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Bisher haben wir es nur geschafft, unsere Pläne für Patagonien komplett über den Haufen zu schmeißen und nichts gesehen. So fühlt es sich zumindest an. Den Stadtrundgang in Santiago de Chile haben wir bis auf einen ersten Streifzug durch die Nachbarschaft ausfallen lassen und in Punta Arenas kam es uns bisher auch nicht so vor, dass wir die Welt gesehen haben. Dabei sind wir am anderen Ende der Welt und aus der Luft sah die Natur atemberaubend aus. Und diesen Atem raubenden Moment erwarten wir nun in El Calafate. Wir warten sehnsüchtig auf unsere erste Attraktion: den Perito Moreno Gletscher. Wir warten auf eine Erleichterung unserer riesigen Anspannungen und auf das Gefühl, endlich in unserer Reise angekommen zu sein.
El Calafate – Was den Touristen glücklich macht
Mit uns wird eine ganze Busladung an Touristen in El Calafate angespült. Einsam und verlassen stehen wir trotzdem im neuen Busterminal. Ausgelagert aus der Stadt landen wir im weiten Nichts der Vorstadt. Die Innenstadt ist nicht weit weg, aber unsere Rucksäcke drücken mit unbarmherzigen 25 Kilo auf unsere Schultern und heute fühlen wir uns nach 10 Stunden Bus nicht mehr nach tragen. Wir organisieren noch am Busterminal unseren nächsten Tag. Tickets für den Bus zum Gletscher und mit dem 18-Uhr-Bus nach El Chaltén. Wir wollen schnell weiter, um unseren herben Rückschlag bei der verpassten Reservierung für den Torres del Paine Nationalpark wieder wett zu machen.
Das Terminal stellt sich aber nicht nur als neu heraus, sondern auch als Geldautomaten-Phobisch. Wir tauschen an einem Busschalter einige Euro in Argentinische Pesos und können uns nun erst das Taxi in die Stadt leisten.
Als die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, überqueren wir gerade die Türschwelle zum Hostel. Nachdem die ersten Tage für uns eher eine Qual im Spanischen Sprachumfeld waren, bin ich erleichtert, endlich ohne Rückfragen mal auf Englisch sprechen zu können. Ich werde gleich zum Anfang eine ganze Menge Fragen los, die sich die letzten Tage angestaut haben. So erfahren wir auch endlich etwas mehr über unsere geplante Wanderung rund um den »Huemul« in El Chaltén.
Mit der Nacht und dem uns schon etwas länger plagenden Hunger treibt es uns schlussendlich in die Stadt; auf die Flaniermeile El Calafates. Hier fühlt sich alles an wie in den Alpen: Holzhäuser im Stil von Berghütten, große Schaufenster mit Fleisch über den Grillen, Wanderausrüstung vom Feinsten und noch mehr Essen. Es fehlt der Schnee und die Touristen in Ski-Stiefeln, um das Bild komplett zu machen. Daran stören wir uns aber weniger, als wir die Straße entlang spazieren und uns der Mund wässrig gemacht wird. Wir sind eher überrascht, woher die ganzen Touristen kommen und wofür sie kommen. Der Gletscher scheint uns bis zu diesem Zeitpunkt kein wirklicher Grund zu sein. Das soll sich aber schnell ändern.
Perito Moreno Gletscher – Naturgewalten aus zahmer Entfernung
»Wenn die Rucksäcke nicht so schwer und groß wären!?!« – stöhne ich vor mich hin als, ich versuche irgendwie durch die schmale Tür vom Hostel zu kommen. Ich glaube der Punkt lässt sich nicht oft genug erwähnen, aber schon am Tag 6 der Reise habe ich meinen riesigen Rucksack satt. Erst als er wieder irgendwo im Bus liegt und sich das Gewicht nicht mehr in meinen Armen befindet, fühle ich mich bereit, in den Tag zu starten und den Perito Moreno Gletscher zu genießen. Und nach knapp über einer Stunde Busfahrt ist es dann auch soweit. Unser Busfahrer entlässt uns in die mit Stegen ausgezäunte Natur. Mit einer kleinen, spaßig gemeinten Geste gibt er uns zu verstehen, dass er keine Sekunde auf zu späte naturdurstige Touristen warten wird. Abfahrt ist in vier-ein-halb Stunden! Pünktlich!
