Abstecher nach Kollywood

Wer ist hier eigent­lich der Haupt­dar­stel­ler? Ich fra­ge mich die gan­ze Zeit wer in die­sem unüber­schau­ba­ren Gewühl über­haupt der Haupt­dar­stel­ler ist. Ich ste­he mit­ten in einer sich ste­tig bewe­gen­den Trau­be aus Schau­spie­lern, Kom­par­sen, Assis­ten­ten, Visa­gis­ten und hek­tisch umher­lau­fen­den Ver­ant­wort­li­chen, die lau­te und für mich unver­ständ­li­che Befeh­le durch die Men­ge schleu­dern, als sei­en es Wurf­ge­schos­se, den dröh­nen­den und ohren­be­täu­ben­den Ansa­gen durch die ble­cher­nen Mega­pho­ne, dem Cha­os aus Kabeln, Bild­schir­men und aller­hand Tech­nik, deren Sinn mir Rät­sel auf­gibt, dem grel­len Schein­wer­fer­licht, das die dunk­le Nacht am Strand von Pon­di­cher­ry in hel­les Tages­licht taucht, den kit­schi­gen, meter­ho­hen Leucht­de­ko­ra­tio­nen, wie man sie sich bun­ter und auf­dring­li­cher kaum vor­stel­len mag und den hun­der­ten schau­lus­ti­gen Indern, die auf­ge­regt star­rend, dicht gedrängt und beharr­lich schub­send um das nicht ein­ge­zäun­te Film­set ste­hen, und sich lang­sam immer näher pir­schen, kaum ist einer der Sicher­heits­leu­te auch nur für eine Sekun­de unauf­merk­sam, und schlür­fe einen scharf gewürz­ten Chai aus einem win­zi­gen Papp­be­cher.

Mein Blick wan­dert gera­de über den Rand des Papp­be­chers hin­weg, das mir völ­lig absurd und unor­ga­ni­siert schei­nen­de Spek­ta­kel beob­ach­tend, als plötz­lich Unru­he in unse­re klei­ne, ver­un­si­cher­te Grup­pe Aus­län­der gerät. Ein unter­setz­ter, klei­ner, dick­bäu­chi­ger Mann, wie wir spä­ter her­aus­fin­den sol­len, der Dreh­buch­au­tor, kommt auf uns zuge­stürmt und brüllt laut und hek­tisch, der all­ge­mei­nen Atmo­sphä­re ange­mes­sen: POTION! POTION! Irri­tiert gucken wir uns um, suchen mit den Augen Hil­fe bei unse­res­glei­chen. Zau­ber­trän­ke?! Ich habe nichts gegen Zau­ber­trän­ke ein­zu­wen­den und wür­de ger­ne mal einen pro­bie­ren. Aber hier? Und jetzt? Unse­re Untä­tig­keit lässt den dicken, klei­nen Mann nur noch hek­ti­scher, noch lau­ter brül­len. Nur noch weni­ge Zen­ti­me­ter vor unse­ren Gesich­tern ste­hend setzt er noch mal mit sei­ner mäch­ti­gen Stim­me an: POTION!!! POTION!!! Dabei macht er gro­ße, rudern­de Bewe­gun­gen mit sei­nen Armen und starrt uns übel­lau­nig und for­dernd an: ZAUBERTRANK!!! ZAUBERTRANK!!! Sei­nem har­schen Befehls­ton irri­tiert erle­gen, wie ver­ängs­tig­te Kin­der, fol­gen wir dem Mann schließ­lich. Er führt uns nur eini­ge Schrit­te wei­ter, etwa in das Zen­trum des über­la­de­nen Film­sets und ver­schwin­det dann plötz­lich. Wir schau­en uns um, hal­ten uns an unse­ren klei­nen Papp­be­chern fest. Geht es jetzt etwa los?

