Das Glück ist mit den Unerschrockenen

Eine Winterreise in die Islamische Republik Mauretanien

Mauretanien ist etwas für Entdecker/​innen, die Unbequemlichkeiten nicht fürchten. Weitab vom Massentourismus führt die Reise in eine der abgelegensten Regionen der Erde. Vom tosenden Atlantik ins Innere eines riesigen Landes, eine Million Quadratkilometer Wüste und viel spannende Geschichte.

Mau­re­ta­ni­en? Wo liegt das denn?“

Willst Du unbe­dingt gekid­nappt wer­den? Was um Him­mels Wil­len hast Du denn als Frau in einer Isla­mi­schen Repu­blik zu suchen?“

Soweit nur ein Aus­zug der Kom­men­ta­re von Freun­den und der Fami­lie, als ich von mei­nen Rei­se­plä­nen über Weih­nach­ten und Neu­jahr berich­te. Nicht Bali, nicht die Kana­ren. Nein! Das Ziel ist: Die Isla­mi­sche Repu­blik Mau­re­ta­ni­en. Dort arbei­tet mein Mann in einem Ent­wick­lungs­pro­jekt und wir wol­len gemein­sam mit sei­nem mau­re­ta­ni­schen Kol­le­gen die Wüs­te berei­sen, his­to­ri­sche Stät­ten besu­chen und natür­lich die Schön­heit der west­li­chen Saha­ra bestau­nen. Was mich dar­an reizt ist sicher­lich die rela­ti­ve Abge­schie­den­heit des rie­si­gen Lan­des und sei­ne wenig bekann­te Kul­tur und Geschich­te. Ein „Win­ter­ur­laub“ also, sehr weit weg von den tou­ris­ti­schen High­lights, noch dazu in eine Isla­mi­sche Repu­blik. Aber wie wuss­te schon Alex­an­der von Hum­boldt: „Die gefähr­lichs­te aller Welt­an­schau­un­gen ist die Welt­an­schau­ung der Leu­te, wel­che die Welt nicht ange­schaut haben.“ 

Paris

Flug­ha­fen Charles de Gaul­le am 19. Dezem­ber. Eigent­lich soll der Flie­ger pünkt­lich star­ten. Ich freue mich sehr auf die Rei­se, Flug­angst hin- oder her. Es zeigt sich aber, dass ich mit mei­ner Angst bis zum Start wohl noch ein biss­chen län­ger kämp­fen muss, denn der Start der Maschi­ne ver­schiebt sich immer wei­ter nach hin­ten. Das War­ten zieht sich zwei lan­ge Stun­den hin, aber die Zeit wird mir ver­kürzt, denn es geht leb­haft zu an Bord! Die meis­ten der Rei­sen­den kom­men aus dem west­afri­ka­ni­schen Gui­nea und wol­len nach Con­a­kry, der Haupt­stadt. Vie­le sind im „Weih­nachts­ur­laub“ und haben bereits mit ihren Kin­dern eine sehr lan­ge Rei­se aus den USA hin­ter sich, wo die meis­ten von ihnen leben und arbei­ten. Ich betrach­te mit Freu­de die Kin­der und die ele­gan­ten, üppi­gen und schö­nen Frau­en, die in glän­zen­de Gewän­der gehüllt ver­su­chen, mit mehr oder weni­ger Erfolg ihre von der lan­gen Rei­se auf­ge­kratz­ten Kin­der zu beru­hi­gen. Die Stim­mung an Bord ist gut, man steht im Gang, plau­dert mit­ein­an­der und lacht. Dann knackt und rauscht es und die sono­re Stim­me des Pilo­ten ver­kün­det den bal­di­gen Start!

