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Als zwei Schimpansen den Feldweg überqueren, freut sich der erfahrene Ranger wie ein kleines Kind. »Heute ist ein wunderbarer Tag, wir haben großes Glück«, sagt Robert Adaruku und setzt das Fernglas ab. Er strahlt so überschwänglich, als hätte er zum ersten Mal einen Affen gesehen. Ich kann die Begeisterung nur bedingt erwidern, kenne ich Schimpansen doch zumindest aus dem Zoo, und in der Wildnis braucht es immer erst eine Weile, bis man verinnerlicht hat, dass kein Zaun die Tiere gefangen hält.
Robert arbeitet seit fünfzehn Jahren im Queen-Elizabeth-Nationalpark im Südwesten Ugandas. Er weiß, dass die Schimpansen sich nur ganz selten aus dem Regenwald in der Kyambura-Schlucht in die offene Savanne begeben. Aber dort stehen die Feigenbäume. Die Affen klettern hinauf zu den Früchten.
Der Kyambura war für die Dörfer am Fluss immer schon eine wichtige Wasserquelle. Doch das Flusstal ist schmal, der Strom fließt schnell. Einmal, so erzählt es Robert, riss das Wasser den Menschen ihre Habseligkeiten fort. So kam der Kyambura zu seinem Namen, der »etwas nicht finden können« bedeutet. Es sind solche Mythen, die man als Tourist irgendwie seltsam bewegt aufnimmt.
SCHIMPANSEN ALS SEHENSWÜRDIGKEIT
Die Schimpansen-Population in der Schlucht stammt aus einem großen Waldgebiet südlich des Parks. Beide Gebiete waren durch einen Korridor verbunden, der vor mehr als dreißig Jahren unterbrochen wurde. Die Kyambura-Schimpansen lebten fortan isoliert und zunächst wild. An Menschen waren sie nicht gewöhnt. Nachdem in den unruhigen 1990er Jahren eine Uno-Friedensmission die ruandisch-ugandische Grenze sicherte, begann die Habitualisierung der Tiere. Und damit der Tourismus, an dem auch nicht nun partizipiere, indem ich unter einer brutalen Sonne auf Bäume mit Affen starre.
In der Kyambura-Schlucht kann es passieren, dass man nicht einen einzigen Schimpansen zu Gesicht bekommt, gerade jetzt am Nachmittag. »Morgens suchen sie Nahrung, rufen einander und streiten«, sagt Robert. Dann ist es nicht schwierig, die Affen aufzuspüren. Doch mit zunehmender Hitze werden die Schimpansen träge und ziehen sich ins Unterholz zurück, unsichtbar für ungeschulte Touristenaugen (wie meine), die schon Schwierigkeiten haben, einen Buschbock von einem Impala zu unterscheiden.
An diesem Nachmittag stoßen wir auf Schimpansen, bevor wir überhaupt in die Schlucht hinabgestiegen sind. Wir haben perfekte Sicht. Was für ein Glück.
Es sind diese unverhofften Begegnungen in der Wildnis, für die sich wohlhabende Menschen aus Europa beigefarbene Tarnkleidung zulegen und acht Stunden fliegen. Sie suchen Wildlife. Abends stoßen sie beschwingt mit einem Sundowner an und fühlen sie wie Hemingway. Safari-Afrika als exotisiertes Erlebnis für Besserverdiener.
EIN SOGENANNTES NATURPARADIES
Ich bin, wenn man so will, nur auf der Durchreise und auf dieser Reise wirklich kein typischer Safariurlauber. Ich komme von Norden aus den Rwenzori-Bergen, deren neblige Täler mich zerzaust und ausgemergelt freigegeben haben. Sieben Tage bin ich durch das unzugängliche Gebirge marschiert, bis auf den schneebedeckten Margherita Peak, und habe vier Kilo abgenommen. Ich kann das im Spiegel sehen.
Auf dem Weg nach Süden, in Richtung Ruanda, komme ich durch den Queen-Elizabeth-Nationalpark. Ich gönne mir eine Pause. Das Schutzgebiet liegt im Albert-Graben, dem westlichen Ausläufer des Ostafrikanischen Grabenbruchs, wo Regenwald, Papyrus-Sümpfe, Krater und Savanne aufeinandertreffen. Auch zwei großen Seen haben sich zwischen den Kontinentalplatten gebildet, Lake George und Lake Edward. Die Gewässer tragen wie der Park selbst die Namen ehemaliger Royals. Als die britische Königin 1954 ihre Kolonie Uganda besuchte, wurde der Nationalpark nach ihr benannt.
Die Besatzer gingen, der Name blieb. Auf die Unabhängigkeit 1962 folgte in Uganda wie in so vielen Ländern Afrikas bald eine Diktatur. Der Name Idi Amin steht für den stereotypischen Gewaltherrscher. Angesichts von Hunderttausenden Toten unter dem irren Regime des Feldmarschalls in den Siebzigern ist es eine Randnotiz der Geschichte, dass auch massenweise Wildtiere abgeschossen wurden. Doch die Bestände haben sich erholt. Der Artenreichtum im Queen-Elizabeth-Park ist heute dank der verschiedenen Ökosysteme so groß wie kaum sonst irgendwo im östlichen Afrika.
WILLKOMMEN IM AFRIKA-THEATER
Ich kann nicht leugnen, dass es nach den Strapazen der vergangenen Woche erholsam ist, hier drei Tage harmlosen Aktivitäten nachzugehen: Walking Tour zu den Schimpansen, Fahrt durch die Savanne, Bootsausflug zu Elefanten. Abends sitze ich im Speisesaal der Mweya Safari Lodge, wo die Nacht 400 US-Dollar kostet, und schlage mir den Bauch voll wie jemand, der eine Woche keinen Appetit hatte. Und tatsächlich war es ja so, wegen des anhaltenden Durchfalls in den Bergen.