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Mitt­ler­wei­le gehört es zum guten Ton in indi­schen Fil­men mög­lichst west­lich aus­se­hen­de Aus­län­der für klei­ne stum­me Rol­len oder als Kom­par­sen für den Hin­ter­grund anzu­heu­ern. Das wirkt cool und fan­cy und ist gera­de für Par­ty- und Tanz­sze­nen der ganz gro­ße Hit. Denn dort, wo Wei­ße ihre star­ren Hüf­ten schwin­gen, steigt bekann­ter­ma­ßen die ganz gro­ße Par­ty – so zumin­dest die Annah­me der meis­ten Inder, die sich ger­ne mit wei­ßer Haut in ihrem Bekann­ten­kreis schmü­cken. Die Inder selbst spre­chen dabei von dem soge­nann­ten Wei­ße-Haut-Syn­drom.

In Bol­ly­wood, der bon­bon­bun­ten Traum­fa­brik Indi­ens für Fil­me in Hin­di, einer der offi­zi­el­len Spra­chen des Lan­des, ist das schon seit gerau­mer Zeit üblich. Mit über 1.000 pro­du­zier­ten Fil­men jähr­lich hat Bol­ly­wood mitt­ler­wei­le den gro­ßen Bru­der Hol­ly­wood über­holt und arbei­tet täg­lich an unzäh­li­gen Pro­duk­tio­nen gleich­zei­tig. Und sie alle suchen hän­de­rin­gend nach wei­ßen Kom­par­sen. Inzwi­schen ist das Gan­ze schon zu einer Art Tou­ris­ten­at­trak­ti­on in Mum­bai avan­ciert. Ein­mal eine Kom­par­sen­rol­le in einem indi­schen Film über­neh­men – ein­mal Teil von Bol­ly­wood sein – damit bewer­ben selbst Rei­se­füh­rer Indi­ens Film­me­tro­po­le. Der Tru­bel in der Welt­stadt am ara­bi­schen Meer ist der­weil so groß, dass sich die Tou­ris­ten mit einer Tages­pau­scha­le von 500 Rupi­en pro­blem­los anwer­ben las­sen. 6,50 Euro Tages­lohn: Indi­sche Kom­par­sen im teu­ren Mum­bai stün­den dafür nicht ein­mal aus dem Bett auf.

Neben den Block­bus­tern aus Bol­ly­wood haben die meis­ten Staa­ten Süd­in­di­ens hin­ge­gen eine eige­ne Film­in­dus­trie in ihrer eige­nen Spra­che. Das im Nor­den gespro­che­ne Hin­di wird hier näm­lich nicht ver­stan­den. Die größ­te Film­in­dus­trie des Südens befin­det sich in Indi­ens süd­lichs­tem Staat Tamil Nadu und wird haupt­säch­lich in der Metro­po­le Chen­nai pro­du­ziert. In Anleh­nung an Kodam­bak­kam, dem Stadt­vier­tel in dem sich die Film­stu­di­os befin­den, wird sie – wie soll­te es anders sein – Kol­ly­wood genannt.

West­li­che Kom­par­sen bekom­men hier eine Pau­scha­le von 2000 Rupi­en pro Dreh­tag. Immer noch wenig, sagen einem die Inder. Bis zu 6000 Rupi­en sei­en den Pro­du­zen­ten die Kom­par­sen pro Tag Wert. Etwa das 12-fache, für das sich die Tou­ris­ten in Mum­bai her­ge­ben. Aber das wis­sen die natür­lich nicht. Und wir eben auch nicht.

Pondicherry Pondicherry

Indi­ens Film­in­dus­trie ist völ­lig zu Recht als Schmon­zet­ten-Fabrik bekannt. Gewalt und Sex sind tabu – fami­li­en­taug­lich soll es sein. Die Geschich­ten gehen immer gut aus. Im Mit­tel­punkt steht natür­lich die Lie­be. Eine ohne­hin tra­gi­sche Ange­le­gen­heit in dem von tra­di­tio­nell arran­gier­ten Ehen geplag­ten Land. Ein lei­di­ges The­ma, das aber alle hier mit­ten ins Herz trifft, da fast alle selbst betrof­fen sind. Immer­hin: Seit kur­zem huscht hin und wie­der mal ein Küss­chen über die Lein­wand. Ansons­ten wird Sex ledig­lich durch kit­schi­ge Meta­phern ange­deu­tet. Wenn Bäu­me im Wind hin und her wie­gen oder eine Blü­te in Nah­auf­nah­me und Zeit­lu­pe auf­geht, dann wird hier in den gro­ßen Kinos ver­le­gen geki­chert.

Die Film­in­dus­trie Kol­ly­woods ist da ein wenig inno­va­ti­ver als Bol­ly­wood. In Tamil Nadu gibt man sich nicht mit einem ein­zi­gen The­ma pro Film zufrie­den. Die Fil­me sei­en wie das Leben selbst, erzäh­len die Tami­len mit stolz geschwell­ter Brust. Ein biss­chen Dra­ma, ein biss­chen Komö­die, ein biss­chen Lie­bes­schnul­ze, ein biss­chen Action­film. Ja, rich­tig gehört: Gewalt. Die popu­lä­ren Kampf­kunst­ele­men­te im tami­li­schen Film haben der hie­si­gen Film­in­dus­trie in letz­ter Zeit sogar Export­mög­lich­kei­ten in den ost­asia­ti­schen Raum ein­ge­bracht. Beson­ders die Japa­ner sind völ­lig ange­tan von dem bun­ten low-bud­get Mix aus Süd­in­di­en.

Straßenszene Pondicherry alter Leuchtturm in Pondicherry

Da ste­hen wir nun, spon­tan über drei Ecken ange­heu­ert und mit dem Taxi in die her­ein­bre­chen­de Nacht an den Strand der ehe­ma­li­gen fran­zö­si­schen Kolo­nie Pon­di­cher­ry chauf­fiert. Wir kom­men gera­de­wegs von einer Bau­stel­le aus der nahe gele­ge­nen inter­na­tio­na­len Kom­mu­ne Auro­ville, wo wir seit eini­ger Zeit an einem Pro­jekt zu nach­hal­ti­gem Haus­bau mit Lehm mit­ar­bei­ten. Dem­entspre­chend sehen wir aus. Für die Par­ty- und Tanz­sze­ne, die heu­te gedreht wer­den soll, ist das wohl nicht die ange­mes­se­ne Erschei­nung. Den­noch emp­fängt man uns mit offe­nen Armen. Unse­re wei­ße Haut macht es mög­lich.

Seit gerau­mer Zeit umklam­mern wir bereits unse­re lee­ren Papp­be­cher, als wir schließ­lich in Paa­ren über das gesam­te Film­set auf­ge­teilt wer­den. Wir sol­len uns bit­te natür­lich und ange­regt unter­hal­ten, uns lächelnd auf die bevor­ste­hen­de Par­ty freu­en. Immer wie­der wird an uns her­um­ge­zupft, unser Win­kel zur Kame­ra ver­än­dert, unse­re Schul­tern gedreht. Ver­schie­de­ne Men­schen haben ver­schie­de­ne Mei­nun­gen. Doch lie­ber hier? Nein, dort! Einer arbei­tet, fünf gucken zu und geben Rat­schlä­ge aus dem Hin­ter­grund: die typisch indi­sche Arbeits­wei­se eben. Es ist eine Far­ce. Irgend­wann, nach­dem wir jed­we­de Posi­ti­on auf dem gesam­ten Film­set min­des­tens ein­mal ein­ge­nom­men haben, sind sich end­lich alle einig. Mitt­ler­wei­le weiß ich auch, was es mit dem mys­te­riö­sen Zau­ber­trank auf sich hat. Der Dreh­buch­au­tor hat ernst­haf­te Schwie­rig­kei­ten das Wort „Posi­ti­on“ aus­zu­spre­chen. Sei­ne Ver­su­che enden jeweils mit einem selbst­be­wusst und laut­stark vor­ge­tra­ge­nem „Poti­on“. Und obwohl wir nun alle­samt in der gewoll­ten Posi­ti­on ver­har­ren, geht es noch immer nicht los. Es ist ein lang­wie­ri­ger Pro­zess, durch­zo­gen von Unor­ga­ni­sa­ti­on, Ver­gess­lich­keit und den Allü­ren eini­ger Weni­ger; allen vor­an die der Haupt­dar­stel­ler. Schon bald mer­ken wir, dass die­se Nacht eine sehr lan­ge Nacht wer­den soll.