Zwischenfall im Wüstenflughafen

Etwa sechs Stun­den dau­ert der Flug und führt über die Stra­ße von Gibral­tar, ent­lang der west­afri­ka­ni­schen Küs­te. Wir lan­den am Spät­nach­mit­tag in der tris­ten Ein­öde nörd­lich von Nouak­chott, der Haupt­stadt Mau­re­ta­ni­ens. Die Zeit­um­stel­lung beträgt zur Win­ter­zeit eine Stun­de. Als ich den Flie­ger ver­las­se, wer­de ich von der Hit­ze fast erschla­gen. Oben­drein ren­nen nun alle Pas­sa­gie­re los, um rasch eine „Car­te d‘Immigration“, das Ein­rei­se­for­mu­lar zu ergat­tern. Nach­dem die­ses For­mu­lar aus­ge­füllt ist, muss man wei­ter in ein win­zi­ges, sti­cki­ges Kabuff, wo ein freund­li­cher Mann stolz mit sei­ner Digi­tal­ka­me­ra ein Por­trät-Foto schießt und die­ses gemein­sam mit dem Visum in den Rei­se­pass klebt. Nun soll­ten die For­ma­li­tä­ten eigent­lich erle­digt sein. Wäre mir nicht ein dum­mer Feh­ler in der Hek­tik unter­lau­fen! Ein biss­chen naiv habe ich unter der Rubrik „Pro­fes­si­on“ den Beruf „Jour­na­list“ ange­ge­ben. Das kommt nicht gut an! Der ers­te Zoll­be­am­te blickt irri­tiert, geht mit mei­nem For­mu­lar zu sei­nem Vor­ge­setz­ten, der mit einer Kalasch­ni­kow auf dem Schoß, sehr fins­ter drein schaut und mich wei­ter­schickt in einen fens­ter­lo­sen Raum, in dem ich vor Ziga­ret­ten­qualm kaum noch etwas erken­nen kann. Die­ser wird ver­ur­sacht von zwei uni­for­mier­ten Män­nern, die nach mau­ri­scher Sit­te lang aus­ge­streckt auf dem Fuß­bo­den lie­gen und rau­chen, was das Zeug hält. Einer von ihnen winkt mich her­risch zu sich her­an und ver­langt eine Erklä­rung. Kei­ne Fra­ge, Ange­hö­ri­ge der von mir ange­ge­be­nen Berufs­gat­tung sind hier offen­sicht­lich nicht wohl gelit­ten, haben doch vor eini­ger Zeit Jour­na­lis­ten in Mau­re­ta­ni­en auf­ge­deckt, dass hier durch­aus noch die Skla­ve­rei exis­tiert. So stamm­le ich also mit treu­her­zi­gem Blick etwas davon, dass ich „Jour­na­list“ nur als Hob­by ange­ge­ben hät­te, ich sei eigent­lich „Femme de mena­ge“ (Haus­frau) und wol­le nur Freun­de besu­chen! En tou­te sin­cé­ri­té! Ganz ehr­lich! Ein wei­te­rer sehr stren­ger Blick in mei­ne Rich­tung und nicht nur die äuße­re Hit­ze lässt mich gewal­tig schwit­zen! Dann aber wedelt er end­lich hoheits­voll und gön­ner­haft mit sei­ner schlan­ken Hand, die immer noch die Ziga­ret­te hält. Zu mei­ner unend­li­chen Erleich­te­rung zeigt die Ges­te in Rich­tung Aus­gang- und nicht in die Arrest­zel­le! Ich krit­ze­le also noch schnell die „Haus­frau“ ins For­mu­lar und mache dann, dass ich zum Aus­gang eile! Wäh­rend mir ein veri­ta­bler Gra­nit­bro­cken vom Her­zen fällt, mache ich mich auf in die Hit­ze der Wüs­te und auf den Weg in die Stadt Nouak­chott.

Der Platz des Windes

Der Name der Haupt­stadt Mau­re­ta­ni­ens bedeu­tet: „Der Platz des Win­des“ und kommt nicht von unge­fähr. Die in den 1960er Jah­ren nach Ende der fran­zö­si­schen Kolo­ni­al­zeit aus dem Boden gestampf­te Wüs­ten­stadt liegt direkt am Atlan­ti­schen Oze­an. Am Ende der Kolo­ni­al­zeit wur­de die Stadt 1958 an Stel­le eines Fischer­dor­fes errich­tet, um eine Haupt­stadt für das unab­hän­gig wer­den­de Land zu errich­ten. In den 1960er Jah­ren lag die Zahl der Ein­woh­ner noch im vier­stel­li­gen Bereich. Durch Land­flucht ist inzwi­schen die Ein­woh­ner­zahl auf geschätz­te 1.116.000 gestie­gen. So genau aber weiß das nie­mand. Amts­spra­che ist Ara­bisch, Fran­zö­sisch wird aber als Geschäfts­spra­che wei­test­ge­hend akzep­tiert und gespro­chen.

Nouak­chott ist – ganz ehr­lich – kei­ne archi­tek­to­ni­sche Per­le. Nied­ri­ge Bau­ten aus Lehm domi­nie­ren das Stadt­bild. Sel­ten hat ein Haus mehr als zwei Stock­wer­ke. Durch­bro­chen wird das Bild in den „bes­se­ren“ Gegen­den der Stadt durch eine höhe­re Stahl-und Glas­ar­chi­tek­tur, die will­kür­lich wirkt. Für uns Euro­pä­er unvor­stell­bar: Es gibt kein Katas­ter­amt! Jeder kann sich irgend­wo ein Fun­da­ment errich­ten und sozu­sa­gen sei­nen „Cla­im“ abste­cken. Nach dem Mot­to: „Hier ste­he ich, hier will ich sein!“ . Und über­all wird gebaut, sogar bis an den Rand der wun­der­schö­nen, roten Sand­dü­nen am Ran­de der Stadt. Oft aber steht dann alles leer. Grün gibt es kaum. Dat­tel­pal­men säu­men eini­ge Stra­ßen, viel­leicht noch die unver­wüst­li­chen Aka­zi­en, die mit dem salz­hal­ti­gen und tro­cke­nen Boden zurecht kom­men, da sie sehr lan­ge Wur­zeln haben. Gut gewäs­ser­te Bou­gain­vil­lea fal­len in üppi­ger, bun­ter Pracht über die Mau­ern der Vil­len, in denen die Gut­be­tuch­ten leben. Sie sind der ein­zi­ge Farb­klecks inmit­ten der alles domi­nie­ren­den Ocker­far­ben und des Wüs­ten­stau­bes, der die Stadt oft in eine sur­rea­le Atmo­sphä­re taucht.

