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Gemeinsam mit der Rennsport-Legende Ellen Lohr war ich für die China Rally und das größte Off-Road-Festival der Welt dort drüben, knapp 1000 Kilometer westlich von Peking. Doch die eigentliche Attraktion dieser Reise war die Innere Mongolei selbst. Die dünn besiedelte Region Chinas verzückte mich vom ersten Moment an mit Wüsten, tibetischen Tempeln, gastfreundlichen Menschen, wilden Kamelen, Jurten, und einem stets unwirklich blauen Himmel. Vor allem aber damit, dass ich mich schon lange nicht mehr irgendwo so völlig fremd gefühlt hatte.
Anekdoten aus einem fremden Land
Übermüdet erreiche ich Yinchuan. Das Personal am Flughafen trägt Westen, auf denen lakonisch ›Help You‹ draufsteht. Sympathisch. Alles ist hier ist bereits auf den ersten Blick völlig anders als zu Hause und meine Neugierde sofort geweckt.
Ich esse im Kung Fu Imbiss. Der Laden scheint eine Kette zu sein, aber ich mag die comicartigen Zeichnungen am Eingang. Mit Worten bestellen ist aufgrund der Sprache keine Option, also zeige ich stoisch auf ein Gericht. Ich werde wohl nie erfahren, was man mir bringt, aber es schmeckt ganz vorzüglich. Um mich herum werden lautstark Nudeln geschlürft, ein Kind am Nachbartisch starrt mich unaufhörlich aus großen Augen an. Ich bin die einzige Langnase weit und breit.
Eine Angestellte des Flughafens hat ihren Touristengruß auf Englisch offenbar nicht komplett auswendig gelernt und sagt lediglich ›Have a Trip‹. Na, wenn das mal nicht wie die Faust aufs Auge passt!
Nach zwei Stunden Fahrt im kleinen Städtchen Alxa Left (sprich: Alashan Left) angekommen, strolche ich etwas rum. Erste Erkenntnis: Kaum versteht man die Schilder nicht mehr, versteht man eigentlich gar nichts mehr. Ich genieße dieses Gefühl der Verlorenheit und streife durch den warmen Nieselregen. Einige Menschen arbeiten im Freien vor ihren Geschäften und begutachten mich neugierig. Eine Menge Hunde hat es sich auf den Gehwegen gemütlich gemacht. Ich kehre in einer kleinen Garküche ein und deute auf das Essen am Nachbartisch, die Wirtin bringt mir lächelnd eine dampfende Schale. Schon beim ersten Löffel Suppe stelle ich fest, dass ich mir in meiner Naivität eine Innereien-Suppe bestellt habe. Doch ich springe über meinen Schatten und löffle drauf los. Das Gericht entpuppt sich als schmackhaft und ziemlich scharf. Ich tue es einer kleinen Familie am Nachbartisch gleich und stippe das trockene, süßliche Brot in die dickflüssige Suppe. Die Imitation der Einheimischen ist immer eine gute Strategie, wenn man sich so gar nicht auskennt.
Ein Betrunkener am Nachbartisch will nicht begreifen, dass ich ihn nicht verstehe. Sichtlich fasziniert von mir spricht er mich immer wieder auf Mandarin an. Bevor ihn die Köchin schließlich rauswirft, demonstriert er mir noch schnell, wie er einen Bund Kräuter in einem Haps aufessen kann.
Meine Reisepartnerin Ellen ist nun auch im Hotel angekommen. Wir essen in einem Restaurant im Zentrum Hot Pot mit Pilzen; die chinesischen Fotografen und Organisatoren der Rallye haben uns kurzerhand zu diesem Festmahl eingeladen. Der Drehtisch ist stundenlang in Bewegung, ständig werden neue exotische Gerichte gereicht. Im Flur vor dem Speiseraum sind bestimmt 20 Schälchen aufgebahrt, aus denen man sich seine persönliche Lieblingssauce zusammenmischt. Ich lade mir einen Löffel voll mit etwas, das ich für Ingwer halte. Erst als ich es meiner Sauce beigemischt habe, merke ich, dass es sich um geriebenen Knoblauch handelt. Auch da muss ich nun wohl durch.
Die Stimmung am Tisch ist ausgelassen, wir trinken eine Menge Bier und einen starken Schnaps, dessen Geruch an Make-Up-Entferner erinnert. Zum Glück sprechen ein paar unserer Gastgeber etwas Englisch. Erstaunt stelle ich fest, dass wir einen ähnlichen Humor zu haben scheinen.
Am nächsten Tag kämpfen wir uns noch tiefer in die Innere Mongolei, Ziel ist das Städtchen Alxa Right. Knapp 350 Kilometer Nichts liegen zwischen diesen beiden Städten. Die Weite, die sich uns bietet, sobald wir die Stadtgrenze hinter uns lassen, ist beeindruckend.
Staubige Straßen führen mitten durch eine schier endlose Steppe, die von einer rau anmutenden Bergkette umrahmt wird. Immer wieder fahren wir Teilstücke der Strecke auf der brandneuen, riesigen Autobahn, auf der wir fast alleine unterwegs sind. In regelmäßigen Abständen stehen gigantische Rasttempel am Wegesrand, die jedoch alle noch nicht geöffnet haben. Ab und an müssen wir stoppen für wilde Kamele, die mitten auf der Straßen rumstehen.
Ich versuche mir auszumalen, wo die LKW mit den staubigen Planen wohl herkommen, die wir ab und an auf der Gegenspur erblicken.
Die nächsten Tage verbringen wir im Biwak der China Rally unter Rennfahrern, ihren Mechanikern und einer Menge interessierter Einheimischer. Auf dem Dorfplatz von Alxa Right hat man eine Bühne und ein paar riesige Zelte aufgebaut. Nebenan schrauben die Teams nach einem langen, beschwerlichen Tag in der Wüste ihre Fahrzeuge wieder zusammen.
Ein überdimensioniertes Kuppelzelt ist der Ort fürs Catering, nebenan stehen die Zelte für die vielen chinesischen Journalisten sowie uns fünf Schreiberlinge aus dem Westen. Im Nachbarzelt hört man den englischen Sprecher die heutige Etappe der Rallye vor dem Mikrofon zusammenfassen, seine Stimme wird uns durch die nächsten Tage begleiten. Ich mag die geschäftige Atmosphäre vor Ort.
Kleinster gemeinsamer Nenner der Einheimischen vor den Zelten: Ihr vorbehaltloses Lächeln und ihr unverhohlenes Interesse an den wenigen westlichen Besuchern. Alle naselang werde ich gebeten, mit wildfremden Menschen Selfies zu schießen. Sie bedanken sich stets herzlich für meine Bereitschaft. Auch ich habe mit ›Xiexie‹ wenigstens schon ein Wort auf Mandarin gelernt: Danke.
Als die Sonne untergeht wird es erstaunlich kühl im staubigen Biwak. Dafür heizt nun auf der Bühne ein chinesischer Lokalmatador die Stimmung an. Ich bin völlig fasziniert von der Lightshow in Kombination mit den nebenan an den Fahrzeugen schraubenden Teams.
Der Abend dient uns von nun an zum Ordnen unserer Fotos und dem Schreiben der täglichen Zusammenfassungen der Rallye. Wer führt das Feld an, wer hatte eine Panne, wessen Auto ist bereits vollständig zerstört? Mit vom Staub des Tages verstopften Nasen kommen wir zu später Stunde zum Ende. Mit Hilfe einer VPN-App ist es uns sogar möglich, noch ein paar Social Media Posts abzusetzen. Facebook und co sind hier eigentlich gesperrt.
Die Rezeptionistin unseres Hotels ist nett wie alle anderen hier. Das erste Zögern der Einheimischen scheint ohnehin immer nur Ausdruck ihrer Unsicherheit zu sein, da die meisten nicht ein Wort Englisch sprechen. Doch das erste Lächeln ändert alles. Das, und die wahnsinnig populäre Übersetzungs-App Baidu, die hier fast jeder auf seinem Telefon hat. Ich spreche ihr also ins Handy: »I would like to buy beer.« Die App rattert, die Rezeptionistin blickt auf die chinesischen Zeichen, dann zieht sie mich hinter sich her aus dem Hotel raus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt ein kleiner Laden, der hauptsächlich Zigaretten zu verkaufen scheint. Doch mit der Hilfe meiner neuen Bekannten sowie ihrer App halte ich schon bald einen Sixpack Tsingtao in den Händen.
Das Ungewohnte wartet in der Inneren Mongolei jeden Tag bereits beim Frühstück. Kaffee sucht man am Buffet vergeblich, stattdessen gibt es warme Kamelmilch. Dazu werden zahlreiche Schüsseln mit herzhaften, teils wirklich scharfen Gerichten aufgetischt. Gemüse, von dem man nicht mal sagen könnte, was es wohl ist. Nicht eines, sondern dutzende. Keine Chance herauszufinden, was man sich da mit Stäbchen in den Mund schiebt. Doch alles, aber auch alles ist lecker. Das schrägste Gericht scheint eine Art Hefe-Würfel in Sauce zu sein, das man zu den anderen Speisen als Beilage isst. Wie schon zuvor beobachte ich aufmerksam die Menschen an den Nachbartischen und versuche alles genauso zu machen wie sie.
Die Innere Mongolei scheint der letzte Ort auf der Welt zu sein, wo man von Lungenkrebs noch nichts gehört hat. Jeder raucht, und jeder raucht Kette. Überall stehen Aschenbecher, sogar im Aufzug trifft man auf kalten Qualm. Doch umdenken muss man hier kulturell in vielerlei Hinsicht. Das Schlürfen, Rülpsen und ständige Ausspucken der Chinesen etwa ist gewöhnungsbedürftig, und doch bin ich irgendwie fasziniert davon. Normalität ist eben immer auch eine Frage der Perspektive.
Wir fahren mit den Geländewagen in die Badain Jaran Wüste, die Wissenschaftlern bis heute Rätsel aufgibt. Denn das ewig scheinende Meer aus Sand wird immer wieder unterbrochen von kleinen Seen, die niemals austrocknen. Sogar Fische gibt es in diesen Gewässern. Neben einem dieser Seen steht eine Sandskulptur von Dschingis Khan. Man kann sich bei ihrem Anblick sofort vorstellen, wie er seinerzeit mit seinen Männern auf Pferden durch diese wilde Region geprescht ist.
Entlang der wenig befahrenen Straße sieht man außer ein paar ungewöhnlicher Monumente nicht viel. Es ist so verlassen hier, dass ich mich frage, ob unsere Fahrer wohl genug Benzin und Wasser dabei hat.
Die Badain Jaran liegt auf 1600 Meter und ist damit die höchste Wüste der Welt; für viele Besucher gilt sie auch als die schönste. Mehrfach passieren wir kleine Gruppen von Jurten, in denen die Menschen hier leben wir vor Jahrhunderten. Vor einigen kauern die Männer mit wettergegerbten Gesichtern und schlürfen Tee. Man sieht ihnen an, dass sie hier bei jeder Witterung sitzen. Sie strahlen eine angenehme Ruhe aus.
Nahe des Museums des Alxa Geopark mit seiner bizarren Architektur verläuft die Strecke der Rallye. Ich erstehe noch schnell eine Dose Süßigkeiten aus Kamelmilch im Museumsshop, dann sehe ich den PS-starken Boliden dabei zu, wie sie sich durch den Sand wühlen. Als wäre hier nicht alles schon schräg genug, setzen die bunten, PS-starken Fahrzeuge vor der Wüstenkulisse noch eins drauf. Es ist die erste Rallye dieser Art in dieser Gegend und man merkt jedem einzelnen der vorwiegend chinesischen Teilnehmer ihre Begeisterung an. Der Sand in der Luft und das Röhren der Motoren wird begleitet vom wirklich wilden Geschmack, den die Kamelmilch-Bonbons in meinem Mund entfalten.
Ein Mittagessen in einem unscheinbaren Laden an der Straße, das als kurze Stärkung angedacht ist, artet in ein regelrechtes Gelage aus. Fast zwei Stunden lang serviert man uns immer neue Töpfe und Schalen mit dampfenden Speisen: Schweinefleisch mit Knoblauch und Ingwer auf Nudeln, Ei mit Tomate, süße gedämpfte Maiskörner, allerhand gedünstetes Gemüse, Kamelfleisch, geröstete Erdnüsse, Hammelhaxen, … Am Ende trinken wir reihum aus einer großen Schale Schnaps aus vergorener Milch und verbrüdern uns mit dem Wirt, der uns sogar noch ein kleines Ständchen darbietet.