Dann erbli­cke ich ihn end­lich: den Haupt­dar­stel­ler. Bis jetzt saßen er und sein Kol­le­ge Bala­ji, der Side Kick im Film, im kli­ma­ti­sier­ten Auto hin­ter uns: ein klei­ner roter, tie­fer geleg­ter Flit­zer mit unnö­ti­ger wei­ßer Renn­strei­fen-Ver­zie­rung. Dann wird ihnen die Tür geöff­net und der Haupt­dar­stel­ler lächelt sein unver­kenn­ba­res Film­star-Lächeln. Sei­ne Haa­re, zu einer mäch­ti­gen Föhn­wel­le fri­siert, erhe­ben sich majes­tä­tisch über sei­nem Kopf. Sei­ne Zäh­ne blit­zen in einem unna­tür­li­chen Weiß, sein dich­ter schwar­zer Bart bedeckt sein mil­chi­ges Schön­lings-Gesicht. Sein Schnurr­bart erin­nert mich ein wenig an den eines Wal­ros­ses. In der Mit­te ganz kurz gestutzt und lang in den Enden fällt er ihm buschig auf die Lip­pen. Er lehnt sich über­trie­ben läs­sig gegen das Auto, sei­nen rech­ten Fuß ent­spannt gegen das lin­ke Bein gestützt. Er starrt pau­sen­los auf sein Han­dy, wit­zelt mit sei­nem Schau­spiel­kol­le­gen, lacht laut und über­heb­lich. Er ist die per­so­ni­fi­zier­te Cool­ness schlecht­hin. Augen­blick­lich stür­men sei­ne Assis­ten­ten her­bei. Einer hält ihm unun­ter­bro­chen einen klei­nen Ven­ti­la­tor ins Gesicht, sei­ne Haa­re und sein Bart wer­den gerich­tet. Sei­ne dunk­le Mäh­ne weht nun in der Bri­se des Ven­ti­la­tors vor sich hin. Ein biss­chen Make-Up wird nach­ge­legt. Ein klei­ner Kamm streicht über sei­ne Augen­brau­en. Für den jun­gen Film­star ist das Tohu­wa­bo­hu um ihn her­um augen­schein­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, die er kaum noch wahr­nimmt. Er wür­digt sei­nen Assis­ten­ten, die auf­ge­regt um ihn her­um wuseln, kei­nes Bli­ckes. Er schaut nicht eine ein­zi­ge Sekun­de von sei­nem Han­dy auf.

Sein Schau­spiel­kol­le­ge, ein groß­ge­wach­se­ner, sym­pa­thisch wir­ken­der jun­ger Mann mit Horn­bril­le und lus­ti­gem Gesicht, braucht weni­ger Extra-Würst­chen. Ein biss­chen Puder – das war’s. Die gan­ze Situa­ti­on kommt mir total unwirk­lich vor. Die gan­ze Zeit steht dort die­ser arme Assis­tent und hält dem Haupt­dar­stel­ler die­sen klei­nen Ven­ti­la­tor ins Gesicht, ver­sucht jede Bewe­gung auf­zu­fan­gen, damit der Luft­strom bloß nie endet.