Wir haben aber genug Zeit, uns den Gletscher genauer anzuschauen. Seinen Entstehungsort auf ungefähr 2200 Metern über dem Meeresspiegel können wir nur erahnen. Er liegt 30 Kilometer vom Lago Argentino entfernt. Unser Spaziergang beginnt im nördlichen Teil der Halbinsel. Unser Weg ist ein moderner Steg und wird uns auf der gesamten Tour begleiten. Nur an einigen Aussichtsplattformen betreten wir den Boden. Unser Blick schweift über den Lago Argentino und wird von den ersten Zipfeln der über vier Kilometer langen Kalbungsfront eingefangen. So nah war ich noch nie einer Gletscherfront. Schon diese kleine Vorschau ist umwerfend.
Mit jedem Meter kommen wir der Eisfront näher. Der Perito Moreno Gletscher zieht uns in den Bann. Das tiefe Blau des klaren Gletschereises, die riesigen Gletscherspalten und vor allem seine Größe beeindrucken. Bis zu 70 Metern türmt sich das Eis vor uns auf. Das sind fast 6 Reisebusse hintereinander. Unvorstellbar, dass sich unter der Wasseroberfläche nochmal 110 Meter Eis befinden sollen und sich das ganze Feld mit bis zu 2 Metern pro Tag bewegt. Davon sehen wir im ersten Moment nichts, aber wir hören die unglaublichen Spannungen im Eis. Es ächzt und krächzt und hier und da fallen »kleine« Eisbrocken in das Wasser. Das Wort »Klein« ist wahrscheinlich auf die Entfernung zwischen uns und dem Gletscher zurück zu führen. Die Stücke sind Auto-groß und haben es in sich. Ihr Aufschlag an der Wand und im Wasser lässt keinen kalt und jeder Blick geht in die Richtung in der Hoffnung auf spektakuläres.
Unseren vier Kilometer langen Rundgang beenden wir ungefähr in der Mitte des Perito Moreno Gletschers auf einer Aussichtsplatzform. Wir suchen uns einen sonnigen aber windgeschützten Ort und legen uns auf die Lauer. Irgendwo und irgendwann muss doch noch was »Großes« passieren. Einen Abbruch auf der anderen Seite haben wir nur hören können. Jetzt ist es an der Zeit unseren Höhepunkt zu finden. Schon auf dem Hinweg fiel mir eine ziemlich schräg hängende 40 Meter große Nase im Eis auf. Und als diese abbricht, habe ich sogar die Kamera im Anschlag. Als der Abbruch sich durch großes Knacken ankündigt, richten sich schon alle Augen aus. Das Schauspiel läuft für einige Bruchteile einer Sekunde noch ohne Ton ab, dann dringen auch die Schallwellen zu uns vor. Es ist nicht nur zu hören, sondern auch bis auf die Knochen zu spüren. Ein grandioser Abschluss des Tages und ein endlich gelungener Auftakt in unsere zwei-monatige Reise.
Mit vielen Glückshormonen und einer Portion guter Laune ziehen wir weiter nach El Chaltén, wo uns die erste, schwerste und längste gemeinsame Wanderung der »Expedition 6000+« erwartet.
Expedition 6000+
Dieser Artikel ist Teil meiner Serie »Expedition 6000+. Sie führt zwei Monate durch die schönsten Wanderregionen Südamerikas von Patagionen, Bolivien bis zum höchsten Punkt der Reise, dem Aconcagua in Argentinen. Folge der Reise und genieße die weiten Landschaften, hohe Berge und die abwechslungsreiche Kulturen Südamerikas.
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