Schwitzen und Fluchen

Die Men­schen sind am Meer. Ein­hei­mi­sche wie Tou­ris­ten. Nur ein paar Rent­ner spa­zie­ren gemäch­lich im Schat­ten der Häu­ser. Eine graubei­ge melier­te Kat­ze liegt unter einem gro­ßen Baum und schläft. Eine Fami­lie sitzt vor der Gela­te­ria. Eltern und Kin­der tra­gen alle einen Son­nen­hut.

An der Eis­the­ke hole ich mir drei Kugeln im Becher, wie immer Strac­cia­tel­la, Yoghurt und Wald­bee­re, dann set­ze mich an den Tisch neben­an. Schweiss­per­len lau­fen über mei­nen Rücken. Auf mei­nen Ober­ar­men erken­ne ich die ers­ten Anzei­chen eines Son­nen­bran­des. „Na toll, jetzt schon…“, den­ke ich mir und muss lachen.

Es ist Hoch­som­mer – und ich bin anschei­nend die Ein­zi­ge, die in die­ser Affen­hit­ze wan­dern gehen will- sechs Tage wohl­ge­merkt. Bevor ich auf­bre­che, genie­ße ich den lau­en Abend, sprin­ge in den Pool mei­nes Petit Hotels und mache es mir im Gar­ten gemüt­lich. Maja und Oth­mar gesel­len sich zu mir. Sie sind eben­falls Hotel­gäs­te und erklä­ren mir, dass sie mich ange­spro­chen haben, weil sie ger­ne frem­de Leu­te anspre­chen. Bei­de schät­ze ich um die Fünf­zig, bei­de sind gute Gesprächs­part­ner. Wir reden über die Ster­ne, über den Tod und das Leben, das Schick­sal, Glück und Unglück. Und irgend­wann, nach drei Glä­sern Rot­wein, kommt mei­ne bevor­ste­hen­de Wan­de­rung zur Spra­che.

„Spinnst du? Wan­dern tut man hier im Früh­ling oder im Herbst, aber doch sicher­lich nicht jetzt!“ Sie ver­stum­men kurz, schüt­teln ungläu­big ihren Kopf, fan­gen sich wie­der und bie­ten mir an, mich mor­gen mit zum Strand zu neh­men. Ihr Ange­bot ist ver­lo­ckend: Den gan­zen Tag faul am Meer lie­gen. Ich den­ke kurz dar­über nach, leh­ne dann aber lächelnd ab. Mein Plan steht.

Am nächs­ten Mor­gen schnü­re ich mei­ne Wan­der­stie­fel, schul­te­re den klei­nen Ruck­sack und mach mich auf den Weg. Wenn mei­ne Mama mich jetzt sehen könn­te, wür­de sie mir wohl am liebs­ten eine Ohr­fei­ge ver­pas­sen. Aber weil Mama so etwas nicht tut, wür­de sie mich statt­des­sen wild ges­ti­ku­lie­rend ermah­nen. „Viel Was­ser trin­ken, Son­nen­creme ein­schmie­ren und immer einen Hut tra­gen!“, hat sie mir seit Kin­der­ta­gen vor jeder Wan­de­rung ein­ge­flößt. Der Hut fehlt, aber ein Tuch tut es ja auch und so bin­de ich mir kur­zer­hand mei­nen Schal um den Kopf. Pro­blem gelöst. Nächs­tes Pro­blem: Nach nur weni­gen Schrit­ten läuft der Schweiß in Bächen hin­un­ter.

Ich wan­de­re, schwit­ze und flu­che. Ver­flu­che die Hit­ze, ver­flu­che mich selbst, ver­flu­che ASI Rei­sen. Letz­te­re tra­gen aber eigent­lich gar kei­ne Schuld, viel­mehr soll­te ich ihnen dank­bar sein, schließ­lich haben sie mich auf die­se Rei­se durch das Herz der Ser­ra de Tra­m­un­ta­na ein­ge­la­den… Den Zeit­raum habe ich selbst gewählt. Und ASI Rei­sen kann auch nichts dafür, dass es nun schon bei­na­he 12 Uhr Mit­tags ist. Statt­des­sen ist das so, weil ich es nicht geschafft habe, frü­her auf­zu­ste­hen. Obwohl ich weiß, dass sich die küh­len Mor­gen­stun­den am bes­ten für kör­per­li­che Anstren­gun­gen eige­nen…

Die nächs­ten Tage las­sen sich wie folgt zusam­men­fas­sen: Ich set­ze einen Fuß vor den ande­ren, tref­fe dabei wenig über­ra­schend nur sel­ten auf Gleich­ge­sinn­te. Sogar auf den Stre­cken des belieb­ten GR221 Wan­der­we­ges sehe ich meist kei­ne Men­schen­see­le. Ich genie­ße die Ein­sam­keit, die Ruhe, die Natur, den Blick über Täler und das dunk­le Meer, über die Land­schaft aus Oli­ven­hai­nen, geschwun­ge­nen Hügeln, Klip­pen und Küs­te. Ich über­nach­te in Fin­cas und in klei­nen Hotels, sit­ze abends mit einem Glas Rot­wein auf der Ter­ras­se und erfreue mich der fri­schen Luft, die sich etwas abzu­küh­len ver­moch­te. In Deiá, Soll­er und in Vall­de­mo­s­sa strei­fe ich durch die char­man­te Orschaft, kau­fe und schrei­be Post­kar­ten, set­ze mich auf den Rand des Dorf­brun­nens und tun­ke mei­ne Füße ins Nass. Auf dem Vor­platz eines urchigen Restau­rants kos­te ich von loka­len Spe­zia­li­tä­ten und bestel­le ein kal­tes Bier.