Das Tollste daran: Das ist hier nicht Folklore, sondern alles echt! Die Menschen vor Ort kennen das Konzept Tourismus überhaupt nicht, sie benehmen sich einfach so wie immer. Ein paar beschwipste Selfies später ziehen wir weiter, dieses unvergleichliche Gefühl in der Brust, gerade etwas wirklich Außerordentliches erlebt zu haben.
An einem Tag beobachten wir die Rallye-Teilnehmer beim Start im Nirgendwo. Vor ihnen liegen hunderte Kilometer Sand, und doch treten die meisten gleich beim Startschuss ordentlich aufs Gas. War es tags zuvor noch sommerlich warm, frieren wir uns nun beim Knipsen der Geländewagen fast die Finger ab. Doch die vorbeirasenden Boliden kombiniert mit der über der Wüste aufgehenden Sonne sind ein unvergleichliches Erlebnis. Unsere Fahrer bieten uns einzeln verpackte Würste sowie leckere Früchte aus ihrer Heimatregion an, dann geht es schon wieder zurück auf die Straße.
Die Alashan Region ganz im Westen der Inneren Mongolei ist riesig und sehr dünn besiedelt. Landschaftlich fährt sie mit Wüsten, Canyons und bizarren Steinformationen große Geschütze auf. Besonders aber die schiere Weite der Natur lässt einen ehrfürchtig werden. Auf dem Weg zurück nach Alxa Left halten wir für einen näheren Blick auf diese faszinierende Landschaft. Die Felsmalereien am Mandela Mountain zeugen von einigen der ersten Menschen, die ihren Fuß in diese raue Gegend gesetzt haben. Die simplen Zeichnungen früher Nomadenstämme sind mit bis zu 6000 Jahren die ältesten ganz Asiens. Man nennt die Felsen daher auch die ›Ancient Nomads Galery‹.
In Alxa Left angekommen besichtigen wir einen beeindruckenden buddhistischen Tempel. Man ist gerade im Begriff, diesen mit zusätzlichen Gebäuden noch viel größer und pompöser zu machen. Diese Art des Umgangs mit historischen Stätten ist in Asien nicht ungewöhnlich. Besonders faszinierend sind jedoch gerade jene Teile des Tempels, die dort schon seit vielen Jahrhunderten stehen. Im Schein der untergehenden Sonne sind wir die einzigen Besucher zwischen den bunten Pagoden und den in den letzten Strahlen funkelnden Gebetsrollen.
Der Abend endet in einem Restaurant mit vielen Verweisen auf den guten alten Mao. Auch hier spricht natürlich niemand Englisch, und diesmal haben wir keinen unserer chinesischen Übersetzer dabei. Nach einigen Minuten des Gestikulierens bringt man uns Gang um Gang undefinierbarer Speisen, alles lecker, alles wahnsinnig scharf. Die Einheimischen an den Nachbartischen schießen Bilder von unseren schmerzverzerrten Gesichtern. Wir freuen uns mit ihnen, während uns die Tränen die Wangen herunterkullern.
In der Nähe von Alxa Left liegt ein faszinierender Lama-Tempel: Guangzong ist eines der wichtigsten lamaistischen Heiligtümer in der Inneren Mongolei. Schon die Fahrt dorthin entpuppt sich als echtes Erlebnis. Wilde Pferde kreuzen unseren Weg, als wir uns den beeindruckenden Bergen nähern. Ich hätte plötzlich nicht übel Lust, eines dieser Pferde zu zähmen und mit ihm durch die Steppe zu jagen!
Vor dem Tempel darf man noch fotografieren, drinnen nicht, da gerade eine Zeremonie stattfindet.
Das Innere des Tempels während der Zeremonie ist eine wahre Explosion an Farben, einzig die Mönche in dunklem Rot beruhigen das Auge. Würziger Rauch hängt schwer in der Luft. Zivilisten hinterlassen Geld und scheinen dafür einen Segen zu erhalten. Die Mönche machen mit großen Trommeln und einer Art Alphörnern dissonante Musik. Die Alten murmeln, andere bahren rohes Fleisch auf Tischen auf und telefonieren dabei mit dem Handy. Mit Teppich umkleidete Säulen führen unter hohe Decken mit bunt angestrichenen Balken. Auf einer Seite des Raums stehen Dutzende goldene Buddha-Statuen, vor denen zahlreiche Kerzen brennen. Flaggen mit Zeichnungen heiliger Wesen flattern zwischen Elefantenköpfen aus Holz. An den Wänden Schlangen, Drachen, mystische Kreaturen mit drei Augen und Totenköpfen unterm Arm. Mandalas in allen Farben und goldene Gebetsmühlen. Eine wahrlich andere Welt.
