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Einleitung
Das Denken, welches oft einer übergewichtigen Sportskanone gleicht, liebt es ja bekanntlich auf seinen festen Wegen und über kultivierte Wiesen zu schreiten – und das auch nicht immer in den bequemsten Schuhen. Und wenn sich die Augen in eine Affäre mit der Außenwelt stürzen, wenn die gedanklichen Füße ausbrechen in Gebiete voller Wildwuchs, dann ist man auf Reisen und versucht seine Zehenzwischenräume wieder an die Bequemlichkeit von Flipflops zu gewöhnen. Und wenn die Nase ein Feuchtgewitter in der Mundhöhle entfacht und der Nacken sich versöhnlich der Entspannung hingibt dann ist man in Thailand.
Nein es wäre sehr traurig dieses Land auf diese zwei Gegebenheiten zu beschränken, aber es sind immerhin zwei Faktoren die das Bild vom historischen Siam nach außen hin prägen und die man zugegebener Weise selber sehr schnell zu schätzen lernt. Thailand ist ein Land zum Wohlfühlen, wo gekühlte Vitaminbomben an jeder Ecke lauern und amerikanische Cola Dosen auch bei Geistern ziemlich gut ankommen.
Ich gebe zu, dass ich mich lange Zeit nicht für das Land des Lächelns begeistern konnte, da sich unwillkürlich Bilder von Touristenmassen in mir heraufbeschworen. Viele fahren nach Thailand, warum sollte ich dahin wollen? Wirklich soviel Abwechslung? Gut überredet! Warum will ich nochmal gleich nach …Österreich zurück? Ja meine Neugier ließ sich schnell faszinieren von den Geschichten meines Freundes Mario, der mir diese Welt unbedingt zeigen wollte. Ich bin ihm sehr dankbar mich überredet zu haben wie auch dem exotischen Lüftchen, dass meinen pixel-lastigen Arbeitsalltag zunehmend mit Vorfreude zu versüßen wusste. Und diese Vorfreude würde sich heute beschämt in eine Ecke stellen, wenn es die Begeisterung während und vor allem die „Nachfreude“ dieser Reise kennenlernen würde, die besonders dann erwacht, wenn man das Erlebte auf heimischen Boden erzählen darf.
Das Ankommen
Das Ankommen ergibt sich schneller als der 12 Stündige Flug, denn der Charakter Thailands verrät sehr schnell, dass sich hinter der Werbeprospekt-Fassade ein reiches, geistiges, kulturelles und soziales Kapital verbirgt, das dem westlichen Lebensentwurf zahlreiche Fragezeichen entgegen schleudert, auch wenn diese durch die Beliebtheit an whitening creams etwas an Farbe verloren haben. Der Kapitalismus zieht auch hier seine Kreise und verschont nicht mal den Bauchumfang buddhistischer Mönche, wohingegen Espressomaschinen wiederum eine gelungenere Errungenschaft darstellen.
Nicht nur Backpacker finden hier ein Paradies an billigen Massenwaren vor, sondern auch Bitcoin Schöpfer wie Amir, einem russisch-armenischen Jüngling, der sich am Strand von Railay vom Elektrosmog und Rechner-Gesäusel erholte.
Aber zwischen all den modernen Gebäuden und den Straßenständen, verstecken sich die Gesichter von Familien, blauäugig schnurrende Schattengeschöpfe, Königsbilder, bunte Blumengirlanden, detailverliebte Tempel – auch Wat genannt – oder Geisterhäuschen. Die unsichtbaren Wesen nehmen einen nicht unwichtigen Stellenwert im Leben zahlreicher Thais ein und erinnern an den Animismus, der in der vorbuddhistischen Zeit herrschend war, wie uns Mister Ann erzählte.
Affentanz zwischen Mangroven
Man würde ihm zutrauen zu dem beliebtesten Fremdenführer von Krabi ernannt zu werden, schon alleine seiner Facebook Anhängerschaft nach zu schließen. Vom Nachtzug zum großen Bus zum Minibus in das Boot von Mister Ann, welches zu dieser Zeit leider nicht seines war, aber immerhin von seiner Passion ausgefüllt wurde. Einst war er ein fester Bestandteil eines Hotelmanagements, bis ihm der Tsunami 2004 auf dem Meer überraschte und auch seine Überzeugungen umwälzte. Seither kümmert er sich nur noch um seine Familie, die schwimmende Fischfarm, die eine wichtige Einnahmequelle auf seiner Insel Ko Klang darstellt, sein Reisfeld und regelmässige Touristenführungen durch seinen schwimmenden Wald, der seit je her als wichtiger Schutzwall gegen Naturgewalten respektiert wird.
