Als Friseur in Mali

Bald bin ich da, am Ziel, in Tim­buk­tu. Eine Stadt, deren Name für Unbe­kann­tes, weit Ent­fern­tes, Uner­reich­ba­res und Fas­zi­nie­ren­des steht. Nur noch 100 Kilo­me­ter. Bis hier­hin lief es ganz gut. Zwar gab es immer wie­der klei­ne Sand­fel­der, aber mit ein biss­chen Schie­ben war das zwar anstren­gend, aber nicht unüber­wind­bar. Viel­mehr mach­ten mir die Aka­zi­en­bäu­me mit ihren Dor­nen zu schaf­fen. Mei­ne Rei­fen waren schon so häu­fig platt gewe­sen, dass ich im letz­ten Dorf alte Schläu­che als Ersatz­fli­cken habe kau­fen müs­sen.

Aber bald habe ich es geschafft. Am Hori­zont taucht ein klei­nes Dorf auf. Zeit für eine Rast – es ist ohne­hin zu heiß. Und etwas Was­ser scha­det nicht.

timbuktu-7--das-letzte-dorf-vor-dem-sandfeld-in-mali---martin-moschek

Dort ange­kom­men, wer­de ich freund­lich begrüßt und bekom­me was zu essen. „Ja, ich rad­le nach Tim­buk­tu“ und ern­te Geläch­ter. Zuerst dach­te ich, es sei des Rades wegen, aber lang­sam wird mir klar, dass hier die Hei­ter­keit einen ande­ren Grund hat: Vor mir liegt ein sehr sehr gro­ßes Sand­feld, das nicht mit dem Fahr­rad durch­quer­bar ist. Viel­mehr soll­te ich auf einen Auto­lift war­ten, der mich da durch bringt. Ok, dann war­te ich. Nach 1,5 Stun­den gibt man sich ver­wun­dert, war­um ich denn auf ein Auto war­ten wür­de? Hät­te ich nicht gehört, dass ein gro­ßes Fest unmit­tel­bar bevor­steht und in die­ser Zeit kei­ne Autos fah­ren? Nein, hat­te ich natür­lich nicht. Doof.

Ich muss wohl sehr betrübt aus­ge­se­hen haben, denn plötz­lich kam Bewe­gung in die Men­schen. Wo ich denn schla­fen wür­de, denn man soll­te schon damit rech­nen, hier erst mal für eine Woche zu blei­ben. Eine Woche? Ähhh, ja, hmmm.

Kein Pro­blem, die Mie­nen mei­ner Gesprächs­part­ner hell­ten sich auf. Es ist ja noch ein ande­rer Aus­län­der hier im Ort und da kann man viel­leicht uns bei­de ein­an­der vor­stel­len. Ja, war­um nicht. Beglei­tet von 20 Kin­dern wur­de ich durch den Ort geführt. Lau­tes Rufen kün­dig­te unser Kom­men an. Und dann traf ich Sun­ny, den ande­ren Aus­län­der.

Sun­ny kam aus Nige­ria, war mehr­fach an der malisch-marok­ka­ni­schen Gren­ze auf­ge­grif­fen wor­den und war­te­te hier im Ort auf die nächs­te Chan­ce, nach Marok­ko und wei­ter nach Spa­ni­en zu kom­men. In der Zwi­schen­zeit arbei­te­te er als Fri­sör im Dorf und freu­te sich rich­tig, mal ein ande­res Gesicht zu sehen.

timbuktu-4---sunny-in-seinem-element---martin-moschek

Pri­ma, wir waren uns gleich sym­pa­thisch und noch ehe die Son­ne unter­ging war geklärt, dass ich bei ihm schla­fen konn­te. Sei­ne Hüt­te stell­te sich aber als kaker­la­ken­ver­seuch­ter Glut­ofen her­aus, der mit sei­nen 4 Qua­drat­me­tern Grund­flä­che kaum für Sun­ny reich­te. Also schlief ich kur­zer­hand drau­ßen vor der Hüt­te unter frei­em Him­mel. Klas­se.

Am nächs­ten Tag zogen wir zur Arbeit in Sun­nys Fri­sör­sa­lon. Natür­lich hat­te die Nach­richt, dass ein zwei­ter und dies­mal aber wei­ßer Aus­län­der Gast im Ort ist, bereits die Run­de gemacht. Offen­sicht­lich war dies das bes­te Mar­ke­ting, denn vor dem Laden war­te­ten bereits vie­le Men­schen, um von Sun­ny und mir die Haa­re geschnit­ten zu bekom­men.

Sun­ny war über­rascht ob des Ansturms. Er hat­te zwar mit mehr Gäs­ten gerech­net, da ja das Fest bevor­stand, aber so vie­le waren schon eine Über­ra­schung.