Zusam­men­fas­sung zusam­men­ge­fasst: Es geht mir unglaub­lich gut.

Es wer­den nur vier Wan­der­ta­ge. Zwei­mal las­se ich mich chauf­fie­ren, weil ich mal wie­der viel zu spät aus den Federn gehüpft bin und, wenn ich ehr­lich bin, weil ich ein­fach zu faul gewe­sen bin, um mich zu bewe­gen. ASI Rei­sen hat die gesam­te Wan­der­tour für mich orga­ni­siert. Den Trans­fer vom Flug­ha­fen, die Über­nach­tun­gen, das Kar­ten­ma­te­ri­al, sogar einen Gepäck­trans­port. Also muß ich nicht ein­mal viel schlep­pen! Unsport­lich wie ich bin, fin­de ich es aber trotz­dem genug anstren­gend und so habe ich also zwei­mal gemein­sam mit mei­nem Gepäck auf den Fah­rer gewar­tet, wel­cher dann nicht nur mein Gepäck son­dern auch mich ans nächs­te Etap­pen­ziel gefah­ren hat.

Es wur­den lus­ti­ge und schö­ne Auto­fahr­ten. Ehr­geiz ken­ne ich nicht und so kann ich über mei­ne eige­ne Faul­heit lachen. Genau das schät­ze ich so unge­mein an einer Rei­se, die man allei­ne tut – man kann sel­ber ent­schei­den, was man macht und wie man es macht und wann man es macht. Schon oft war ich allei­ne unter­wegs, aber noch nie so wie hier auf Mal­lor­ca. Nor­ma­ler­wei­se orga­ni­sie­re ich alles selbst und weil ich es nicht mag Plä­ne schon im Vor­aus zu fixie­ren, fin­det die gan­ze Orga­ni­sa­ti­on jeweils spon­tan vor Ort, also wäh­rend der Rei­se satt. „Wo schla­fe ich heu­te Nacht?“ „Wel­chen Ort besu­che ich als Nächs­tes?“
Die­ses Mal genie­ße ich es, an nichts den­ken zu müßen, nur zu sein, zu exis­tie­ren, einen frei­en Kopf zu haben.

Natür­lich trin­ke ich auch am letz­ten Abend ein Glas Wein, viel­leicht auch noch ein zwei­tes und irgend­wann den­ke ich an Maja und Oth­mar. Scha­de, dass ich ihre Tele­fon­num­mer nicht habe. Ich hät­te sie ger­ne ange­ru­fen und ihnen gesagt, dass es doch gar nicht so eine schlech­te Idee ist, im Som­mer auf Mal­lor­ca zu wan­dern. Ja, ich habe Son­nen­brand und ich habe in den ver­gan­ge­nen Tagen zig­tau­send Liter geschwitzt, aber nie schmeckt das Eis bes­ser, nie ist der Sprung ins Meer wohl­tu­en­der, nie ist der Blick in die Fer­ne atem­be­rau­ben­der, nie ist der Duft der Pini­en­wäl­der süßer, als am Ende eines anstren­gen­den, aber unglaub­lich schö­nen Wan­der­ta­ges.

Dan­ke ASI Rei­sen für die Ein­la­dung und für die Orga­ni­sa­ti­on die­ser Som­mer­wan­de­rung. Und Sor­ry, dass ich geflucht habe.

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Antworten

  1. Avatar von Martina

    Vie­len Dank für die schö­ne Beschrei­bung. Da bekom­me ich gleich Lust auf die Wan­de­rung. Mit dem Fahr­rad habe ich so eine Tour mit Gepäck­trans­port schon mal gemacht. Gut zu wis­sen, dass es das auch für Wan­de­run­gen gibt.
    Lie­be Grü­ße
    Mar­ti­na

  2. Avatar von Micheline
    Micheline

    Bin gera­de auf Mal­lor­ca und zu mich mit der Hit­ze schwer. Ich wan­de­re hier immer im Win­ter und im Früh­jahr und dach­te die letz­ten zwei Wochen, dass es für Wan­dern wirk­lich jetzt zu heiß ist. Aber weißt du,was ich mor­gen mache? Ich wer­de wandern,und es gibt nichts Groß­ar­ti­ge­res als die Dusche und das kal­te Bier danach!

    1. Avatar von Norah
      Norah

      Sehr gut Miche­li­ne! Genau, ein kal­tes Bier darf auf kei­nen Fall feh­len. Viel Spaß beim Wan­dern!

  3. Avatar von Ursula

    Dan­ke für die­sen Text und für das schö­ne Foto!

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