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Wir sind in Kasachstan. Die Weltausstellung ‚Expo‘, die nur alle paar Jahre stattfindet und diesen Sommer in Kasachstans Hauptstadt Astana gastiert, hat uns angelockt. Eigentlich wollten wir von Kirgistan aus direkt nach China weiterreisen. Doch nachdem uns bewusst wird, wie nahe wir dem Nachbarland vom Issyk-Kul-See aus sind, beschließen wir, unsere Pläne zu ändern. Was wir bis dato über Kasachstan wussten? Ehrlich gesagt, nicht besonders viel. Spontan denke ich an die deutsche Fußballnationalmannschaft, die in unregelmäßigen Abständen den langen Weg bis nach Astana auf sich nimmt. Und dann kommt mir noch der Kinofilm ‚Borat‘ in den Sinn, der Kasachstan als einen Staat darstellt, in dem Prostitution, Waffenschieberei und die Diskriminierung von Randgruppen auf der Tagesordnung stehen.
Einen knappen Monat verbringen wir schließlich in Kasachstan und finden heraus, dass dieses Land in Wirklichkeit ganz anders ist: Die Menschen sind herzlich, das Essen schmackhaft und vielfältig. Kasachstans Steppe überwältigt uns mit ihrer schier endlosen Weite. Die Metropolen Almaty und Astana erinnern uns an Europa und bieten von gemütlichen Cafés, luxuriösen Einkaufszentren bis hin zu hippen Burger-Restaurants mit Bio-Fleisch alle Annehmlichkeiten der westlichen Welt. Und so kommt es, dass wir uns am Ende schon fast ein bisschen wie zu Hause fühlen.
Station 1: Almaty
Mehr als die Hälfte unserer Zeit in Kasachstan verbringen wir in der mit rund 1,7 Millionen Einwohnern größten Stadt des Landes. Bis wir uns hier wohlfühlen, dauert es ein paar Tage. Denn Almaty ist groß, laut und das Straßennetz aufgrund des stetig wachsenden Verkehrs mehr als überlastet. Doch mit der Wahl unseres Hostels haben wir Glück: Mitten in einer Millionenstadt dürfen wir unser Zelt im Garten aufbauen und schlafen so zwei Wochen lang unter freiem Himmel. Auch treffen wir hier immer wieder interessante Gesprächspartner, die wie wir eine längere Reise machen und zum Teil sogar mit dem Fahrrad hergekommen sind. Ein Austausch unter Gleichgesinnten 🙂
Nach und nach entdecken wir die Vorzüge der Stadt und nachdem wir einen Tipp für eine sehr nützliche Smartphone-App bekommen haben, können wir uns auf Knopfdruck sämtliche Busverbindungen der Stadt anzeigen lassen. Wir sind mobil. Und so fahren wir noch am selben Tag zum ‚Grünen Basar‘, wo wir uns mit frischen Früchten eindecken und kulinarische Köstlichkeiten genießen können. Was wir schnell merken: Nach zuvor vielen Ländern, in denen wir durch unser Aussehen unweigerlich das Interesse der Einheimischen auf uns gezogen haben, sind wir in Kasachstan herrlich anonym. Ein großer Anteil der kasachischen Bevölkerung stammt aus Russland und so passiert es in den kommenden Wochen diverse Male, dass wir für Russen gehalten und auf der Straße wie selbstverständlich nach dem Weg gefragt werden.
Almaty ist trotz einiger Bauwerke, die unübersehbar aus der Sowjet-Zeit stammen, eine moderne Stadt. Hohe Bürotürme reihen sich an Luxus-Einkaufszentren, chic gekleidete Menschen flanieren auf breiten Gehwegen entlang und auf den Straßen sind fast nur neue Autos zu sehen (von Audi, BMW bis Ferrari ist alles dabei). Im internationalen Supermarkt entdecken wir Rittersport-Schokolade und Frühstücksmüsli aus Deutschland und beim Bierregal sind wir ob der riesigen Auswahl schon fast überfordert. Zum ersten Mal seit Reisebeginn gehen wir ins Kino. Das kuriose dabei: Filme auf Englisch scheinen in Almaty nicht angesagt zu sein und so sind wir mit einem weiteren Pärchen die einzigen Zuschauer im riesigen mit Dolby Surround System ausgestatteten Kinosaal.
Station 2: Kasachstans Züge
Von Almaty aus wollen wir ins 1.200 km weiter nördlich gelegene Astana fahren. Als Fortbewegungsmittel scheinen uns die täglich verkehrenden Fernzüge am geeignetsten. Um ein Zugticket für den nächsten Tag zu kaufen, fahren wir mit dem Bus zum Bahnhof. Nachdem wir uns durchgefragt haben, landen wir schließlich bei der für unsere Strecke zuständigen Fahrkartenverkäuferin. Obwohl sie ausschließlich Russisch spricht, klappt die Kommunikation überraschend gut. Doch statt der Tickets bekommen wir von ihr am Ende leider nur die Information, dass für die nächsten fünf Tage alle Züge nach Astana ausverkauft sind. Während der Sommerferien sei das immer so. Mist…
Enttäuscht verlassen wir das Bahnhofsgebäude. Da wir bereits seit einigen Tagen in Almaty sind, wollen wir unsere Zeit in Kasachstan lieber anders verbringen, als nur in der Stadt zu bleiben. In unmittelbarer Nähe zum Bahnhof fällt unser Blick auf ein kleines Haus, auf dem ‚Tourist Information‘ zu lesen ist. Obwohl wir nicht viel Hoffnung auf Erfolg haben, starten wir den Versuch und fragen die Dame im Häuschen nach Zugtickets. Und siehe da: Genau zwei Tickets für den Nachtzug am nächsten Tag findet sie noch im System. Wir wundern uns, denn gerade im Bahnhof wurden wir ja mit derselben Anfrage abgewiesen. Doch die Fahrkarten scheinen echt zu sein und bevor sie von jemand anderem gekauft werden, schlagen wir zu.
Wir sind glücklich, denn nun können wir wie geplant bereits morgen weiterfahren. Natürlich prüfen wir die Angaben auf den Fahrkarten genau. Alles scheint zu stimmen, nur mit dem Preis sind wir uns nicht sicher. Haben wir dafür vielleicht zu viel bezahlt? Mit den Tickets in der Hand gehen wir zurück zum Bahnhof. Die Fahrkartenverkäuferin bestätigt uns die Echtheit der Fahrscheine, doch eigentlich hätten wir dafür nur die Hälfte bezahlen müssen. Eine hinter uns in der Schlange wartende Kasachin schaltet sich ein. Dass Touristen abgezockt werden, ist für sie nicht okay. Kurzerhand schnappt sie sich die Tickets und geht mit uns zurück zum kleinen Häuschen. Auf Russisch stellt sie die Verkäuferin zur Rede. Obwohl wir das Gesagte nicht verstehen, scheint es ausreichend deutlich gewesen zu sein. Ohne zu protestieren erhalten wir den zu viel entrichteten Betrag zurück.
Die Zugfahrten in Kasachstan erleben wir als entspannend. Obwohl die Fahrzeit 16 Stunden beträgt, vergeht die Zeit wie im Flug. Die halbe Reise verbringen wir schlafend in den mehr oder weniger bequemen Betten des Liegewagens. Während der restlichen Stunden bewundern wir die beeindruckende Kargheit der kasachischen Steppe, vertilgen bei einem Glas Bier unser mitgebrachtes Vesper im Speisewagen und unterhalten uns mit den gesprächigen und interessierten Mitreisenden in unserem Abteil. Auch die Kasachen haben essenstechnisch vorgesorgt und packen allerlei Leckereien fürs Abendessen aus. Was dabei nicht fehlen darf: Eine frisch aufgegossene Tasse Tee, für deren Zubereitung in jedem Wagon ein Samowar, ein Heißwassertank, zur Verfügung steht.
Station 3: Astana
Astana ist das kasachische Wort für Hauptstadt. Und der Name ist hier Programm. In der zweitgrößten Stadt des Landes sieht man auf eindrucksvolle Weise, dass Kasachstan kein armes Land ist. Die Gewinne aus der Erdöl- und Erdgasförderung finden sich (zumindest zum Teil) in den Prachtbauten und Wolkenkratzern wieder, die die Innenstadt Astanas prägen. Nachts erstrahlt Astana in bunter Neonbeleuchtung und lädt in den Fußgängerzonen zum Flanieren ein. Und auch kulinarisch ist in der Hauptstadt einiges geboten: Bei georgischen Spezialitäten, kasachischen Köstlichkeiten, frisch zubereitetem Sushi oder saftigem Rindfleisch vom ›Heißen Stein‹ kommt hier ein jeder auf seine Kosten.
Station 4: Expo
Bereits am Tag nach unserer Ankunft stürzen wir uns ins Abenteuer Expo. Im Gegensatz zu Leo habe ich noch nie eine Weltausstellung besucht. Umso gespannter bin ich daher, was uns erwartet. Bei strahlendem Sonnenschein treffen wir am Morgen auf dem Gelände ein. Freundliche Volunteers begrüßen uns auf Englisch und drücken uns eine Übersichtskarte aller Pavillons in die Hand. Auch wenn der Tag noch lange ist und die Tore erst um Mitternacht schließen werden, so kommt uns das Gelände erstaunlich leer vor. Wir hatten damit gerechnet, hier viele ausländische Besucher anzutreffen. Doch über den gesamten Tag hinweg bleiben die Besucherzahlen überschaubar. Einzig vor dem kasachischen Pavillon bildet sich eine beachtliche Warteschlange.
