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Manch einem ist sie vielleicht schon mal als Huemul Circuit, Circuito Cerro Huemul oder als Huemul Trek über den Weg gelaufen. Alle Titel haben eins gemeinsam: sie beschreiben einen Vier-Tage-Trek rund um den Huemul. Und der hat es in sich!
Huemul Circuit – Spannung pur
Nach dem ersten großen Spannungsfeld bis zum dem Perito Moreno Gletscher und einigen unschönen Planänderungen, einer Magenverstimmung und leichtem Bus-Hick-Hack, haben wir es doch tatsächlich nach El Chaltén geschafft, um uns endlich in der Wildnis abreagieren zu können. In unseren Augen haben wir im Vergleich zum Torres del Paine Nationalpark sogar die spannendere Alternative gewählt, den Huemul Trek. Es wird kein einfacher Start in unsere Zwei-Monate-Wandern-Tour, das ist uns klar.
Schon von Deutschland aus haben wir mit dürftigen Informationen die wichtigsten Dinge eingepackt und voraus geplant. In Punta Arenas haben wir dann vor einigen Tagen unsere Rucksäcke bis zum Bersten mit Nahrungsmitteln, Gas und spontanem Zubehör voll gepackt. Das schien uns am schonendsten für unseren Geldbeutel. Wie wir feststellen, bekommen wir alles wichtige auch in El Chaltén. Nicht im Überfluss, aber ausreichend. Aber so wie wir, ist die ganze Grundausstattung auch mehrere hundert Kilometer nach El Chaltén unterwegs und somit unverschämt teuer. Alternativen gibt es hier kaum.
Die Vorfreude steigt mit jeder Minute. So ganz sicher, was uns erwartet sind wir zu keiner Minute. Noch am Vorabend der Wanderung diskutieren wir heftig, was und wie viel wir in unsere Rucksäcke packen sollen. Wie schon in Punta Arenas lassen wir am Ende wieder einen Sack voll mit »unnützen« und »sauberen« Sachen zurück. Wie sich nach der Wanderung herausstellen sollte immer noch zu wenig. Die Lehren hieraus werden uns dafür die ganze Reise begleiten und uns leichtere Rucksäcke bescheren.
Viel zu spät für meinen Geschmack gehen wir ein letztes Mal in unserem Apartment in ein ordentliches Bett. Die Spannung auf den nächsten Tag ist uns beiden sichtlich anzumerken. Christian macht sich höllisch Sorgen, da der Huemul Trek als »der schwierigste Trek in Patagonien« angekündigt wird. Was zeichnet nun den Huemul Trek aus? Huemul wird der Andenhirsch genannt, aber auch ein Gletscher in der Region. Beides ist hier nicht gemeint. Mit Huemul ist hier ein Berg. Um genauer zu sein, ein Berg mit 2677 Metern, südlich des Fitz Roy und nördlich des Lago Viedma. Der Berg ist eher unbekannt und es ist auch nicht unser Ziel, ihn zu besteigen. Unser Ziel ist es, ihn zu umrunden mit allem was dazu gehört: Gletscherflüsse durchqueren und überqueren, Feuchtgebiete trockenen Fußes überschreiten, Gletscher und Geröllfelder meistern und steile Abhänge überleben.
Ich kann verstehen, warum Christian sich Sorgen macht. Bisher haben wir nur einen Pfad auf dem GPS und einer Karte gesehen und viele gemischte Gefühle im Internet gelesen. Auch der Fakt, dass man im Besucherzentrum des Nationalparks vorsprechen muss, eine halbstündige Belehrung bekommt und die Ausrüstung begutachtet wird, macht das ganze nicht minder aufregend, aber für mich auch irgendwie attraktiv.
