerdem einmal täglich eine Direktverbindung nach Rennes. Direktflüge gibt es mit Lufthansa mehrmals pro Woche ab Frankfurt/Main nach Rennes und Nantes (Flugzeit: 90 Minuten).
Übernachten
Plouguerneau: Hotel Castel Ac’h, https://www.castelach.fr/
Tipp: Den mit 82 Metern höchsten Leuchtturm auf der Ile Vierge kann man auch erklimmen, von oben bietet sich ein herrlicher Panoramablick über die Nordwestküste der Bretagne. Das ehemalige Leuchtturmwärterhäuschen wurde vor Kurzem als uriges Ferienhaus frisch saniert und bietet Platz für bis zu 9 Personen für 1–2 Nächte.
Crozon-Morgat: L’Escale Marine, https://www.escale-marine.bzh/
Bénodet: Au 46, https://www.au-46-bretagne.fr/
Fouesnant-les Glénan: La Pointe du Cap Coz, https://www.hotel-capcoz.com/fr/
Moëlan-sur-Mer: La Maison Keribin, https://www.lamaisonkeribin.com/
Clohars-Carnoët: Naéco Le Pouldu, https://www.naeco.bzh/fr/hotel-le-pouldu.html
Antworten
Ich denke der späte Frühling (Mai bis Juni) und der frühe Herbst (September bis Oktober)
Gibt es bestimmte Jahreszeiten, die sich besonders gut für eine Reise in die Bretagne eignen, um die beschriebenen Erlebnisse in ihrer vollen Pracht zu genießen?
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