Balaji und Mr. Cool, Kollywood Balaji und Mr. Cool, Kollywood

Ein rich­ti­ger Kol­ly­wood-Star steht also nun wahr­haf­tig vor uns. Es han­delt sich um den 162 cm gro­ßen Schau­spie­ler und Film­kom­po­nis­ten Pra­kash Kumar. Doch Kumar, seit zehn Jah­ren im Geschäft, seit vier Jah­ren erfolg­reich, ist nicht nur das: Wie fast jeder Schau­spie­ler in Indi­en trägt er auch den ehren­wer­ten Titel Play­back-Sän­ger. Bei den South Indi­an Inter­na­tio­nal Movie Awards und ähn­li­chen hoch­ka­rä­ti­gen Ver­an­stal­tun­gen war er zumin­dest mehr­fach in der Kate­go­rie Best Male Play­back Sin­ger nomi­niert.

Wir sind förm­lich mit­ten in die Pro­duk­ti­on des Fil­mes Kada­vul Iru­ka­an Kuma­ru (The­re is a God, Kumar) rein­ge­schlit­tert, der Ende des Jah­res in die süd­in­di­schen Kinos kom­men wird. Es han­delt sich dabei um eine Lie­bes-Action-Komö­die ganz nach tami­li­scher Tra­di­ti­on ein bun­ter Mix – wie im rich­ti­gen Leben also. Dem Regis­seur zufol­ge sei der Film die süd­in­di­sche Ver­si­on von Han­go­ver.

Kollywood Komparsen und Zuschauer, Kollywood

Wie es für den Rest der Nacht der Fall sein wird, endet Kumars star­rer Blick auf sein Han­dy zeit­gleich mit dem Geräusch der Klap­pe. Die Sze­ne star­tet. Mit wie­gen­dem Schritt schrei­tet das unglei­che Paar zunächst von ihrem Auto kom­mend an uns vor­bei mit­ten in das Film­set hin­ein. Auf der Büh­ne zu unse­rer rech­ten klim­pert eine kom­plet­te Band laut­los, aber vol­ler Enthu­si­as­mus auf ihren Instru­men­ten. Die Par­ty ist in vol­lem Gan­ge. Schnitt. Die­se Ein­stel­lung, viel­leicht 4 Sekun­den Film­län­ge, wird fünf Mal gedreht. Wie auf Kom­man­do zückt Kumar nach jedem Schnitt sein Han­dy. Sein Blick bleibt starr, wäh­rend in Win­des­ei­le wie­der Ven­ti­la­tor, Kamm und Bürst­chen für Augen­brau­en und Bart sowie Make-Up zum Ein­satz kom­men. Minu­ten­lang wird hin und her gebrüllt, hek­tisch irgend­et­was ver­än­dert, bevor die Sze­ne noch­mal gedreht wird. Ins­ge­samt ver­geht über eine Stun­de.

Zwei­te Sze­ne: Wir ste­hen nun im Hin­ter­grund des Bil­des, wie­der in klei­ne Grüpp­chen auf­ge­teilt und tan­zen ent­spannt zu Musik, die erst spä­ter in den Film hin­ein­ge­ar­bei­tet wird.

Neben Kumar und sei­nem Freund Bala­ji betritt nun eine wei­te­re Figur die Sze­ne. Ich nen­ne sie, aus­schließ­lich ihrer äuße­ren Erschei­nung wegen, den Zuhäl­ter.

Der Zuhäl­ter, so gro­tesk er für mich auch aus­se­hen mag, erfüllt alle Attri­bu­te des­sen, was im kit­schi­gen Indi­en, mehr noch hier im Süden, als cool und männ­lich gilt: Sein mäch­ti­ger Bauch umspannt ein wei­ßes, zu eng anlie­gen­des T‑Shirt, das mit einem rie­si­gen, bun­ten und mit Pail­let­ten ver­zier­ten Tiger­kopf auf Brust­hö­he geschmückt ist. Dar­über trägt er ein Jackett, des­sen Knöp­fe mei­len­weit davon ent­fernt schei­nen, die Knopf­lö­cher zu fin­den. Der Kra­gen des Jacketts ist mit einer brei­ten Spur wei­ßer Glit­zer­stein­chen ver­ziert. Er trägt – natür­lich – eine von den in Indi­en bei Män­nern so belieb­ten Pilo­ten­bril­len mit Gold­rand. Dass die Par­ty­sze­ne nachts statt­fin­det ist dabei eher neben­säch­lich. Gro­ße gol­de­ne Klun­ker hän­gen von sei­nen Ohr­läpp­chen. Zu sei­ner Sei­te steht eine wei­ße, dun­kel­blon­de Fran­zö­sin aus Auro­ville. In einen Sari gesteckt, hof­fen die Pro­du­zen­ten wohl, sie als Inde­rin durch­zu­be­kom­men. Einer mit einer blen­dend wei­ßen Haut geseg­ne­ten Inde­rin wohl gemerkt.