Tag 1 – und die Hüften schmerzen
Die Nacht ist unheimlich komfortabel; das Bett ein Traum, die Heizung seelen-wärmend und leider zu kurz, für mich zumindest. Unser Frühstück erwartet uns schon seit unserer Ankunft auf dem Küchentisch. Nicht gerade der beste Start in den Tag, aber der Pulverkaffee gibt immerhin sein bestes, uns wach zu bekommen. Wir schultern unsere Rucksäcke und schlendern die ersten 500 Meter noch entspannt durch die Straßen von El Chaltén. Und schon beginnt der Rucksack auf meinem Rücken leicht zu drücken. Am Buchladen mache ich einen kurzen Stopp, kaufe die obligatorische Karte und Christian kauft im Supermarkt einige Meter weiter unser Mittagessen für die nächsten vier Tage. Brot und Käse. Mehr sollte auch wirklich nicht mehr in den Rucksack. Er drückt immer noch und wird heute auch nicht mehr damit aufhören.
Wir wandern vorbei an der Bushaltestelle, über die Brücke des Río Fitz Roy und dann kurz rechts zum Besucherzentrum des Nationalparks. Dort müssen wir uns eine Präsentation mit Sicherheitshinweisen, Wegbeschreibungen und den Parkregeln anschauen, bevor wir uns für die Alu-Karabiner im Gepäck rechtfertigen müssen. Die beiden Ranger sind nicht glücklich, dass wir den vorgeschrieben Stahlkarabiner nicht dabei haben. Erst etwas Überredungskunst und das Angebot zwei Alu-Karabiner bei der Querung der Tirolesa zu nutzen, besänftigen die Gemüter. Die Karte, der Klettergurt und ein 20 Meter Seil werden nur ganz kurz betrachtet – eher ein Vollständigkeitstest. Bonus bekommen wir für ein GPS mit dem eingezeichneten Weg. Danach unterschreiben wir noch den Disclaimer und hinterlassen auf dem Formular unsere Daten für den Fall einer nötigen Rettung. Einen kleinen Schnipsel bekommen wir mit auf den Weg. Ihn müssen wir am Ende wieder zurückbringen, um unsere sichere Rückkehr zu bestätigen. Die Ranger verabschieden uns herzlich und wünschen viel Erfolg.
Ein letzter Blick auf die Wettervorhersage am Morgen sagte beste Bedingungen für die nächsten Tage voraus. Was wir auch hoffen. Nichts wäre schlimmer, wenn wir im Nebel oder Regen auf rutschigen und teilweise unmarkierten Pfaden unser Glück versuchen müssen. Der Himmel und die Sonne sagen uns zumindest für heute auch bestes Wetter voraus. Etwas zu viel für unsere winterweiße Hautfarbe aus Deutschland und so packen wir schon zum zweiten Mal heute die Sonnencreme aus. Es ist gerade Anfang November, Start der Saison und noch Frühling, aber die Sonne knallt und heizt uns langsam ein.
Uns erwartet uns ein stetiger Anstieg über die nächsten 10 bis 12 Kilometer. Fast 700 Meter geht es hinauf. Ein meist sanfter Anstieg durch anfangs trockene karge Landschaften, später durch Wälder und Hochmoore. Kurz vor dem höchsten Punkt kommen wir ordentlich ins Schwitzen. Es geht steil hinauf und die Rucksäcke sind bisher nur minimal leichter geworden.
Was uns bisher erstaunt, ist die Abwesenheit von anderen Wanderern. Bis auf eine Gruppe Studenten und ihrem Professor, die zum Aussichtspunkt und Gipfel »Loma del Pliegue Tumbado« sich einen Teil des Weges mit uns teilen, einer einsamen Wanderin mit Tagesgepäck und einem wenig gesprächigen Wanderer mit nur Kochtöpfen im Gepäck begegnen wir niemanden. Erst kurz bevor wir auf dem Zeltplatz »Laguna Toro« ankommen, begegnet uns eine Gruppe von Kanadiern, die von der 9‑Tages-Tour über das Eisfeld nach El Chaltén zurückkehren. Und als wir nach sechs Stunden Wanderung gegen 17:30 Uhr im Camp ankommen, treffen wir auf ein verlassenes Zelt. Zuerst fällt uns das Zelt gar nicht auf. Versteckt in einem kleinen Wäldchen in einer kleinen Felsbucht verstecken sich die einzelnen Zeltplätze hinter Holzbarrikaden als Windschutz. Erst als sich unsere Augen an den dunklen Wald angepasst haben, sehen wir das Zelt und finden auch einen passenden Zeltplatz für uns.
Wie sich bald herausstellt, sind es Rainer und Conny aus Deutschland. Sie sind mit dem gleichen Zeitplan auf dem Huemul Circuit unterwegs und ab hier unsere Weggefährten. Christian opfert sich noch ‚für klares Bergwasser zu sorgen und durchquert den eiskalten Río Túnel zwei Mal. Danach genießen wir einfach nur den Abend, essen Spaghetti und kriechen bei kühlen 5°C nach dem Sonnenuntergang in unsere Schlafsäcke.
Tag 2 – und es rutscht
Die Nacht bleibt ruhig. Dennoch treibt uns der bevorstehende Tag und die drückende Blase um 7 Uhr aus dem Zelt. Wir frühstücken Haferflocken mit Marmelade, trinken einen Kaffee und Tee und – naja mehr ist nicht vorgesehen. Mehr haben wir nicht dabei. Mein Magen bleibt leicht hungrig auf der Strecke und knurrt noch ein letztes Mal aus Protest, als wir das Zelt abbauen und den Rucksack wieder einpacken. Wir laufen uns noch die ersten ein-ein-halb Kilometer warm, bevor es wieder richtig kalt wird. Der Wasserspiegel des Río Túnel lässt es zu, ihn zu Fuß zu durchqueren. Wir sparen so nicht nur etwas Zeit an der Tirolesa, sondern ersparen Christian mit seiner Höhenangst auch die Seilfahrt über eine tiefe Schlucht.
So gerne hätte ich es gemacht, aber so ist es auf alle Fälle einfacher. Ich ziehe die Schuhe aus, die Socken folgen und auch die Hose muss weg. In Unterhose und ohne Sandalen wage ich den ersten Schritt. »Scheiße! Scheiße, ist das kalt!« Ich würde liebend gerne rückwärts wieder aus dem Fluss springen, aber der Weg führt nach vorne. Vorsichtig und langsam, um mir die Füße nicht an den großen Kieselsteinen zu stoßen, quere ich. In der Mitte zieht die Strömung kräftig, mit den Stöcken finde ich aber gut halt. Es ist fast unerträglich und die Kneippkur fordert mehr als nur leichte Schmerzresistenz. Am anderen Ufer kann ich mich kaum noch auf den Füßen halten. Erst die Socken und dann schnell auch wieder die Schuhe bringen schnelle Erleichterung.
Am folgenden Anstieg sind die Füße auch schon wieder warm. Wir passieren das gespannte Stahlseil und sind irgendwie doch froh nicht den Klettergurt und die Ausrüstung aus dem Rucksack hervorzaubern zu müssen. Spaß hätte es gemacht, aber auch viel Kraft gekostet, die wir an den Schutthängen auf der gegenüberliegenden Seite des unteren Río Túnel Gletschers dringend brauchen. Jeder Schritt in Richtung Gletscher lässt den Hang mit uns rutschen. Manchmal rutschen nur wir, manchmal rutscht gleich die Umgebung mit. Es kostet uns unglaublich viel Kraft, die knapp 1000 Meter und 150 Höhenmeter zum Gletscher abzusteigen.
Erst als wir Fuß auf den unteren Rand des Gletschers setzen, kommen wir wieder gut voran. Noch am Gletscher beginnt wieder unserer Aufstieg zum Paso del Viento. Lange drei Kilometer und 550 Höhenmeter später sind wir immer noch nicht am Pass angelangt. Der steinige, fast sandige Untergrund macht jeden Schritt anstrengender als er sein muss. Zum Glück drückt der Rucksack heute nicht mehr so sehr wie gestern. Aber anstrengend bleibt es trotzdem. Und so kommt es auch, dass ich einige hundert Meter vor dem eigentlichen Ziel fürs Mittagessen eine Pause beantrage und Christian sie gerne annimmt. An einem windgeschützten Ort mit ausgezeichneten Ausblick auf die beiden Gletscher Río Túnel, das weite Tal des Río Túnel selbst und die umgebenden Berge inklusive des Huemuls.
