Safari auf den Knien

Wie der Wüs­te stand­hal­ten, wenn es nur alle paar Jah­re reg­net? Der Nebel­trink-Käfer hat beson­de­re Über­le­bens­küns­te ent­wi­ckelt. Im Mor­gen­grau­en bud­delt er sich aus dem Sand und klet­tert die Düne hin­auf, bis zum Kamm. Oben ange­kom­men stellt er sich auf sei­ne Vor­der­bein­chen, streckt den Kopf in Rich­tung Sand, das Hin­ter­teil gen Him­mel und sam­melt auf sei­ner Kör­per­flä­che das Was­ser aus dem vor­über­zie­hen­den Nebel. Es ist ein Schau­spiel der Natur. Der klei­ne Nebel­trin­ker schluckt bis zu 40 Pro­zent sei­nes Kör­per­ge­wichts, bevor er wie­der die Düne hin­un­ter­kra­xelt, den Sand bei­sei­te schiebt und – Puff – schon wie­der weg ist.

 

Da der Käfer jedoch frü­her auf­steht als die meis­ten Tou­ris­ten, hat sich der Nebel schon wie­der ver­zo­gen, als Tom­my eines die­ser Exem­pla­re aus einer Düne zieht. „Eine mobi­le Was­ser­fla­sche mit Sechs­rad-Antrieb“, scherzt er. Der Nebel­trink-Käfer gehört zu den „Litt­le Five“, die der 60-Jäh­ri­ge Gui­de uns auf sei­ner Living Desert Tour zei­gen will. Sie sind das Gegen­stück zu den „Big Five“ (Ele­fant, Nas­horn, Büf­fel, Löwe, Leo­pard), denen Afri­ka- Tou­ris­ten auf Safa­ris übli­cher­wei­se nach­ja­gen. „Heu­te suchen wir nur Tie­re, die man nicht aus dem Auto sieht“, erklärt Tom­my, bevor wir mit den Jeeps wei­ter durch die Dünen schlei­chen.

Eini­ge hun­dert Meter wei­ter hält Tom­my an und steigt aus. Er hat etwas erspäht. Breit­bei­nig und braun­ge­brannt wie ein ech­ter Wüs­ten-Cow­boy stapft er auf einen Busch zu, wir im Gleich­schritt hin­ter­her. Dann sehen wir es: Ein Wüs­ten­cha­mä­le­on, das sto­isch auf einem Ast sitzt. „Es denkt, wir haben es noch nicht gese­hen“, sagt Tom­my – obwohl die Grup­pe im Halb­kreis um das Rep­til tanzt und die Kame­ras im Sekun­den­takt kli­cken. Allein die Äug­lein des Cha­mä­le­ons huschen von einem Gesicht zum nächs­ten.

Als Tom­my sich nähert, wird das Cha­mä­le­on miss­mu­tig und faucht ihn an. Tom­my ist das egal, er packt den Wüte­rich beim Schwanz und setzt ihn zwei Meter neben den Busch. Gelb, pink, rot wird das Cha­mä­le­on auf ein­mal und stapft dann toll­pat­schig zurück zu sei­nem Domi­zil, wo immer­hin eini­ge saf­ti­ge Wür­mer war­ten. Sie schme­cken fast so gut, wie der Nebel­trink-Käfer; denn auch der gehört zum Spei­se­plan des Wüs­ten­cha­mä­le­ons.

Spä­tes­tens jetzt ist Tom­my in sei­nem Ele­ment. Er wetzt von einem Hügel zum nächs­ten, ver­folgt erst die­se Spur, dann jene, scherzt mit der Grup­pe, zieht mit einem Magnet eine Hand­voll schwar­zen Sand aus einer rost­ro­ten Flä­che und hat dann eine bis­si­ge Schau­fel­na­sen­ei­dech­se am Fin­ger hän­gen. Selbst eine Sand­schlan­ge fin­det er, und das ist ein gro­ßes Glück, schließ­lich sieht selbst Tom­my die­ses Tier nur alle paar Wochen. „Wenn du etwas von der Namib ler­nen willst, musst du aus­stei­gen und auf die Knie gehen“, weiß der 60-Jäh­ri­ge. Seit zwei Jahr­zehn­ten schon lei­tet er die­se Tour und steht immer noch voll im Saft.

Bei der Zwerg­puff­ot­ter ist beson­de­re Beob­ach­tungs­ga­be gefragt. Nur zwei sand­far­be­ne Augen lugen zwi­schen den Kör­nern her­vor, der Kör­per ver­birgt sich in einer küh­le­ren Sand­schicht. Selbst als Tom­my mit dem Fin­ger direkt auf die Augen zeigt, blei­ben die meis­ten Gesich­ter ob der per­fek­ten Tar­nung fra­gend. Die Zwerg­puff­ot­ter ist eine gewitz­te Schlan­ge: Indem sie ihre Schwanz­spit­ze aus dem Sand steckt, lockt sie Eidech­sen an, die auf ein reich­hal­ti­ges Samen­me­nü hof­fen. Doch statt eine Mahl­zeit zu bekom­men, wer­den sie selbst zu einer, wenn die Zwerg­puff­ot­ter blitz­schnell aus dem Boden schießt und ihre Beu­te ver­schlingt.

In der Fer­ne trot­ten eini­ge Kame­le vor­bei, doch die sind Tom­my kaum einen müden Blick wert. „Lasst uns etwas Inter­es­san­te­res fin­den!“, ruft er.

Dann ist die Tour fast vor­bei. Ein letz­tes Tier hat Tom­my noch für uns parat, er ver­steckt es unter sei­ner Wes­te: Ein fast durch­sich­ti­ger Namib-Gecko, der bei Son­nen­licht in nur weni­gen Minu­ten ver­brut­zeln wür­de. Er schaut ver­dutzt und scheint nicht so recht zu wis­sen, wo er hier hin­ein­ge­ra­ten ist. „Seit 20 Jah­ren strei­fen wir schon durch die Wüs­te und je öfter wir hier­her kom­men, des­to mehr rea­li­sie­ren wir, wie wenig wir eigent­lich wis­sen“, schließt Tom­my. Dann strei­chelt er den Gecko und setzt ihn auf die Düne. Der schaut sich fra­gend um, dann zischt er davon und ver­schwin­det im Sand. „Auf Nim­mer­wie­der­se­hen“, heißt das wohl, und wir ver­las­sen die Namib mit der Gewiss­heit: Die Wüs­te lebt.

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Antworten

  1. Avatar von Maria Potthoff

    Oh, das sieht ja schön aus dort 🙂 Jetzt hast du mich aber ange­fixt! Mein Freund plant gera­de die Afri­ka Rund­rei­se, aber mein nächs­tes Wunsch­ziel hast du mir gera­de gezeigt! Da ruft das Fern­weh 🙂 Lie­be Grü­ße von Maria 🙂

  2. Avatar von Monika

    Herr­li­che Bil­der! Vie­len Dank für den Tipp!

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