Wie gut, dass vor dem Auf­bruch in die Wüs­te genü­gend Zeit bleibt, sich an Hit­ze, Staub und Mos­ki­tos zu gewöh­nen, und an den chao­ti­schen Stra­ßen­ver­kehr in Nouak­chott. Wir bewe­gen uns mit einem 25 Jah­re alten Toyo­ta-Gelän­de­wa­gen durch das hek­ti­sche Gewu­sel. Einem röh­ren­den, hoch­bei­ni­gen Unge­tüm das unver­wüst­lich zu sein scheint. Kaum gelingt es mir mit mei­nen knap­pen 1,60 m, ohne Lei­ter in die­ses Mons­ter hineinzukommen.Einmal aber drin, fühlt man sich sogleich wie in Abra­hams Schoß! Sicher, bequem und erha­ben sitzt man! Fahr­zeu­ge in allen Sta­di­en des Ver­fal­les beherr­schen den Stra­ßen­ver­kehr in Nouak­chott! Die Mer­ce­des-Dich­te ist bemer­kens­wert – wenn denn ros­ti­ge Wracks auf vier schlin­gern­den Rädern noch die­ser Mar­ke zuge­ord­net wer­den kön­nen. Es feh­len Stoß­dämp­fer, Schei­ben, Blin­ker sowie­so. Schein­wer­fer? Nicht nötig! Und wozu braucht man schon Blin­ker? Geht doch auch so! Man hält eben die Hand aus der nicht mehr vor­han­de­nen Tür. Abge­ris­se­ne Türen und Heck­klap­pen machen das Vehi­kel zu einem Schrott­hau­fen, den der ord­nungs­lie­ben­de Euro­pä­er fas­sungs­los betrach­tet. Die­se Autos wer­den vor allem vom guten Wil­len ihrer Besit­zer, sowie eini­ger ros­ti­ger Schrau­ben zusam­men­ge­hal­ten. Wir sind in Afri­ka, also drän­geln sich bis zu zehn Men­schen in die­sen Trans­port­mit­teln. Wo kein Platz ist, wird eben Platz gemacht! Dies ist eine afri­ka­ni­sche Devi­se, aus dem tie­fem Prag­ma­tis­mus gebo­ren, dass eben jeder noch ein Plätz­chen im fahr­ba­ren Unter­satz ergat­tern kann, wenn er nur schnell genug ist. Jede Rost­lau­be ist immer noch bes­ser, als bei 40 Grad im Schat­ten zu Fuß zu gehen.

Ein bra­ver, deut­scher TÜV-Meis­ter wür­de sicher­lich umge­hend beim Anblick die­ser Fahr­zeu­ge eine Ner­ven­kri­se erlei­den und sei­nen Job an den Nagel hän­gen. Denn hier gibt es nichts mehr zu prü­fen! „La chan­ce sou­rit aux auda­cieux“. Das Glück ist mit den Uner­schro­cke­nen, und das gilt erst recht für’s Auto­fah­ren in Mau­re­ta­ni­en!

Kulturelles und Kulinarisches

Früh am nächs­ten Mor­gen fah­ren wir zunächst ins Büro, wo mein Mann und sein mau­re­ta­ni­scher Kol­le­ge Mon­sieur Emane­toul­lah gemein­sam an einem Pro­jekt arbei­ten. Ich erfah­re spä­ter mehr dar­über, muss aber vor­erst vie­le Hän­de schüt­teln und noch mehr ziem­lich star­ken Tee mit Min­ze und noch mehr Zucker trin­ken. Die­ser Tee ist das Natio­nal­ge­tränk, so wie fast über­all in den Län­dern der Saha­ra. Man trinkt ihn wäh­rend des gan­zen Tages. Der Zucker­ge­halt aber ist bedenk­lich, eben­so wie in den über­all erhält­li­chen Soft­drinks. Nichts für Dia­be­ti­ker.

Die Mau­re­ta­nier sind umwer­fend gast­freund­lich! Bevor wir in die Wüs­te auf­bre­chen, sind wir ein­ge­la­den bei Mon­sieur und Madame EL *Mokhtar. Sie sind die lie­bens­wür­di­gen Ver­mie­ter mei­nes Man­nes und leben in einem weit­läu­fi­gen, küh­len Haus gleich neben sei­ner Woh­nung. Hier im Hin­ter­hof ist es herr­lich ori­en­ta­lisch. Die Pflan­zen wer­den vom Mama­dou, dem Haus­fak­to­tum, gewäs­sert. Er stammt aus Mali und arbei­tet als einer der zahl­rei­chen west­afri­ka­ni­schen Migran­ten hier in Mau­re­ta­ni­en. Ver­mut­lich nur gegen einen kar­gen Lohn und Unter­kunft in einer klei­nen Hüt­te. Dazu wird er ordent­lich von Sara, der Haus­häl­te­rin, her­um­kom­man­diert die min­des­tens alle hal­be Stun­de eine neue Auf­ga­be für den armen Kerl hat. „Dépê­che-toi, bon à rien, tu as enco­re la cour à balay­er“ (beei­le dich, du Nichts­nutz, du musst noch den Hof fegen!) ruft sie dik­ta­to­risch aus der Küche.