Knapp eine Stunde später steigen wir weiter auf. Es ist noch nicht überall abgetaut und so müssen wir lange Schneefelder am Hang queren und im Schnee teilweise selbst neu spuren. Die Kraft versickert heute im Geröll unter unseren Wanderschuhen. Erst als wir sichtlich angeschlagen den »Pass des Windes« auf 1422 Metern erreichen, belohnt die Aussicht auf den Patagonischen Eisschild alle Mühen. Wir liegen ausgezeichnet in der Zeit.
Es sind »nur« noch vier Kilometer zum nächsten Zeltplatz und das 485 Höhenmeter bergab. Das sollte in unter 1,5 Stunden zu schaffen sein und so setzten wir zur zweiten großen Pause des Tages an. Das Belohnungszentrum im Gehirn schüttet für diesen Ausblick so viele Glückshormone aus, dass die Kraft langsam wieder zurück kommt. Vor uns liegen 13.000 Quadratkilometer Eisfläche. Nicht alles des »Campo de Hielo Sur« sehen wir. 350 Kilometer von Norden nach Süden und 30 bis 40 Kilometer in Breite. Einfach nur enorme Ausdehnungen. Riesige Spalten durchziehen die Eisfläche. Überquerung? Sicher möglich, aber etwas für ziemlich Lebensmüde. Wir genießen die Landschaft, die Ruhe, die Natur. Jede Sekunde hier ist ein Genuss! Nach dem Perito Moreno Gletscher bzw. seiner Eisfront ist der Respekt für die riesigen Eismassen einfach nur enorm.
Nach 7:15 Stunden reiner Laufzeit und über zwei Stunden Pause erreichen wir das Camp »Paso del Viento« gegen 17:15 Uhr. Die Sonne steht noch hoch genug und so legen wir uns erst mal in die Sonne. Ausruhen, Sonne tanken und die Stille genießen.
Unsere Schuhe genießen die trocknende Sonne während wir unsere Füße noch schnell in den kühlenden Bach stecken. Unser Zelt bauen wir an dem kleinen See direkt am Campingplatz auf. Rainer und Conny tun es uns gleich und wir verbringen den Abend genussvoll am »Gaskocher«. Schöner wäre hier natürlich das Wort »Lagerfeuer« gewesen, aber die sind nicht nur verboten, sondern aufgrund des Holzmangels auch ziemlich beschwerlich.
Tag 3 – und es fehlt der Whisky
Christian betitelte diesen Tag mit »Trekker on the Rocks«. So viele Bedeutungen in einem so kleinen Satzfetzen. Aber dazu müssen wir wieder kräftig wandern. Der Tag 3 beginnt also wieder mit Frühstück, Zeltabbau und dem etwas ungeliebten Packen und Schultern des Rucksacks. Und zurück auf den Huemul Circuit!
Anfangs schlängeln wir uns fast höhenneutral durch die Berge. Kleinere Anstiege gleichen sich schnell wieder bergab aus. Entlang von kleineren und größeren Findlingen, durch moosige Flusstäler und über grasige Ebenen. Immer wieder taucht der Viedma Gletscher und das Eisfeld zu unserer Rechten auf und jedes Mal bleiben wir stehen und staunen. Immer klarer zeichnen sich fast parallele dunkle Linien auf dem Eis ab, die dem Gletscher sein einzigartiges, fast künstlerisches Aussehen geben.
Nach 11 Kilometern erreichen wir den »Paso Huemul«. Der Pass liegt eigentlich nur 100 Höhenmeter über dem Camp »Paso del Viento« auf 1004 Metern, aber über die Zeit haben wir seit dem Camp ordentlich an Höhe verloren und kommen an dem steilen Anstieg mit teilweise ausgesetzten Stellen ordentlich ins Schwitzen.
Als wir dann den Pass erreichen, sind wir komplett durchgeschwitzt und frieren. Der Wind zieht bis in die Knochen. Christian war vom letzten Stück des Weges nicht so begeistert und so machen wir erst mal hinter einer Felswand mit Blick auf den Lago Viedma Mittagspause. Wieder Käsesandwich. Es wird zwar langsam langweilig, aber sie tun ihren Job und machen satt. Uns überholen hier ein französisches Pärchen, das den Huemul Trek in drei Tagen durchzieht. Echt sportlich! Nach einem kurzen angenehmen Abstieg, führt der Weg in kleine Wäldchen oder soll ich eher sagen Sträucher? Wurzeln überall, der Rucksack bleibt an jeder Ecke an den harten Ästen hängen und zu allem Überfluss wird es plötzlich richtig steil.
Es fühlt sich fast so an als wolle der Weg einen direkt in den See mit seinen Eisbergen verfrachten. Sandig, rutschig und mit dem Gepäck eine Qual. Fast 700 Höhenmeter geht es insgesamt runter und nach einigen Kletterpassagen und Rutschpartien ist die Sättigung von Adrenalin im Blut bei mir fast erreicht. Als der Weg dann endlich wieder flacher wird, schlottern die Beine und verfrachten mich erst mal in einen Dornenstrauch. Noch Stunden später ziehe ich mir die kleinen fiesen Stacheln aus dem Hintern. Die anderen amüsieren sich prächtig und ich habe den Tag ziemlich satt. So steil und elend musste ich, glaube ich, noch nie absteigen. Wahrlich – Kein Spaß!
Dafür belohnt der Zeltplatz »Campamento Bahia de los Témpanos« direkt am See. Der Ausblick führt direkt auf den Viedma Gletscher und zu den Eisbergen im See. Wir können es uns nicht verkneifen einen Sprung in den See zu wagen. Es bleibt bei einer kurzen Aktion. Wir halten alle nicht lange im Wasser durch. Zum nächsten Eisberg schaffen wir es definitiv nicht, zu schwimmen. So kommt es uns ganz recht, das ein kleines Stück Eis angeschwemmt wird. Leider fehlt uns der Whisky für einen ordentlichen Schluck auf diesen Tag. Denn dieser Tag hatte es wirklich in sich!
Tag 4 – und der Spaß ist zurück
Schon den vierten Tag in Folge haben wir ausgezeichnetes Wetter. Die Sonne ist uns wohlgesonnen, der Wind noch mehr und Regen ist nicht in Sicht. Beste Voraussetzungen für einen letzten Tag am Huemul Circuit. Heute erwarten uns etwas mehr als 15 Kilometer und einige Höhenmeter. Mit etwas Wehmut verlassen wir den Zeltplatz mit der grandiosen Aussicht auf den Viedma Gletscher. Wir folgen dem Pfad entlang der Bucht und verlieren den direkten Weg an einem der vielen Kuh-Trampelpfade. Erst der Blick auf das GPS holt mich und Christian zurück auf den richtigen Weg, während Rainer und Conny, die kurz für ein Foto gehalten haben, noch eine kleine extra Rundtour auf der nahen Halbinsel machen, bevor sie auch wieder am steinigen Strand auf der anderen Seite landen. Wir haben einige hundert Meter bis hier hin Vorsprung, den wir mit Wegsuchen und Flüsse auf der Karte zählen schnell wieder verlieren. Am Ende finden wir den richtigen Abzweig ins Hinterland. Er ist sogar mit einem Markierungspfosten markiert und führt uns von nun an bergan.
Unsere Papierkarte ist mittlerweile so ungenau, dass wir den Weg und die Umgebung fast nicht mehr zusammenführen können. Der Pfad im GPS stimmt nach einer Weile auch nicht mehr mit dem vom Nationalpark abgesteckten Pfad überein. Wir folgen somit einfach nur dem Weg in der Hoffnung, dass es irgendwann wieder passt. Mit etwas zu viel Ungeduld in den Beinen und etwas gutem Glauben biegen wir mitten in der Pampa rechts ab. Wie sich später herausstellt, ungefähr einen Kilometer zu früh. So genau können wir es nicht sagen. Wir sind nun ohne Pfad und ohne Markierungen und laufen stetig hoch und wieder runter. Verlaufen haben wir uns nicht, auch wenn Christian da anderer Meinung ist. Das geht an diesem schönen Tag fast gar nicht. Die Richtung stimmt, der See immer im Blick nur geht die Kraft auf dem gerölligen und grasigen Terrain schnell verloren. Wir suchen einfach nur den Weg, der laut Karte hier sein müsste. Nach einer Stunde finden wir ihn wieder. Endlich wieder Markierungen. Aber das wichtigste ist einfach nur, auf dem Weg kommen wir viel besser vorwärts.
Dieser Erfolg nach unserer Ungeduld belohnen wir mit unserem Mittagessen. Mir brennt es etwas unter den Fingernägeln, weiter zu laufen. Das GPS zeigt noch fast neun Kilometer an und es ist 13:30 Uhr. Um 17 Uhr sollen wir laut Ranger am Anleger sein, um noch eine Mitfahrgelegenheit nach El Chaltén zu finden. Ich und Rainer entscheiden uns ‚noch die Seilbahn zu nutzen. Nach etwas hin und her, einem zu kurzen Seil und Problemen die schweren Rucksäcke an das Seil zu heften und der erschwerten Kommunikation durch das laute Tosen des Flusses, stehen wir beide auf der anderen Seite. Christian und Conny warten schon eine ganze Weile auf uns einen Kilometer weiter. Sie mussten nur einen Flussarm queren. Bei mehr Wasser können es bis zu vier sein.
Um 16:30 Uhr erreichen wir nach einem fast schon gemütlichen Ausklang und einem guten Weg den Anleger für die Bootsausflüge auf dem Lago Viedma.
Wifi – Was ist das?
Am Anleger zeigen sich erste Lebenszeichen von Zivilisation. Wir treffen auf zwei Mitarbeiter, die gerade ein Boot ausgiebig putzen und bekommen auch eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Aber wir müssen erst mal noch ein bisschen warten. In meinem Rucksack finde ich eine Tafel Schokolade. Wir genießen sie unheimlich.
Zurück in El Chaltén kommen wir an einer Bar vorbei: »Pisco Sour« zur Happy Hour. Wir können einfach nicht wiederstehen. Als dann ein anderer Gast nach dem Wifi-Passwort fragt, schauen wir uns nur lachend an und schmunzeln. Denn auch in der Schutzhütte »Paso del Viento« gab es einen Wifi-Code. Ein kleiner Witz für Wanderer, die sich einmal um den Huemul quälen!
Wir stoßen auf unsere gelungene Tour an!
Expedition 6000+
Dieser Artikel ist Teil meiner Serie „Expedition 6000+. Sie führt zwei Monate durch die schönsten Wanderregionen Südamerikas von Patagionen, Bolivien bis zum höchsten Punkt der Reise, dem Aconcagua in Argentinen. Folge der Reise und genieße die weiten Landschaften, hohe Berge und die abwechslungsreiche Kulturen Südamerikas.
Wichtige Hinweise zum Huemul Trek
Der Rundweg um dem Huemul ist anstrengend und lang. Aufgrund der Seil- und Flussquerungen, der Abgeschiedenheit und somit der Zugang zu Hilfe, der Anstiege und der steilen und gerölligen Abstiege nur für erfahrene Wanderer zu empfehlen. Es gibt keinen Handyempfang und auch der Funk der Ranger kommt angeblich nicht an jede Stelle.
Wer Erfahrungen darin hat und auch schlechtes Wetter und schnelle Wetterwechsel ab kann, der wird durch Einsamkeit und atemberaubende Natur belohnt. Unser Highlight in ganz Patagonien.
Mehr Informationen zum Weg, den Etappen und der nötigen Ausrüstung findet ihr hier.
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