Am Nachmittag besuchen wir zum ersten Mal das FB Festival. Es war unmöglich, im Vorfeld irgendetwas darüber herauszufinden. Umso überraschter sind wir nun, da wir inmitten des größten Off-Road-Festivals der Welt stehen. Sagenhafte eine Million Menschen mit 300.000 Geländewagen finden ihren Weg in die Tenger-Wüste. Hier endet die China Rallye mit einer großen Siegerehrung. Die Teams reparieren ein letztes Mal ihre Fahrzeuge und packen zusammen. Uns hat man angeboten, noch ein paar Tage beim Festival zu bleiben. Ich bin sehr froh, dass ich mal wieder das Unbekannte gewählt und einfach kurzerhand zugesagt habe.
In den nächsten Tagen beim Festival gibt es immer wieder neue Dinge zu bestaunen. Etwa in einem der Essenszelte, wo die Grillspieß-Verkäufer zu lauter Musik tanzen und singen, während sie ihre Verkäufe abschließen. Oder als ich an einem Automaten einen Kaffee ziehen möchte und feststelle, dass auch hier niemand bar zahlt. Dank der App Wechat, die in China Facebook, Whatsapp und ebay in einem ist, hält man lediglich sein Handy-Display an den Kaffeeautomaten mitten in der Wüste. Als ich schon glaube, mir den Kaffee abschminken zu können, bezahlen schließlich drei nette Einheimische mit ihrem Telefon und lassen sich von mir das Geld in bar geben. Belustigt schütteln sie den Kopf ob meiner Altmodischkeit.
Eines Nachmittags donnern Ellen und ich mit professionellen Fahrern in Buggies durch die Wüste. Die unglaublich rasante Fahrt mit einigen Sprüngen ist jeden ihrer 10 Euro wert! Kurz darauf laufen wir geradewegs in eine Drift-Show des Youtube-Stars BJ Baldwin. Es ist das gefühlt erste mal, dass wir überhaupt Westler auf dem riesigen Gelände begegnen.
Das Festival überrascht ständig mit neuen Superlativen und so stolpern wir Tag für Tag mit offenen Mündern durch die Wüste. Stundenlang klappern wir etwa die Stände eines kleinen Marktes mit Klamotten und Accessoires ab, fasziniert von der Individualität in diesem für seine Individualität nicht gerade berühmten Land. Interessiert beobachten wir das Treiben auf den Campingplätzen, die bis in den letzten Winkel mit höhergelegten, verbreiterten Geländewagen vollgestopft sind. Ungläubig entdecken wir auf der Fahrzeugmesse alle naselang chinesische Marken, von denen wir noch nie gehört haben. In den riesigen Zelten mit Garküchen probieren wir uns durch zahlreiche Gerichte. Abends wohnen wir einmal einem chinesischen Rockkonzert bei und grölen einfach mit der Menge mit. Auf der einstündigen Rückfahrt nach Alxa Left habe ich Abend für Abend ein dümmliches Grinsen im Gesicht von der Vielzahl an neuen Eindrücken.
Die Region Alxa, die im Norden an den souveränen Staat Mongolei schließt, umfasst 270.000 Quadratkilometer. Die 230.000 Menschen, die hier leben, gehören 28 unterschiedlichen Ethnien an. Lebt man in den Städten relativ modern, so spielen auf dem Land Volksmusik, Tanz und traditionelle Kleidung zum Teil noch eine große Rolle. Mittags in einer Suppenküche in Alxa Left lernen wir ein paar Menschen der ethnischen Minderheit Hui kennen, die sich in ihrer Art zu kleiden deutlich vom Rest der Menschen in der Stadt unterscheiden. Fragen wir uns erst noch, ob sie wohl fotografiert werden möchten, liegen wir uns schon bald mit ihnen in den Armen und werden selbst fotografiert. Diese rückhaltlose Freundlichkeit ist wirklich herzerwärmend.