Menschen und Mangroven ähneln sich in gewisser Art und Weise. Bricht man ein Stück ab und steckt dieses in den Boden wächst dieses weiter, aus Überlebenswillen oder zwecks Bodenhaftung. Sie wandern und bieten einen Lebensraum für allerlei Getier, oben die Äffchen unten die Wasserschlangen.
Das Gleiten des Bootes unterbrach er lediglich, um uns seine Schützlinge vorzustellen – eine Gruppe Makaken, die sich von ihm mit Cracker und Soße bestechen ließen, die er uns ohne jeglicher Vorwarnung in die Hand drückte und die ohne großes Zögern in den Backen der kleinen Primaten verschwand. Er kennt ihre Familiengeschichte genau so gut wie ihre kulinarischen Vorlieben.
Nicht nur in diesen Wasserwäldern, wo Krabbenfallen auf ihre Beute warten, nimmt Mr. Ann besonnen Anteil, sondern auch auf seiner Insel auf welche er uns mitnimmt. Wir sind seine Gäste und voller Stolz führte er uns in ein Gebäudekomplex hinein, zwischen schlafenden 5 Jährigen hindurch, zu Klassen wo sich Kinder bis zum 14 Lebensjahr dem Unterricht oder den Achselhöhlen des Sitznachbarn hingaben. Mit ökonomischen Geschick hatte Mr. Ann der Schule zur neuen Blüte verholfen, die so zusammengeräumt wirkte, dass es sogar meine Großmutter andächtig stimmen würde.
Die Kleinen und Großen schienen es bereits gewöhnt zu sein Besuch zu bekommen, was sie aber nicht davon abbrachte uns großäugig zu begutachten.
Ein Potpourri an Pfahlhäusern, Holzhütten und Ziegelbauten verstreuten sich auf einer beschaulichen Fläche unter den hohen Palmen und anderen tropischen Gebäum. Nur die Reisfelder und das Meer begrenzten diese Insel, dessen Erträge aber viel weiter reichten als ihr Name. Die Menschen, allesamt Muslime, begegneten uns mit einem lächelnden Ausdruck, der durch eine gemächliche Gangart unterstrichen wurde. Ob es das Leben dort an sich war oder unsere Köpfe, die sich nicht so ganz an die gnadenlose Sonneneinstrahlung gewöhnen wollten, kann man im Nachhinein leider nicht mehr feststellen. Es war Ramadan und die Frauen und Kinder warteten mit einem Aufgebot an vorgekochten Currys, in Bananenblättern gehüllten sticky rice, kleinen Kokoskonfekt und allerhand mehr, was der Blick nicht mehr zuordnen konnte, da der Magen stimmliche Mehrheit erlangt hatte und wir einige Köstlichkeiten probieren durften. Leider, denn wie es dem Essen in ganz Thailand zuzurechnen ist, setzt sich dieser frische Geschmack in jeder Gedächtniszelle fest.
Lonely Island
Das Frauen das dominanteste Utensil in der einheimischen Küche darstellen, begegnet uns auch auf Koh Jum, einer kleineren Insel jenseits von Krabi, die sich erst seit zwei Jahren des elektrischen Stromes erfreut. Rosa ist eine kleine Frau, die nicht nur gerne lacht, ihren Gästen gern übergroße Portionen vorsetzt, sondern auch großartige Pizzas bäckt (insofern sie die einzig Mutige ist, die sich der Herausforderung stellt) . Einer ihrer Jünger ist Robin, ein ausgewanderter US-Hippie der 60er, dessen Falten jeweils ihren eigenen Charakter hervorzubringen vermochten.