Auch ich trinke jetzt meinen Sundowner, weil es nun einmal dazugehört, nach einem Safari-Tag einen Sundowner zu trinken. Man hat das irgendwo gelesen oder im Film gesehen und verinnerlicht, außerdem kühlt es den Körper herunter (glaubt man). Dann ist die Sonne auch schon untergegangen. Auf dem Rasen draußen vor der Lodge haben die Mitarbeiter ein Feuer entzündet, um das ein paar halbnackte Männer herumtanzen, während andere mit Trommeln den Rhythmus vorgeben. Jetzt führen sie also für die Urlauber das große Folklore-Theater auf, denke ich: das Afrika der Masken und Magie.
Tour Operator und Lodges wollen mich in einen Dämmerschlaf wiegen, in dem es keine Konflikte gibt, in dem Afrika als homogener, archaisch-mysteriöser Kulturraum existiert, wo die wilden Tiere aber eigentlich doch spannender als die Menschen sind. Sie verdienen damit gutes Geld, und wer bin ich, dies zu verurteilen? Aber ich merke, wie ich eingelullt werde, wie sich meine müden Glieder kaum gegen die Vereinnahmung wehren können, ich aber eigentlich weiter muss, mich wieder dem Land und seinen Alltäglichkeiten aussetzen, die eben nicht darin bestehen, für einen einheimischen Monatslohn auf Pirsch zu gehen. Safari-Afrika ist eine schöne Illusion.
DUNKLE WOLKEN, GOLDENES LICHT
Am nächsten Tag hat die Lodge aber zunächst einen Ausflug auf den Kazinga-Kanal organisiert. Die Wasserstraße verbindet die beiden Seen des Nationalparks. Vom Bootsdeck aus lassen sich ohne jede Anstrengung Elefanten, Hippos, Büffel und Krokodile beobachten, die am Ufer ihr Schauspiel aufführen.
An der Mündung in den Eduardsee haben sich Scharen von Wasservögeln versammelt: Pelikane, Kormorane, Goliath- und Schwarzhalsreiher. Der einzigartige Schuhschnabel zeigt sich nicht. Auf dem See wippt ein einzelnes Fischerboot vor einem Wolkenturm, der sich düster über dem anderen Ufer jenseits der Landesgrenze erhebt, als wollte er mahnend darauf hinweisen: Dies hier ist schon der Ostkongo. Wer den See überquert, verlässt die heile Safari-Welt und begibt sich hinein in jenes gefahrvolle Afrika der Konfliktgebiete, das vom flüchtigen Grundrauschen der Weltnachrichten konstruiert wird.
Noch einmal, früh am Morgen, lasse ich mich am nächsten Tag durch die Akaziensavanne fahren. Die noch tiefe Sonne überzieht die einsame Landschaft mit einem goldenen Schleier, der mit dem Aufziehen des Tages langsam ausbleicht. Die Lichtstimmung ist fast schöner als die wilden Tiere: Büffelherden stehen wehrhaft zusammen, eine Uganda-Grasantilope zeigt ihre Silhouette, Paviane hocken ungerührt von den Safari-Fahrzeugen gleich neben der Buschpiste. Ein letzter Morgen reinste Idylle. Ich lasse mich fallen in das gut organisierte Konzept des Game Drives.
Mittags lasse ich mich vom Mitarbeiter der Lodge an der Hauptroute in Richtung Südosten absetzen. Mein Aufenthalt im Queen-Elizabeth-Nationalpark ist beendet. Nun nimmt mich niemand mehr an die Hand und zeigt mir den Weg. Ich stehe am Straßenrand und warte auf den nächsten Minibus. Bis wohin fährt er? Unwichtig. Es geht mir darum, wieder unterwegs zu sein unter den Menschen, und diesem Umstand mehr Zeit und Bedeutung einzuräumen als einem schönen Fotomotiv. Vielleicht fängt damit das Reisen erst richtig an, doch wozu dogmatisch sein? Irgendwann schaue ich mir wieder einfach nur Löwen an.
Antworten
Da auf den Hügelchen Kakine oder Nagusokopire campen. Man muss einmal extra unterschreiben, wenn man das ohne Ranger machen will, aber im Normalfall ist man da dann wirklich allein und mitten in der Natur. In Nagusokopire gibt es häufig Löwenbesuch. Entweder für die An- oder die Abfahrt zum/vom Kidepo die östliche, beschwerliche Route über Kotido nehmen und nicht die schnellere über Kitgum. Fantastische Landschaft und statt 500 Touristen am Tag wie im QENP kommen da vielleicht 5 pro Woche durch.
Auch wenn Uganda für Safari-Tourismus nicht so ein klangvoller Markenname wie Südafrika, Botswana, Kenia oder Tanzania ist, so findet man Safari-Massentourismus längst auch da und am ehesten eben im QENP. Die Mweya Safari Lodge ist in der Gegend auch noch die mit Abstand größte Lodge. Wohl portionierte Safari-Massenabfertigung – auf hohem Komfortlevel. Aber natürlich findet man in der Gegend auch noch anderes. »Authentischeres« was ja heute letztlich auch fast alle suchen.… Ganz kleine Unterkünfte bei denen die nächstgelegene Google, OSM oder Tracks4Africa bekannte Piste Kilometer entfernt liegt.
Mehr unportioniertes Wildlife-Erlebnis findet man dann eher noch im Kidepo Valley, was aufgrund der mühsamen Anfahrt deutlich weniger frequentiert ist.
Kidepo Valley klingt super, danke für den Tipp!
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