Das Thema der Expo lautet in diesem Jahr ‚Future Energy‘. Während der deutsche Pavillon ganz auf nachhaltige Energiegewinnung und Ressourcenschonung ausgerichtet ist, haben die Vertreter Russlands das Motto anders interpretiert. Vom arktischen Meer haben sie mit großem Aufwand ein riesiges Stück Packeis nach Astana transportiert. Bei sehr sommerlichen Temperaturen muss der Eisklotz nun über drei Monate hinweg mit einem immensen Energieaufwand am Dahinschmelzen gehindert werden. Weiteres Highlight im russischen Pavillon: Ein digitales 3D-Modell eines Kernkraftwerks der neuesten Generation, welches uns von einem engagierten Studenten sachkundig erklärt wird. Ein interessanter Vortrag, doch wir fragen uns, ob dieses Konzept wirklich nachhaltig ist.
Auch wenn die Anreise zur Expo doch recht weit war, so hat sich der Weg nach Astana für uns gelohnt. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Länder das Thema ‚Energie der Zukunft‘ angehen und wie die teilnehmenden Nationen die Gelegenheit nutzen, den Besuchern aus aller Welt ihr Land zu präsentieren. Und auch kulinarisch behalten wir die Expo in guter Erinnerung: Im Catering des deutschen Pavillons gönnen wir uns eine Portion Spätzle mit Soße, eine Apfelschorle und zum Nachtisch einen echt bayerischen Apfelstrudel. Lange nicht gehabt und in diesem Moment einfach unbezahlbar 🙂
Station 5: Korgalzhyn
Von Astana aus machen wir einen Abstecher zum nahegelegenen Naturreservat Korgalzhyn. Im gleichnamigen Örtchen mieten wir uns einen gemütlichen Holzbungalow und obwohl es hier außer einer Tagestour ins Reservat nichts weiter zu tun gibt, bleiben wir für vier Nächte. Es tut gut nach Tagen und Wochen voll neuer Eindrücke, einfach mal nichts zu machen, außer lange zu schlafen und auf unserem E‑Book-Reader ein Buch zu lesen. Zudem sind unsere Gastgeber lustig und allem voran musikalisch, sodass wir zu einem Liederabend mit Bier und reichlich Wodka eingeladen werden. Und auch die ›Banja‹, das traditionelle russische Dampfbad, will von uns besucht werden.
Der eigentliche Höhepunkt unseres Besuchs in Korgalzhyn ist jedoch der Ausflug ins Naturreservat. Obwohl unser Fahrer so unfreundlich ist, dass wir zu Beginn der Fahrt überlegen, ob wir einfach wieder aussteigen sollen, lohnt sich die Exkursion in die beeindruckende Steppenlandschaft sehr. Da die Zahl der zugelassenen Besucher im Reservat extrem limitiert ist, bietet das Gebiet beste Lebens- und Brutbedingungen für über 300 Vogelarten. Auch wenn wir in den wenigen Stunden des Ausflugs nur ein paar der hier lebenden Spezies zu Gesicht bekommen, so sind wir vor allem von der unglaublichen Weite der endlos wirkenden Steppe beeindruckt. Im riesigen Tengiz-See entdecken wir dann sogar Flamingos, die in diesem Gebiet brüten und ihren Nachwuchs für den ersten Flug nach Süden fit machen.
Kasachstan – ein eigentlich nicht geplantes Ziel unserer Reise. Vier abwechslungsreiche Wochen durften wir hier verbringen und sind froh, dass wir uns wieder einmal von unserem Instinkt haben leiten lassen. Der gut organisierte Transport und die moderne Infrastruktur in den Städten machten das Reisen hier einfach und angenehm. Die großartige Natur, die mehrheitlich herzlichen und hilfsbereiten Kasachen und unsere Zelterfahrung in der Großstadt Almaty werden uns in bester Erinnerung bleiben.
Doch nun ist es an der Zeit aufzubrechen und den ‚Stans‘ „До свидания!“ ([dasswidan’ja] = Auf Wiedersehen!) zu sagen. Nach Tagen bangen Wartens haben wir endlich unsere Pässe mit den Visa für China und Pakistan aus Deutschland zurückerhalten. Morgen schon werden wir von Almaty aus mit dem Zug Richtung chinesischer Grenze fahren. Wir sind gespannt und hoffen, dass uns das ‚Reich der Mitte‘ ähnlich offen und herzlich aufnehmen wird, wie wir es in Zentralasien während der vergangenen Wochen und Monate erleben durften.
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Sehr schöne Bilder und Eindrücke! 🙂
Danke Laura! 🙂 Kasachstan ist wirklich ein sehenswertes Land.
Eine schöne Art zu reisen, auch mal länger an einem Ort zu verweilen, anstatt jeden zweiten Tag weiterzuhetzen.
Hallo Andreas,
da sind wir ganz bei Dir! Auf unserer Reise haben wir schnell gemerkt, dass es ganz schön anstrengend sein kann, alle paar Tage seine Sachen zu packen und weiterzuziehen. Und oft trifft man auch erst nach einer gewissen Zeit die Menschen, die eine Station zu etwas Besonderem machen 🙂
Viele Grüße aus Indien,
Sebastian
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