Fein gemacht sind wir: Mein Mann im blau­en Bou­bou, dem tra­di­tio­nel­len Gewand der mau­re­ta­ni­schen Män­ner; ich in einem wei­tem, bestick­ten Kleid mit lan­gen Ärmeln. Wir strei­fen vor dem Betre­ten des Hau­ses unse­re Schu­he ab und tre­ten ein in einen mosa­ik­ge­schmück­ten Salon und wer­den ins geräu­mi­ge Spei­se- und Wohn­zim­mer geführt. Hier ist auf einem nied­ri­gen Tisch ein­ge­deckt. Wir wer­den im Lie­gen, bez. im Schnei­der­sitz essen. Madame EL Mokt­har tritt ein. Eine beein­dru­cken­de Dame, groß gewach­sen, strahlt sie eine natür­li­che Wür­de aus. Sie ist wun­der­schön geklei­det in die „Mal­a­fa“. Die tra­di­tio­nel­len Frau­en­klei­der Mau­re­ta­ni­ens sind von gro­ßer Farb­fröh­lich­keit, egal ob es sich um die klas­si­sche Mal­a­fa oder west­afri­ka­ni­sche Klei­der han­delt. Die Mal­a­fa ist ein gro­ßes recht­ecki­ges Tuch, wel­ches kunst­voll um den Kör­per gewi­ckelt wird und den Kopf bedeckt. Das Gesicht aber bleibt unver­hüllt. Madame spricht zu mei­ner Erleich­te­rung recht gut eng­lisch, denn lei­der ist es um mein Fran­zö­sisch nicht so gut bestellt und oft muss daher mein Mann für mich dol­met­schen. Wir las­sen uns nie­der und dann betritt auch Mon­sieur EL Mokt­har den Raum. Ein eben­falls groß gewach­se­ner, ele­gan­ter Bank­di­rek­tor, in sei­nem indi­go­blau­en Bou­bou. Bald kommt das Essen. Zunächst wer­den Dat­teln auf einem gro­ßen, fla­chen Tel­ler als „Amu­se Geul“ gereicht. Danach folgt Cous-Cous mit reich­lich Lamm­fleisch. Man ißt mit den Fin­gern. Das Cous-Cous wird gemein­sam mit dem Fleisch zu einer Art Ball geformt und dann ver­speist. Für den Euro­pä­er etwas gewöh­nungs­be­dürf­tig. Den­noch: Es schmeckt köst­lich! Als Nach­spei­se gibt es Joghurt und Obst. Alko­hol ist in Mau­re­ta­ni­en strengs­tens ver­bo­ten, statt des­sen trin­ken wir „Juis de Ging­embre“, einen Ing­wer­saft so scharf, dass einem kurz­fris­tig der Atem stockt. Unver­zicht­bar als Abschluss: Der gezu­cker­te Tee. Besorgt erkun­di­gen sich unse­re Gast­ge­ber, ob wir denn auch genug geges­sen hät­ten? Soweit es mich betrifft, beschlie­ße ich ins­ge­heim für die nächs­ten Tage eine Fas­ten­kur.

Bereit für die Wüste

Früh am Mor­gen steht Mon­sieur Emane­toul­lah vor unse­rer Tür, mit einem erfreu­lich neu­en Gelän­de­fahr­zeug, wie ich zu mei­ner Erleich­te­rung fest­stel­le. Ich hül­le mich in mei­ne Scha­ma, einen an den Rän­dern bestick­ten Baum­woll­um­hang aus Äthio­pi­en, der mir auf der Rei­se in die Hit­ze und den Staub noch gute Diens­te leis­ten soll! Denn die­ser Stoff schützt vor Hit­ze eben­so, wie vor der mor­gend­li­chen Küh­le. Ein biss­chen Pro­vi­ant hat noch nicht gescha­det und so hal­ten wir an einem Super­markt, in dem es erstaun­li­cher­wei­se sogar Pro­duk­te aus dem deut­schen Ein­zel­han­del gibt. Haut­pfle­ge­pro­duk­te näm­lich einer bekann­ten, deut­schen Dro­ge­rie­ket­te! Der Teint soll ja nicht lei­den und so erwer­be ich eini­ge Töpf­chen Crè­me, auch um sie ggf. als Geschen­ke zu ver­wen­den. Frau­en lie­ben die­sen klei­nen Luxus, einer­lei aus wel­cher Kul­tur sie stam­men. Sol­cher­ma­ßen vor­be­rei­tet, erwar­tet uns eine lan­ge Fahrt durch 600 km Wüs­te, zunächst bis in die Stadt Atar. Es ist beru­hi­gend, ein kom­for­ta­bles Auto mit Kli­ma­an­la­ge zur Ver­fü­gung zu haben! In den 1930er Jah­ren hin­ge­gen hat eine sehr muti­ge Frau, die Bre­to­nin Odet­te du Pui­gau­deau, die­se Rei­se mit einem Kamel gemacht und genüg­sam mit den Noma­den in der Wüs­te gelebt. In ihrem fas­zi­nie­ren­den Rei­se­be­richt „Bar­fuss durch Mau­re­ta­ni­en“ hat sie ihre Erfah­run­gen fest­ge­hal­ten! Sie reis­te gemein­sam mit ihrer Freun­din Mari­on Séno­nes durch den gan­zen „Sudan“. Dies ist ein älte­rer Begriff für den Sahel (ara­bisch für „Ufer“), der das gan­ze Gebiet vom Atlan­tik bis zum Roten Meer umfasst. „Bilad as Sudan“ bedeu­tet: Die Län­der der Schwar­zen. Odet­te du Pui­gau­deau kam nie von der Wüs­te los. Sie starb 1991 in Rabat, Marok­ko.

Bis wir die Stadt Nouak­chott end­lich hin­ter uns gelas­sen haben, ver­geht eine gute Stun­de. Dann sind wir in der Wüs­te! Wun­der­schö­ne Dünen in allen Ocker­tö­nen und rotem Sand. Die ein­zi­ge Vege­ta­ti­on besteht aus eini­gen Aka­zi­en und Wolfs­milch­ge­wäch­sen, sowie klei­nen Kür­bis­sen, die aber für den Men­schen unge­nieß­bar sind und nur von Kame­len und Zie­gen gefres­sen wer­den. Ers­te­re gibt es in gro­ßer Anzahl. Hin-und wie­der erblickt man in wei­ter Fer­ne und flir­ren­der Hit­ze einen Kamel­rei­ter, der sei­ne Tie­re im Auge behält und sie zusam­men­treibt, wenn sie zu weit aus­ein­an­der­lau­fen. Kame­le sind aber Her­den­tie­re, sie ent­fer­nen sich sel­ten sehr weit von ihren Art­ge­nos­sen.