stille Band in lautloser Party, Kollywood der Filmstar und die Französin im Sari

Die bei­den Haupt­dar­stel­ler begrü­ßen den Zuhäl­ter in der Sze­ne nun über­schwäng­lich. Ein gro­ßes „Hey Dude“ wird mit offe­nen Armen, einem hef­ti­gen, freund­schaft­li­chen Schul­ter­klop­fen und einem noch lau­te­rem „Hey Dude“ beant­wor­tet. Die Sze­ne ist an Lächer­lich­keit kaum zu über­bie­ten und wird etli­che Male wie­der­holt, bevor sie im Kas­ten ist. Am Bild­schirm des Regis­seurs kann ich die Ein­stel­lung, die immer wie­der in Zeit­lu­pe geprüft wird, begut­ach­ten. Sie erin­nert mich stark an die­se furcht­ba­ren low-bud­get Fil­me, die in alten, knar­ren­den und her­un­ter­ge­kom­men Bus­sen wahl­wei­se ohne Ton oder in ohren­be­täu­ben­der Laut­stär­ke auf den flim­mern­den Bild­schir­men über der Fah­rer­ka­bi­ne lau­fen.

Als auch die­se Sze­ne end­lich im Kas­ten ist, ist es fast Mit­ter­nacht. Unse­re Ner­ven lie­gen bereits blank. Das nicht enden wol­len­de Dra­ma aus Wie­der­ho­lun­gen, dröh­nen­den, hek­ti­schen Stim­men aus schlech­ten Boxen und noch schlech­te­ren Mega­pho­nen und in Gesich­ter gehal­te­ne Mini-Ven­ti­la­to­ren ist ermü­dend  und – noch schlim­mer – scheint noch Stun­den anzu­hal­ten. Wir lie­gen schon lan­ge nicht mehr im Zeit­plan. Fast noch lei­di­ger ist es jedoch, dass wir kei­ner­lei Infor­ma­tio­nen bekom­men. Mit uns redet schlicht­weg nie­mand. Wie vie­le Sze­nen wer­den noch gedreht? Bei wie vie­len Sze­nen wer­den wir als Kom­par­sen gebraucht? Wie lan­ge wird das hier über­haupt dau­ern? Wir ste­hen die meis­te Zeit ahnungs­los in einer Ecke und war­ten, teil­wei­se stun­den­lang, auf unser Code­wort: Zau­ber­trank.

Balaji, Kumar, der Zuhälter und die Französin im Sari, Kollywood Szene im Film, Kollywood Kameramann und Assistent

Es gibt end­lich eine klei­ne Pau­se. Anstatt direkt zum pro­vi­so­risch auf­ge­bau­ten Buf­fet aus Reis und eini­gen Cur­rys zu gehen, besu­chen wir lie­ber die Bar, die sich neben dem Set am Strand befin­det. Uns dürs­tet es nach Bier und wir haben noch genau 20 Minu­ten, bevor die Knei­pe, mit schumm­ri­ger Dis­co­be­leuch­tung in Rot- und Blau­tö­nen und bil­li­gen Stüh­len, schließt.