„I called you 20 minutes before, is the pizza already ready?“. Rosa sah von ihrem Fernseher auf und begann kopfschüttelnd laut zu lachen, bevor sie sich an die Arbeit machte. Eine Minute später saß er bei uns am Tisch und erzählte und den Weg, der ihn nach Thailand geführt hatte. Aufgewachsen in Hollywood, verfiel er dem big fishing und in den 60er Jahren war er stolzer Besitzer einer hawaiianischen Weedfarm, die ihm dann einige Zeit seiner Freiheit kostete, als er dafür verhaftet wurde. Nach dem Tod seiner kranken Mutter, die er lange pflegte, versuchte er zunächst in der Karibik sein Glück, bis dass er in Thailand seinen regenerativen Neuanfang fand. Er wollte mit den kapitalistischen Denken in den USA nichts mehr zu tun haben und verliebte sich deshalb Hals über Kopf in einen schiefen blauen Bungalow, mit Meerblick und Outdoor-Toilette. Unterhalb seiner nougatbraunen Glatze spiegelten sich noch zahlreiche Geschichten, die er mit einer ausgeprägten Gestik zum Besten gab.
Wenn er von der Insel sprach, sprach er von seiner Familie und wenn er von seiner amerikanischen Heimat sprach, sprach er von verlorenen Werten.
Institutionen findet man auf Ko Jum in Form von gesellschaftsrelevanten Menschen, wie der einer älteren wohlgenährten Frau, die sich gern den Problemen anderer annahm und deshalb wohl genau so viel Macht besaß wie jeder männliche Chief. Koh Jum eine Insel, wo selbst die Moskitos noch nicht all zuviel touristisches Blut aufgetischt bekommen haben.
Im hohen Norden
Chiang Mai beherbergt ein gelassenes Chaos , indem sich jede kosmopolitische Seele wohlfühlt, mit seinem biologisch angepriesenen Essen, seinen Spa’s und anderen Angeboten für Körper-Geist und Seele. Ich denke das Fremderleben hier befindet sich in einer besonderen positiven Ausgewogenheit, die womöglich die eigene Suche nach Ergänzungen zum gewohnten Lebensstil widerspiegelt. Die Stadt gleicht einem wohnlichen Zusammenspiel aus Teppich, Vorhängen und Pölstern, die dem Raum das gewisse einladende Etwas geben. Die miteinander gut verwobenen Kultureinschläge und die geschmeidige Infrastruktur weckt die Schlenderlust. Beatles-Klänge unterbrechen den Spaziergang, deren Beats aus improvisierten Musikinstrumenten stammen, die aus nichts anderem zusammengesetzt sind, als aus leeren Kübeln, Bottichen und Tonnen. Der Straßenmusiker dahinter strahlt wie der Milchschaum auf dem selbstgerösteten Kaffee, der im Norden keine Seltenheit ist.
Hier wagt man sich auch in die Gewässer der Selbstironie. Hübsche Frauen die in Bars Bändchen mit kleinen feinen Sprüchen wie „I love Ladyboy’s“ oder „Rape me“ verkaufen. Auch wenn die meisten Touristen etwas verwirrt auf die angebotene Ware reagieren, konnte man durchaus beobachten, wie
sich manche doch zu solch einem moralisch wertvollen Reisesouvenir hinreissen ließen. Mit einem Lächeln versteht sich…
Ein krönender Abschluss unserer Reise, mit einem neuen intravenösen Selbstzugang und den vielen subjektiven Bildern, die deine Erfahrungen umsäumen und einem auch über das Phänomen Angst zum Nachdenken bringen.
Denn was man da so sah versetzte dem eigenen Sicherheitsbedürfnis einen Hexenschuss. Schon alleine wenn man überlegt mit welcher Fahrlässigkeit einem Aufpass-Bitten mit auf dem Weg gegeben und sogar in den Koffer gelegt werden, denn der Angstschweiß der sich mit Blick auf das Moskitospray bildet zieht wohl erst recht die Mücken an. Deshalb ist es fast natürlich, dass einem, wenn man seine Kindheit wohl behütet bei den Großeltern verbringen durfte, neben so manchen WC’s das Bild einer kopfschüttelnden Oma erscheint.
Das Moped welches ein beliebteres Fortbewegungsmittel bei kleinen Kindern darstellt als Rollerblades oder Skateboard, würde jede eingefleischte Nachbarin sofort zum Telefonhörer greifen lassen, vor allem wenn sich hinter dem grinsenden Jüngling noch eine Horde Mädchen auf dem Beiwagen befinden würden. Die Kunst des Mopedfahrens wird hierbei noch kunstvoll perfektioniert mit dem transportieren acht stöckige Kartonagenlagen an Eiern, zwei Säcke Reis oder drei bis vier Kindern. Und eine Glasscheibe mit zwei Mofas zu transportieren hält elegant die Waagschale mit so mancher Sitzposition für Schminkgeübte. Man kann es schwer beschreiben ob es ein Gefühl von Grundvertrauen oder Unbeschwertheit ist, das einem in den zahlreichen Gesichtern begegnet.
Fazit
Reisen schickt die eigenen Gedanklichen Grenzpatrouillen auf Urlaub und mästet sie mit Eindrücken und gutem Essen, sodass die straff sitzende Uniform allzu schnelle Bewegungen gar unmöglich macht. Ich weiß nicht wie es den meisten von euch da draußen geht, aber auch wenn das Gepäck schwer ist, wird der Kopf dafür umso leichter. Und da die alltäglichen Gedanken auf Diät sind, ist der Hunger auf Offenheit umso größer und die eigene Lebenswelt spiegelt sich unwillkürlich auf dem blank geputzten Teller. Und sei es auch nur das Kinosessel-verliebte Sitzfleisch, welches über die thailändischen, geerdeten Sitzgewohnheiten philosophiert. Auch wenn die weltoffen-anmutende Vorzeigbarkeit von Bangkok und Chiang Mai, einem vertraute Ähnlichkeit vorschmeichelt, so findet man sich trotzdem in der Suche nach dem kulturellen Eingeweiden, den alten Traditionen, der Geschichte, deren Zeh zwischen hybriden Weltanschauungen, zwischen Krating Daeng Fläschchen und Phum Geistern hervorlugt.
Eine Welt die sich ganz und gar von unserer unterscheidet und deren Begegnung vielleicht auch innerlich aufwühlt. Man fasziniert sich dann an dem ausgefeilten Handwerk, welches aus natürlichen Materialien kunstvolle Objekte zaubert, oder an den buddhistische Riten, die so ausgeschmückt Kleinteilig und so sehr mit dem Alltag verwoben scheinen. Man erwischt sich wie sehr man die Einfachheit bewundert, in der die meisten Thais leben. Schlichtheit benötigt Einfallsreichtum und einen Sinn für kreative Lösungsansätze, um der Natur wie auch der Vergänglichkeit der Moderne ein Schnippchen zu schlagen. In Thailand lernt man mehr als die Tatsache, dass Chilis nicht nur scharf sind, sondern auch „sexy“ machen. Thailand ist mehr als weiße Sandstrände und dem vergangenen Transpirationen Leonardo DiCaprios, die manche glauben in dem Meer vor Ko PhiPhi absorbieren zu können.
Vielleicht ist es das Geheimnis des Glücks, dass Reisen wie ein Weichspüler den Geist zu neuer Frische verleiht, die leichte Kleidung gepaart mit Schmutz das Gefühl von Freiheit suggeriert. Ja Freiheit ist schmutzig und schmeckt gut.
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Sehr schöner Bericht. War erst dieses Jahr für mehrere Wochen in Thailand u.a. auch in Bangkok. Kann es nur jedem empfehlen!
Sehr schöne Fotos und ein toller Bericht.
Großartig! Ich fand den Bericht sehr fesselnd, tiefgründig und zugleich in einem sehr erfrischenden Stil erzählt! Ich habe ähnliche Annäherungsprobleme mit Thailand gehabt und habe sie auch immer noch, aber ich durfte auch schon wunderbare Erfahrungen in den Rucksack packen.
Mir ging es jedoch anders, was die Wahrnehmung einer zum Westen diametral entfernten Welt anging; das lag allerdings daran, dass ich zuvor viel Zeit in Indien verbracht hatte und mir Thailand im Vergleich sehr westlich erschien.
Aber zugleich befindet sich unter der sehr touristischen Oberfläche noch immer eine faszinierende Kultur – das kommt bei Dir sehr schön rüber!
Würde mich freuen bei Zeiten wieder was von Dir lesen zu dürfen!
Liebe Grüße! OleanderTolle Fotos, toll geschrieben. Danke!
Danke schön!
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