Der Geruch des Stau­bes ist süß­lich und nicht unan­ge­nehm. In der Kom­bi­na­ti­on mit der Hit­ze, fast ein biss­chen wie ein Joint. Mit­un­ter tau­chen auch Oasen auf. Hohe Dat­tel­pal­men ste­hen in Sen­ken, wo von der letz­ten Regen­zeit noch Was­ser übrig geblie­ben ist. Wie Mon­sieur Emane­toul­lah berich­tet, war die letz­te Regen­zeit unge­wöhn­lich ergie­big. Die Pal­men tra­gen daher vie­le Früch­te.

Mit der Tages­zeit nimmt die Hit­ze zu. Wir gön­nen uns eine kur­ze Mit­tags­pau­se. Emane­toul­lah kocht unter der schüt­zen­den Heck­klap­pe des Autos den Tee. Der Wind ist anstren­gend. Heiss und zeh­rend. Stil­le um uns. Ich lau­fe ein biss­chen hin­ein in die­se unwirt­li­che Land­schaft, die doch umso fas­zi­nie­ren­der ist, als dass der Mensch nicht abge­lenkt wird von Geräu­schen, Tele­fo­nen, Musik – all dem Gedöns der west­li­chen Wohl­stands­ge­sell­schaf­ten, das uns ja so unver­zicht­bar erscheint. Nir­gends ist man so sehr mit sich selbst kon­fron­tiert wie in der Wüs­te.

Ein­zig unschö­ner Aspekt: Nicht nur an Mee­res­ge­sta­den fin­det sich unfass­bar viel ange­schwemm­ter Plas­tik­müll. Auch hier, mit­ten in der Wüs­ten­land­schaft, die so unbe­rühr­bar und abge­schie­den erscheint, lie­gen immer wie­der Hal­den von Plas­tik, der auch hier in die­sem Kli­ma hun­der­te von Jah­ren brau­chen wird, um zu zer­fal­len. Plas­tik­fla­schen, Dosen, Tra­ge­ta­schen (dabei hat Mau­re­ta­ni­en inzwi­schen Plas­tik­tü­ten ver­bo­ten), alles Mög­li­che als Indiz dafür, dass auch hier die Kon­sum­ge­sell­schaft Ein­zug gehal­ten hat. Ein Gefühl der Trau­er über­kommt mich, dass auch hier der Mensch, die noch vor kur­zem unbe­rühr­te Natur ver­schan­delt, ohne Rück­sicht auf die wert­vol­le Flo­ra und Fau­na.

Atar

Wir errei­chen die leb­haf­te, klei­ne Stadt nach 500 km, durch­ge­schwitzt und müde. Unser Fah­rer fragt sich durch zu unse­rem klei­nen Hotel „Etoi­le du Nord.“ Es ist ein noch neu­es Gebäu­de und zur all­ge­mei­nen Ver­wun­de­rung wird der geräu­mi­ge Innen­hof gera­de gewie­nert und geschrubbt bis er glänzt. Dann wer­den reich bestick­te Tep­pi­che und Kis­sen aus­ge­legt. Man könn­te mei­nen, der Prä­si­dent Mau­re­ta­ni­ens habe sein Erschei­nen ange­kün­digt. Es ist dann aber „nur“ der fran­zö­si­sche Bot­schaf­ter, der kurz nach uns mit sei­ner Entou­ra­ge, zwei bewaff­ne­te Body­guards ein­ge­schlos­sen; im Hotel erscheint. Offen­bar reist er auf der glei­chen Rou­te wie wir.

Wir besich­ti­gen unse­re Zim­mer. Die sind sehr klein, aber immer­hin: Es gibt eine Dusche! Das ist der Luxus schlecht hin! Wäre nicht das schlech­te Gewis­sen über die Was­ser­knapp­heit, man könn­te Stun­den unter dem küh­len­den Nass ver­brin­gen! Wer Pro­ble­me mit Klaus­tro­pho­bie hat, für den ist die mau­risch, ara­bi­sche Bau­wei­se eher nicht geeig­net. Die Zim­mer sind klein und recht dun­kel. Es gibt zwar ein Fens­ter­chen. Gleich hin­ter die­sem befin­det sich direkt eine hohe Mau­er, die man nicht über­bli­cken kann. So soll die schlimms­te Hit­ze des Tages aus­ge­sperrt blei­ben.

Spä­ter essen wir in einem etwas schmud­de­li­gen klei­ne Lokal Nudeln und Huhn. Eine jun­ge Frau tut ihr bes­tes, uns satt zu bekom­men. Es gelingt ihr, wäh­rend ihr klei­ner Sohn mun­ter um uns her­um­tollt und dabei mit sei­nem klei­nen, quiet­schen­den Drei­rad öfters mal über unse­re Füße rollt. Kei­ner nimmt’s übel. Bei unse­rer Rück­kehr ins Hotel ist auch der Bot­schaf­ter offen­bar bereits schla­fen gegan­gen. Sei­ne mus­ku­lö­sen, wacke­ren Leib­wäch­ter sit­zen auf der Dach­ter­ras­se des klei­nen Hotels und wachen somit auch über unse­ren Schlaf.

Im Mor­gen­grau­en ste­hen wir auf, trin­ken schnell einen Kaf­fee und essen ein Crois­sant, bevor wir uns mit dem Schul­di­rek­tor Taleb und dem Schrift­stel­ler Bey­ro­uk tref­fen. Bei­de sind gute Freun­de von Mon­sieur Emane­toul­lah. Man hat gemein­sam stu­diert und nun ist Mon­sieur Bey­ro­uk sogar als Bera­ter für den Prä­si­den­ten Mau­re­ta­ni­ens tätig.

In Beglei­tung der Her­ren fah­ren wir nun hin­aus aus Atar und gelan­gen zu beein­dru­cken­den Rui­nen. Sie sind die Über­bleib­sel einer Fes­tung der Almo­ra­vi­den, einer Krie­ger­ge­mein­schaft, die sich als San­had­scha bezeich­ne­ten und den Islam maß­geb­lich in Mau­re­ta­ni­en eta­blier­ten. Dabei ler­ne ich neben his­to­risch inter­es­san­ten Fak­ten auch ein wah­res Wun­der aus der Pflan­zen­welt ken­nen: Den Mor­ing­a­baum, in Deutsch­land auch Meer­ret­tich­baum genannt. Nicht nur, dass die Samen die­ser Pflan­ze an die 20 Mal mehr Vit­amin C als jede Citrus­frucht ent­hal­ten. Was den Baum defi­ni­tiv zu etwas ganz Beson­de­rem macht, ist die Fähig­keit, der zu Pul­ver zer­rie­be­nen Samen, ver­schmutz­tes Trink­was­ser zu rei­ni­gen. Das Pul­ver bin­det im Was­ser ent­hal­te­ne Schweb­stof­fe und Bak­te­ri­en und sinkt mit ihnen zu Boden – zurück bleibt sau­be­res, trink­ba­res Was­ser.

Herr­lich küh­les, trink­ba­res Was­ser gibt es in der schat­ti­gen Oase von Ter­jit, weni­ge Kilo­me­ter ent­fernt. Dort gibt es ein Erho­lungs­res­sort unter hohen Dat­tel­pal­men. Es ist wie in einem Hol­ly­wood-Film! Wir las­sen uns in einer schö­nen Khai­ma, dem typi­schen Noma­den­zelt der Mau­ren zum Essen nie­der. Es gibt: Cous-Cous mit Lamm. Mei­ne geplag­ten Knie meu­tern etwas bei dem unge­wohn­ten Sit­zen in der Hocke oder im Schnei­der­sitz, aber ich will nicht unhöf­lich erschei­nen und unter­drü­cke den Schmerz. Nach dem Essen und dem Tee, unter­neh­men wir dann eine klei­ne Wan­de­rung in die Oase hin­ein. Es ist ein Fels­über­hang, der Schat­ten spen­det und des­sen Wän­de von Moo­sen und Flech­ten über­zo­gen sind. Dar­un­ter fließt glas­kla­res Was­ser, das man auch trin­ken kann. Die Luft ist kühl und duf­tet ange­nehm nach Jas­min. Die zahl­rei­chen, alten Dat­tel­pal­men spen­den uns Schat­ten. Es ist ein klei­nes Para­dies! Aber alles para­die­si­sche hat ein Ende. Da die Rück­fahrt nach Atar lang sein wird und wir sehr früh am kom­men­den Mor­gen unse­re Rei­se nach Chin­guet­ti fort­setz­ten wol­len, bre­chen wir auf.

Über die Berge nach Chinguetti

Früh am Mor­gen wer­den wir geweckt durch die Akti­vi­tä­ten des abrei­sen­den Bot­schaf­ters neben­an. Auch er will offen­bar auf­bre­chen. Mon­sieur Emane­toul­lah erwar­tet uns bereits etwas unge­dul­dig und fährt uns in ein Café, wo wir uns noch kurz mit süßen Rosi­nen­bröt­chen stär­ken, bevor wir durch die Ber­ge mit dem Ziel Chin­guet­ti los­fah­ren. Atar ist umge­ben von beein­dru­cken­den Ber­gen, die jedoch nicht höher wer­den als 800 Meter über dem Mee­res­spie­gel. Ein­zig­ar­tig ist jedoch die Geo­lo­gie! Hier gibt es Stroma­to­lithe. Es sind Ver­stei­ne­run­gen aus dem Prä­kam­bri­um. Sie sind ca. 1 Mil­li­ar­de Jah­re alt. Wun­der­schö­ne bläu­lich­graue bis kup­fer­ro­te Stei­ne, die aus Kalk­stein und Dolo­mit bestehen und kreis­för­mi­ge Mus­ter auf­wei­sen. Sie sind ver­mut­lich ent­stan­den durch kalk-aus­schei­den­de Cya­no­bak­te­ri­en die auf dem Mee­res­bo­den in rasen­ar­ti­gen Kolo­nien leb­ten. Prä­kam­brisch also, lan­ge bevor ein mehr­zel­li­ges, ske­lett­bil­den­des Leben über­haupt ent­stand. Die gebir­gi­ge Land­schaft wech­selt nun in eine fel­si­ge Hoch­flä­che an deren Ende die Stadt Chin­guet­ti liegt.