Kurz­ent­schlos­sen ging ich auf den Markt und kauf­te einen mecha­ni­schen Haar­schnei­der, wäh­rend Sun­ny das Radio an die LKW Bat­te­rie anschloss und den Salon eröff­ne­te. Den gan­zen Vor­mit­tag schnit­ten wir unse­ren Gäs­ten die Haa­re. Die Wün­sche waren ein­fach: Es wur­de auf der Modell­ta­fel „Powerful Hair Cuts“, die Sun­ny aus Nige­ria mit­ge­bracht hat­te, ein Schnitt aus­ge­wählt, den wir dann ver­such­ten umzu­set­zen. Das war aber recht ein­fach, da sich die Schnitt­mo­del­le sehr ähn­lich waren.

timbuktu-6---unser-Haarschnitt-Angebot---martin-moschektimbuktu-3---unser-frisörsalon---martin-moschek

Gegen Mit­tag war die Schlan­ge der War­ten­den nicht weni­ger gewor­den. Daher enga­gier­ten wir kur­zer­hand noch einen Mit­ar­bei­ter und schnit­ten in den kom­men­den zwei Tagen unzäh­li­gen Men­schen die Haa­re.

So ver­gaß ich fast, dass ich ja eigent­lich noch wei­ter woll­te. Aber das Fest stand kurz bevor und ein Auto hat­te sich bis­lang nicht gefun­den (es war auch kei­nes in mei­ne Rich­tung gefah­ren). Das Dorf war mitt­ler­wei­le fest davon über­zeugt, dass Sun­ny und ich Brü­der waren und die­se Geschich­te führ­te auch wich­ti­ge Men­schen in unse­ren Salon. So beka­men wir für das Fest ziem­lich vie­le Ein­la­dun­gen.

timbuktu-2---martin-als-frisör---martin-moschek timbuktu-1---neugieriger-besuch---martin-moschek

Nach geta­ner Arbeit mach­ten wir uns fein und zogen von Ein­la­dung zu Ein­la­dung, bevor wir bei einem guten, küh­len mali­schen Bier irgend­wo im Hin­ter­hof eines Hau­ses den Abend beschlos­sen.

Weni­ge Tage spä­ter kam ein Auto, das mich durch das Sand­feld mit­nahm. Und so erreich­te ich Tim­buk­tu doch noch, wenn auch erheb­lich spä­ter als geplant. Hier fuhr mir gleich mal der Chef der mali­schen Sozi­al­be­hör­de mit sei­nem Auto auf mein Rad auf. Dar­auf­hin lud er mich ein, wäh­rend mei­ner Zeit in Tim­buk­tu bei ihm im Anwe­sen zu woh­nen.

Nach ein paar Tagen vol­ler Ent­de­ckun­gen in die­ser fan­tas­ti­schen Stadt und gro­ßer Gast­freund­schaft sag­te ich auf Wie­der­se­hen in Tim­buk­tu, das übri­gens die Part­ner­stadt von Chem­nitz ist, und mach­te mich nach Süden, Rich­tung Niger­fluss, auf.

Hier bekam ich einen fet­ten Infekt, zog mit einem Radio­mo­de­ra­tor durchs Land, repa­rier­te zwei Tage lang ein All­rad­ge­trie­be im Sand, bekam den Schafs­kopf samt Augen als Ehren­gast zu essen, ver­borg­te mein Rad für ein paar Tage an einen Auto­me­cha­ni­ker, schwamm durch den Niger (mehr­fach) und wohn­te bei einem Medi­zin­mann – aber das ist eine ande­re Geschich­te.

timbuktu-5---auf-dem-weg-nach-timbuktu---martin-moschek 

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Julia

    Oha,wie mutig von Dir! Ich fin­de es toll wenn Du bei wild­frem­den Men­schen sofort Kon­takt bekommst.Die Men­schen sehen auf den Bil­dern rich­tig ent­spannt und lebens­froh aus.Es war bestimmt ein wun­der­ba­res Aben­teu­er.
    Vie­le lie­be Grü­ße
    julia

  2. Avatar von Jutta

    Wie geni­al! Ich bin noch nicht ganz sicher, wel­che Anek­do­te mir am bes­ten gefällt: der »Schafs­kopf mit Augen« oder die Annah­me, dass Sun­ny und Mar­tin Brü­der gewe­sen sein sol­len!

  3. Avatar von 100 Sterne und der Mond

    Wow, eine fas­zi­nie­ren­de Geschich­te! Und wirk­lich schön, wie du wäh­rend die­ser einen Woche in die Orts­ge­mein­schaft auf­ge­nom­men wur­dest und gleich auch noch einen Job hat­test 🙂 pas­siert ja nicht alle Tage, das Inte­gra­ti­on und Inklu­si­on von bei­den Sei­ten her (und es gehö­ren immer zwei dazu!) so schnell funk­tio­niert.

  4. Avatar von Rolf

    Hi, bin ein begeis­ter­ter Leser der Rei­se­de­pe­schen und von Biketour­Glo­bal, fin­de es aber doch »irri­tie­rend«, wenn im Hea­der ver­mit­telt wird, dass es sich hier um einen aktu­el­len Arti­kel aus Mali han­delt, auch wenn man beim Anschau­en der Bil­der auf den Gedan­ken kom­men könn­te, dass mitt­ler­wei­le eini­ge Jah­re ver­gan­gen sind … 😉
    Herz­li­che Grü­ße und einen guten Rutsch … Rolf

    1. Avatar von Johannes Klaus

      Dan­ke Rolf! Da hast du recht, ich hab was ergänzt… Einen guten Rutsch!! Johan­nes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert