Der moderne Mensch

Es hat sich schon eini­ges getan in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Wo sind sie denn hin, die Aus­stei­ger, Spät­hip­pies und “Steu­er­flücht­lin­ge”?

Schlen­der­te man vor eini­gen Jah­ren doch noch durch Gas­sen mit einem letz­ten Fun­ken Hoff­nung, noch eine Blei­be zu fin­den, frag­te sich mit Hän­den und Füßen durch, wo denn die nächs­te Mög­lich­keit sei etwas zu Essen zu bekom­men und wur­de dar­auf­hin freund­lich ein­ge­la­den, so hat sich heu­te eine Sze­ne ent­wi­ckelt, der man nur schwer ent­kommt!

In den grö­ße­ren Städ­ten, wie etwa Bang­kok oder Ho Chi Minh City, sind über­all Back­pa­cker­vier­tel ent­stan­den und die Taxi­fah­rer wer­den dafür bezahlt, um jeden Ein­zel­nen zu kämp­fen, damit die Gäs­te­häu­ser ihre Zim­mer voll bekom­men.

Dafür ist heut­zu­ta­ge Back­pa­cker nicht mehr gleich Back­pa­cker, auch wenn die­se meist einen Ruck­sack auf dem Rücken tra­gen und ohne Pau­schal­bu­chung durch die Welt zie­hen. Aus der Basis des dama­li­gen Back­pa­ckers sind vie­le Zwei­ge des Indi­vi­du­al­tou­ris­ten ent­stan­den:

Der pauschale Individualtourist

Ja, er möch­te auch die Welt sehen. Er packt sei­nen Kof­fer mit 5 Paar Schu­hen und Nobel­kla­mot­ten voll und geht auf gro­ße Rei­se. Abseits der Pau­schal­an­ge­bo­te möch­te er die Welt ent­de­cken um spä­ter daheim am Stamm­tisch gro­ße Wor­te zu rei­ßen.

Nach der Lan­dung im Ziel­land das böse Erwa­chen. Er hat­te sich das anders vor­ge­stellt!

Gut zu erken­nen ist die­ser an sei­nem Tro­pen­hut, sei­ner Guc­ci – Son­nen­bril­le und sei­nem kurz­ärm­li­gen Bru­no Bana­ni Hemd. Ver­schwitzt stürmt er in die Bank, vor­bei am Num­mern­zie­h­au­to­mat, schiebt die Schlan­ge am Schal­ter 1 zur Sei­te und schimpft: “What a f…, no ser­vice here in this f…….. coun­try!” Dem net­ten Ser­vice­per­so­nal ent­glei­sen alle lächeln­den Gesichts­zü­ge und er wird sofort bevor­zugt behan­delt. Mit einem hän­gen­den Kopf ver­lässt er dann nach 5 Minu­ten unver­rich­te­ter Din­ge die Bank, da er fest­stel­len muss­te, dass sei­ne Ame­ri­can Express Card hier in die­sem Land kei­ne Macht hat.

Irgend­wie tat er mir dann doch ein biss­chen Leid. Hof­fent­lich hat er einen Rück­flug gebucht, denn mor­gen muss er abrei­sen. Geld gibt es hier keins für ihn!

Der Trolly-Tourist

Ein Weltenbummler…zumindest in sei­ner Phan­ta­sie. Sein Rücken­lei­den macht ihm zu schaf­fen was ihn jedoch nicht vom Ver­such abhält, sei­nen Traum zu erfül­len!

Durch­schwitzt erreicht er das Spa – Guest­house oben am Hügel! Hin­ter ihm her­schlei­chend der Taxi­fah­rer, der ihm am Bus­bahn­hof auf­ge­grif­fen hat­te. Auf dem Rücken der Trol­ly des Tou­ris, an dem bereits das rech­te Rad fehlt. Ja, im Land der nicht vor­han­de­nen Geh­we­ge und hohen Bord­stei­ne war der zehn­te Sprung von der Bord­stein­kan­te einer zu viel für das tech­ni­sche Gefährt!

“Hot show­er? You have hot show­er! Awesome…and Yoga befo­re sun­ri­se? Wun­derfull. I will stay here!” Spä­ter fin­det man ihn auf dem Bauch lie­gend im Lie­ge­stuhl, wäh­rend auf sei­nem Rücken eine Thai­län­de­rin den Mas­sa­ge­tanz voll­führt!

Der Spiegelreflex-Tourist

Er ist der ers­te oben auf der Pago­de! Heu­te will er den Son­nen­un­ter­gang foto­gra­fie­ren; schön hin­ter dem Urwald! Zwei Stun­den bevor die Son­ne hin­ter dem Hori­zont ver­schwin­det baut er oben sein Sta­tiv auf und ver­bringt den Rest der Zeit damit, sei­nen Foto­ap­pa­rat aus­zu­rich­ten und die tech­ni­schen Ein­stel­lun­gen vor­zu­neh­men.

Mit der Zeit wer­den es immer mehr Leu­te, die eben­falls einen Blick her­ab vom Tem­pel ergat­tern wol­len! Krampf­haft und zor­nig ver­tei­digt der Hob­by­fo­to­graf sei­ne abge­steck­ten 40x40cm; und wehe es berührt einer sein Sta­tiv, dann war die gan­ze Jus­tie­rung der letz­ten zwei Stun­den für die Katz!

Ich habe ihn gebe­ten, er sol­le mir doch mal ein Bild per E‑Mail zukom­men las­sen! Scha­de, dass es total über­be­lich­tet war!

Die neu­es­te Unter­art die­ser Art des Rei­sen­den ist der

I‑Pad-Tourist

Die­ser ist mir bis vor kur­zem völ­lig fremd gewe­sen. Erkannt habe ich ihn bis heu­te noch nicht genau, da er meist mit bei­den Hän­den eine 10 Zoll gro­ße, schwar­ze Plat­te vor sei­nem Gesicht hält. Gele­gent­lich benutzt er eine Hand und haut damit auf die schwar­ze, dün­ne Plat­te, ohne jedoch einen Blick auf sein Gesicht frei zu geben!

Von hin­ten konn­te ich ein­mal einen Blick auf die­se Tou­ris­ten­art erha­schen und hat­te somit auch kur­zen Ein­blick auf die­ses selt­sa­me Gerät, das er krampf­haft vor dem Gesicht balan­ciert! Er macht damit FOTOS!IPad Tourist

Der Party-Backpacker

Im Hei­mat­land sind die Frei­hei­ten ein­ge­schränkt. Er will unbe­dingt Par­ty machen – immer. Zuhau­se ist im ent­we­der meist der Tür­ste­her im Weg, der ihn nicht mehr in den Club lässt, oder die Poli­zei, die ihn, wie schon so oft, am nächs­ten Mor­gen in der Aus­nüch­te­rungs­zel­le auf­wa­chen lässt. Außer­dem kann er so unmög­lich wei­ter leben. Ihm wird das Geld knapp bei den west­li­chen, teu­ren Ein­tritts- und Geträn­ke­prei­sen.

Zuge­dröhnt, schie­lend und respekt­los mit nack­tem Ober­kör­per sitzt er im Bus Rich­tung Fäh­re. Sei­ne Freun­din neben ihm, nicht ganz so down, trägt ein Vang Vieng – River­tu­bing – Par­ty – Top. Er packt eine gel­be Plas­tik­son­nen­bril­le aus, setzt sie sich auf die Nase und ver­sucht sei­nen Kum­pel, der eine Sitz­rei­he vor ihm Platz genom­men hat und mit klei­nen Pupil­len sich gera­de eine Pil­le ein­schmeißt, irgend­et­was in lal­len­dem ame­ri­can – eng­lish zuzu­ru­fen. Die Reak­ti­on lässt auf sich war­ten.

Ich habe ihn aus den Augen ver­lo­ren. Hof­fent­lich ist er nicht von der Fäh­re gefal­len, dann kann er wei­ter die aus sei­ner Sce­ne ent­stan­de­nen Back­pa­cker – Par­ty­hoch­bur­gen, wie Vang Vieng (Laos), Bang­kok (Thai­land), Siha­nouk­ville (Kam­bo­dscha), unsi­cher machen!

Der Lonely Planet-Backpacker

Auf dem Rücken sein schwe­rer, voll­ge­pack­ter Trol­ly – Ruck­sack – All­roun­der abge­deckt mit einer Regen­schutz­hül­le. Auf­ge­näht eine unzäh­li­ge Men­ge Patches mit Flag­gen der jewei­li­gen Län­der die er bereits besucht hat.

Meis­tens hat er nur eine Hand frei, denn in der ande­ren hält er sei­nen 1400 Sei­ten star­ken Süd­ost­asi­en – Rei­se­füh­rer in dem er einen Fin­ger gesteckt hat, damit er den Ort im Buch sofort wie­der fin­det, an dem er sich gera­de befin­det.

Fra­gen­de Bli­cke schwei­fen umher und tref­fen die auf die Tou­ris­ten­ab­zo­cker, die sofort dar­auf reagie­ren und ihm für viel zu viel Geld ein Ticket andre­hen wol­len!

“Aber hier in mei­nem Lonely Pla­net steht 240 Baht für den Trans­port nicht 280”.

Irgend­wann kommt er dann doch noch an, an sei­nem “Best of Lonely Pla­net” – Guest­house und staunt über die her­un­ter­ge­kom­me­ne Bude! Ist wohl doch nicht so toll wie es im Buch beschrie­ben ist!

Der moderne Backpacker

Mit erhöh­ter, tech­ni­scher Aus­stat­tung (I‑Phone, I‑Pad, Net­book) ist sein Ruck­sack voll­ge­stopft um bloß nicht den Anschluss zur rest­li­chen Welt zu ver­lie­ren. Die paar Kilo mehr auf dem Rücken stö­ren ihn nicht und so reist auch er in die abge­le­gens­ten Win­kel der Welt. Schön im Dschun­gel am Fluss­ufer hat er sich in einem klei­nen Gäs­te­haus ein­quar­tiert und sucht ver­geb­lich den Licht­schal­ter. Kein Strom – sein ers­ter Schock. Nach­dem er sein Net­book geboo­tet hat, ver­liert er end­gül­tig die Fas­sung: “What´s up! No WIFI…!”

Am nächs­ten Mor­gen such­te er sich eine Blei­be in der Stadt – mit WLAN…

Eigent­lich sind wir alle, wir Back­pa­cker, irgend­wie ein klei­ner Teil von all denen. Jeder hat so sei­ne Vor­lie­ben und ver­sucht den Kampf der Rei­se so ange­nehm wie mög­lich zu bestrei­ten.

Reist mit Respekt und Hochachtung.

Ohne jeman­den in irgend­ei­ne Schub­la­de ste­cken zu wol­len, wur­de doch alles live erlebt und mit einem Schmun­zeln im Gesicht sei­ner, nicht unbe­dingt ernst­zu­neh­men­den, “Art” zuge­ord­net.

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Antwort

  1. Avatar von Patrick

    Sehr schö­ner Arti­kel!
    Soll­te man wirk­lich nicht alles zu ernst neh­men, schließ­lich ste­cke ich da auch irgend­wo drin 😉

    Über die iPad-Tou­ris­ten bin ich aber auch noch nicht hin­weg. Das sieht jedes Mal völ­lig bekloppt aus. Aber ich muss sagen: Das rie­si­ge Sofort­fo­to macht schon was her 🙂

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