An einem frühlingshaften Tag erkunde ich das schräge Städtchen Alxa Left. Vom Hügel aus hat man wundervolle Ausblicke über die Stadt und auf die von frischem Schnee bedeckten Gipfel der Berge. Überall um die chinesischen Pagoden herum blüht es.
Ganz oben entdecke ich einen großen Platz, an dem zahlreiche Anbieter elektrische Gefährte in allen Farben und Formen vermieten. Erst mache ich mich im Geiste etwas lustig über diese Art der Freizeitgestaltung. Doch dann tue ich das einzig Richtige und miete mir selbst eines der Fahrzeuge, die erstaunlich schnell sind und jeweils eine eigene Anlage eingebaut haben. Meine plärrt in voller Lautstärke eine Musik, die sich wie Eurotrash anhört, aber von chinesischem Gesang begleitet wird. Die zehn Minuten, in denen ich mir den Wind um die Nase pfeifen lasse, sind ein echtes Highlight. Ich feiere die Absurdität der Situation.
Selbst im Taixixi International Hotel spricht niemand Englisch. Aber mittlerweile macht mir das gar nichts mehr aus. In meinem Zimmer lege ich mich mit Blick auf den Tempel auf meine Chaiselongue und blättere im Fotobuch über die Alashan-Region. Hierzulande bezeichnet man sie offenbar als »schöne von Gott gemalte Kurve«. Wo hat es mich hier nur hin verschlagen?!
Unseren Rückweg nach Yinchuan nutzen wir, um uns noch zwei Sehenswürdigkeiten der Inneren Mongolei anzuschauen. Unsere Begleiterin Jing und die Fahrerin scheinen sich nicht weniger als wir auf etwas Sightseeeing zu freuen.
Zuerst besichtigen wir die Xia Kaisergräber, eine etwa tausend Jahre alte historische Stätte. Auf 50 Quadratkilometern hat man hier gleich eine ganze Reihe von Gräbern aus der Erde geschält, die vor der Bergkulisse spektakulär aussehen. Doch die Art der Besichtigung scheint hier die eigentliche Attraktion. Gemeinsam mit vielen Chinesen werden wir in klapprigen Anhängern von Traktoren zu den Gräbern gezogen und wie eine Herde Schafe durch das Museum geschubst. Souvenirs wollen gekauft, Selfies wollen geschossen werden.
Unser zweiter Stopp ist die Chinesische Mauer. Kein Witz, auch hier kann man sie besichtigen. Vergeblich sucht man hier jedoch das klassische Foto der Mauer, wie sie sich in die Berge schlängelt. Denn was hier ausgegraben wurde, ist das Original, nicht restauriert und nicht ausgebaut.
Doch wieder machen wir einfach, was die Chinesen auch machen, und hier ist das Ganze noch eine Spur unterhaltsamer. Direkt nach dem doch eher unansehnlichen Stück Mauer entfaltet sich ein wahrer Freizeitpark, wie Perlen auf einer Schnur folgt eine Attraktion der nächsten. Das Witzigste daran: Ist man einmal drin, muss man auch alle Stationen durchlaufen. Es gibt keinen Ausweg! Vom Rücken eines Pferdes geht es gewissermaßen nahtlos auf eine kurze Bootsfahrt. Kaum hat sich die träge Masse aus dem Boot aufs Land gewälzt, wird sie auch schon auf zahlreiche Wägen verteilt, die von Kamelen gezogen werden. Die Krokodilfarm können wir zum Glück umgehen, doch am Bambusboot führt kein Weg vorbei. Direkt anschließend entspinnt sich ein wahrer Irrgarten aus Höhlen und Souvenirständen, bis wir schließlich wieder an der chinesischen Mauer ankommen, die man bis dahin schon fast vergessen hat.
Wir brauchen fast zwei Stunden, um wieder zum Eingang zu finden und verpassen so fast noch unseren Flug nach Peking. Und doch hat dieses letzte Erlebnis in der Inneren Mongolei viel gemein mit den Eindrücken der letzten Tage vor Ort. Ungläubig schütteln wir mit offenen Mündern unsere Köpfe. Und diese Bewegung haben wir mittlerweile echt ganz gut drauf!
Antwort
Anhand deiner Bilder sieht es so aus, dass du in China viel erlebt hast. Tolle Erfahrungen :). Beste Grüße aus dem Eco Urlaub
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