Die alte Wüs­ten­stadt Chin­guet­ti wur­de bereits im 13. Jahr­hun­dert gegrün­det und gilt als 7. hei­ligs­te Stadt des Islam. Sie zähl­te damals bereits 20.000 Ein­woh­ner und 11 Moscheen, deren wun­der­schö­ne, geschnitz­te Türen 6 bis 700 Jah­re alt sind. Der Name bedeu­tet „Brun­nen der Pfer­de“ und erklärt die Bedeu­tung Chin­guet­tis als wich­ti­ge Kara­wa­nen- und Han­dels­stadt in der west­li­chen Saha­ra. Sie war zwi­schen dem 17. und 20. Jahr­hun­dert das kul­tu­rel­le und reli­giö­se Zen­trum der gesam­ten Regi­on.

Spä­ter wur­de Chin­guet­ti Zen­trum für die Unab­hän­gig­keits­kämp­fer gegen die fran­zö­si­sche Kolo­ni­al­macht. Der alte Orts­kern war lan­ge Zeit kom­plett unter dem Sand der Saha­ra begra­ben. Er wur­de mit EU-Gel­dern wie­der aus­ge­gra­ben. Heu­te zählt die Stadt zum UNESCO-Welt­kul­tur­er­be.

Nach­dem wir unse­re Auber­ge „La Guei­la“ gefun­den haben, erkun­den wir ein wenig die Stadt.

Der ers­te Weg führt uns zum beein­dru­cken­den Muse­um von Al Ahmed Mah­moud. Der alte Herr führt mit gro­ßem Enga­ge­ment seit vie­len Jah­ren sein pri­va­tes Muse­um. Wir las­sen uns im licht­durch­flu­te­ten Innen­hof nie­der und hören sei­nen span­nen­den Aus­füh­run­gen zu. Er will uns dann, im küh­len Innen­raum die gedruck­ten Schät­ze vor­füh­ren, die er sorg­sam hegt und pflegt. Uralte isla­mi­sche Bücher, die vor meh­re­ren hun­dert Jah­ren ver­fasst wur­den. Al Ahmed beklagt den Umstand, dass sei­ne Regie­rung nichts unter­näh­me, um die­se Kost­bar­kei­ten ange­mes­sen zu schüt­zen und zu bewah­ren. Auch durch die UNESCO sei bis­her lei­der kei­ner­lei Unter­stüt­zung erfolgt. So ist er auf Spen­den von Tou­ris­ten und Gläu­bi­gen ange­wie­sen, um sei­ne Schät­ze zu bewah­ren.

Als wir durch den schma­len Aus­gang hin­aus in die Hit­ze kom­men, war­ten auf der Stra­ße zahl­rei­che Schmuck­ver­käu­fe­rin­nen auf uns. Eine nach der ande­ren stellt sich als „Lai­la“ vor. Die „Lai­la-Infla­ti­on“ kes­selt mich ein, so dass ich kaum noch Luft bekom­me. Ich wer­de ange­strahlt und mir wird ver­si­chert, wie schön ich sei; aber noch viel schö­ner wäre ich mit diver­sen Ket­ten und Arm­bän­dern, mit denen die Lai­las mich mich unge­fragt behän­gen bis ich mir vor­kom­me wie der viel-bemüh­te Weih­nachts­baum. Es müs­sen so an die 20 Frau­en sein, die sich um mich drän­geln und so lang­sam bekom­me ich Atem­not. Ganz ger­ne wür­de ich mir den Schmuck in Ruhe angu­cken, aber die Frau­en wol­len ja alle was ver­kau­fen. So feil­sche ich qua­si aus Not­wehr um zwei Hals­ket­ten. Nun aber geht der Tumult um mich her­um erst rich­tig los. Schluss­end­lich ist es unser Fah­rer, der mich mit­hil­fe sei­ner männ­li­chen Auto­ri­tät aus der Men­schen­men­ge befreit.

Zurück im Auto beschlie­ßen wir, in die berühm­ten Sand-Dünen von Chin­guet­ti zu fah­ren. Ein Aben­teu­er! Roter Sand, wohin das Auge blickt und eini­ge Male den­ke ich, wir fah­ren uns fest in dem tie­fen Sand. Aber unser Fah­rer fährt wie der Teu­fel! Es ist ein wil­des Geschau­kel, aber sicht­lich macht ihm das einen Rie­sen­spaß. Mei­ne Band­schei­ben hin­ge­gen rufen deut­lich nach Erbar­men, aber wie soll ich das dem begeis­ter­ten Emane­toul­lah nur ver­mit­teln? Schließ­lich ist er der Chauf­feur und genießt den Aus­flug sicht­lich. Dann aber ruft ihn das Gebet, er hält und rollt sei­nen Gebets-Tep­pich aus. Für uns ist es eine ange­neh­me Pau­se im Schat­ten einer wun­der­schö­nen, alten Aka­zie. Medi­ta­ti­ve Stil­le! Nichts, kein Geräusch stört die Ruhe um uns. Und dann, eine Fata Mor­ga­na? Im Flim­mern der Hit­ze tau­chen in der Fer­ne Kame­le auf. Je näher sie kom­men, um so mehr kann man erken­nen, wie präch­tig geschmückt die Tie­re sind. Auf einem Kamel sitzt ele­gant und läs­sig ein jun­ger Mann. Ein Hir­te, der auf sei­ne kost­ba­ren Tie­re Acht gibt. Wir bie­ten ihm Tee an, den er ger­ne annimmt. Dann meint er, es kön­ne nicht scha­den, wenn wir ein wenig auf sei­nem Kamel rit­ten. Gesagt, getan. Auf geht es in luf­ti­ge Höhen und das ist wört­lich zu neh­men, denn so ein aus­ge­wach­se­nes Tier hat eine Rist­hö­he von 2,5 Metern. Das Kamel lässt sich also auf Kom­man­do sei­nes Her­ren nie­der. Es brüllt. Ich stei­ge in den Sat­tel. Das Kamel soll auf­ste­hen. Es brüllt. Kame­le brül­len aus Prin­zip hat man den Ein­druck. Ange­strengt ver­su­che ich nun also hoch oben das Gleich­ge­wicht zu hal­ten, wäh­rend sich das wür­de­vol­le Tier zunächst auf sei­ne vor­de­ren Knie stützt, um dann die Hin­ter­bei­ne ganz zu erhe­ben. Dies bewirkt, dass der Rei­ter zunächst grob nach vor­ne gekippt wird, und dann, wenn das Tier sei­ne Vor­der­bei­ne ganz auf­ge­stellt hat, mit einem eben­sol­chen Ruck nach hin­ten geschleu­dert wird. Und wie­der meu­tern mei­ne Band­schei­ben! Isla­mi­sche Repu­blik hin-und her, ich schla­ge ein Kreuz, als ich end­lich vom Wüs­ten­schiff abstei­gen darf. Jetzt brau­che ich einen Tee. Der Hir­te und sei­ne Kame­le zie­hen wei­ter.

Der Hun­ger beginnt uns zu pla­gen und so stei­gen wir in unser „Wüs­ten­schiff“ auf vier Rädern ein, um uns in die Auber­ge „La Guei­la“ zu bege­ben. Die wun­der­schö­ne Her­ber­ge in Chin­guet­ti wird vom Ehe­paar Sidi Khat­try und Syl­vet­te Ceri­sey geführt. Die Ent­wür­fe für das Gebäu­de und die Innen­ein­rich­tung stam­men von Odet­te du Pui­gau­deau. Wir las­sen uns zu einem Begrü­ßungs­trunk im küh­len Atri­um nie­der, das von einer rie­si­gen Dat­tel­pal­me über­wach­sen ist. Der Drink ist natür­lich alko­hol­frei. Bald kommt das Abend­essen und wir sind begeis­tert über die köst­li­che Mischung aus mau­ri­scher Üppig­keit und fran­zö­si­scher Raf­fi­nes­se. Aber ehr­lich gesagt: Ein küh­les Gläs­chen Weiß­wein hät­te das wun­der­ba­re Essen doch noch mehr ver­edelt. Dann zie­hen wir uns für die Nacht­ru­he in unse­re win­zi­gen Zim­mer­chen zurück. Das ein­zi­ge Geräusch wäh­rend der Nacht kommt von den rie­si­gen Flug­hun­den, die auf nächt­li­chen Beu­te­zug gehen. Nach Son­nen­auf­gang wol­len wir auf­bre­chen, um uns in der Umge­bung von Chin­guet­ti noch Fels­zeich­nun­gen anzu­se­hen, bevor die lan­ge Rei­se zurück nach Nouak­chott beginnt.

L’Oceanide-Erholung am Atlantischen Ozean

Wir sind erschöpft von der lan­gen und stau­bi­gen Rück­fahrt, aber erfüllt von all den Erleb­nis­sen in der Wüs­te. Wer hat schon noch die Gele­gen­heit, solch ver­steck­te Win­kel der Erde zu erkun­den. Lie­bend ger­ne wür­de ich noch blei­ben, um zum Bei­spiel in ein Natur­schutz­ge­biet am Sene­gal­fluss zu fah­ren. Jedoch nahen der Jah­res­wech­sel- und somit mei­ne bal­di­ge Abrei­se. Für Sil­ves­ter beschlie­ßen wir die Nacht am Atlan­tik in einer Khai­ma, dem mau­re­ta­ni­schen Noman­den­zelt, zu ver­brin­gen. Das Zelt befin­det sich direkt am Pla­ge de Sul­tan, einem wie es scheint end­lo­sen Sand­strand. Hier gibt es auch das L’O­cea­ni­de, ein zau­ber­haf­tes klei­nes Strand-Lokal, in dem es knack­fri­sche Fisch­ge­rich­te gibt. Das kal­te Was­ser des Atlan­tik ist sehr nähr­stoff­reich, daher ist ist das Meer ent­lang der mau­re­ta­ni­schen Küs­te auch sehr reich an Mee­res­tie­ren. Nach dem Diner zie­hen wir uns in unser Zelt zurück. Geschla­fen wird auf aus­ge­roll­ten Tep­pi­chen auf dem Sand. Bes­ser, man stellt sich gar nicht erst vor, was dar­un­ter alles so kreucht und fleucht. Zum Jah­res­wech­sel dann, köp­fen wir eine heim­lich besorg­te Fla­sche Wein. Die zahl­rei­chen wil­den Hun­de, die um unser Zelt lagern und die unse­re Akti­vi­tä­ten inter­es­siert beob­ach­ten, kön­nen ja zum Glück nichts aus­plau­dern. Sie lagern ganz dicht an unse­rem Zelt, als hät­ten sie beschlos­sen, uns in der Nacht zu bewachen.Geschlafen habe ich nicht viel in die­ser Nacht, allein schon wegen der tosen­den Bran­dung des Oze­ans. Früh am nächs­ten Mor­gen gibt es ein Petit Dejeu­ner im L’O­cea­ni­de und mit einer lan­gen Strand­wan­de­rung neh­me ich Abschied von Mau­re­ta­ni­en. Es war groß­ar­tig. Ich kom­me wie­der.

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