Der Wirt, mut­ter­see­len­al­lein, ist über­rascht Kund­schaft in sei­nem Laden zu sehen. Schnell wird das Pro­gramm auf der klei­nen Lein­wand an der Wand umge­schal­tet. Statt Kol­ly­wood läuft jetzt ein stumm­ge­schal­te­ter Musik­sen­der. In Anbe­tracht unse­rer miss­li­chen Lage, in der wir offen­sicht­lich die gan­ze Nacht gefan­gen blei­ben wer­den, ent­schei­den wir uns für Cock­tails. Bier bringt es jetzt ein­fach nicht. Kaum erreicht die zwei­te Run­de unse­ren Tisch, wird drau­ßen schon hek­tisch nach uns gesucht. POTION! POTION! Wir sehen uns gezwun­gen, die gera­de erst ser­vier­ten Geträn­ke in zu gro­ßen Schlu­cken run­ter zu spü­len, ver­las­sen – zuge­ge­ben – etwas ange­trun­ken die Bar und tor­keln Rich­tung Film­set.

Wir wer­den erneut im Hin­ter­grund auf­ge­stellt. Mitt­ler­wei­le haben wir auf dem Bild­schirm des Regis­seurs ent­de­cken kön­nen, dass in die­ser Sze­ne nur ab und zu einer unse­rer Hin­ter­köp­fe im Bild ist, oder ein klei­nes Stück unse­res Unter­arms. Wir sind also ganz ent­spannt.

Da wer­de ich plötz­lich am Arm gepackt und unge­fragt direkt vor die Kame­ra gezo­gen. Ich bin jetzt anschei­nend die Freun­din von Super­man, einem jun­gen Tami­len mit einem über­la­de­nen, sehr bun­ten und mit Glit­zer­par­ti­keln bestäub­ten Super­man T‑Shirt. Aber so genau weiß ich es sel­ber nicht. Mit mir redet man nicht viel. Ich ver­ste­he nicht wirk­lich was mei­ne Auf­ga­be ist. Außer­dem bin ich betrun­ken. Super­man klärt mich frag­men­ta­risch auf. In der ers­ten Sze­ne unter­hal­te ich mich lächelnd und ange­regt mit ihm, wäh­rend der Zuhäl­ter, die Kame­ra im Rücken, auf uns zustol­ziert.

Ich wer­de unsanft gepu­dert, möch­te schon laut­stark nach dem Ven­ti­la­tor schrei­en, da wer­de ich schon von ver­schie­de­nen Per­so­nen hin und her gescho­ben, mein Gesicht, mei­ne Hüf­ten in die rich­ti­ge Posi­ti­on gebracht. Mein Gesicht ist jetzt, für mein west­li­ches Distanz-Ver­ständ­nis, sehr nah an dem Super­mans. Ich über­le­ge noch, was ich mit die­sem völ­lig frem­den Typen in die­ser unan­ge­neh­men Situa­ti­on spre­chen soll, da beginnt auch schon die ers­te Sze­ne. Wir füh­ren kata­stro­pha­len Small­talk. Da ich weder die Abläu­fe ken­ne, noch die dröh­nen­den Anwei­sun­gen aus dem Mega­phon ver­ste­he, bekom­me ich nie mit wann die Sze­ne star­tet, noch weni­ger wann sie auf­hört. Wenn Super­man wäh­rend ich spre­che das Gespräch abrupt been­det und sich weg­dreht, däm­mert es mir, dass die Sze­ne vor­bei ist. Wenn nicht, macht mich Super­man mil­de lächelnd dar­auf auf­merk­sam, dass wir jetzt nicht mehr wei­ter spre­chen bräuch­ten. Immer­hin: Nach­dem er erfah­ren hat wie alt ich bin, wech­selt der jun­ge Mann vom flap­si­gen „my fri­end“ zum respekt­vol­len „Madame“.

Film der Zukunft

Nächs­te Ein­stel­lung: Super­man und der Zuhäl­ter geben sich laut klat­schend die Hand, ich ste­he wie ein klei­nes Mäd­chen dane­ben und nicke eif­rig zur Begrü­ßung.

Mei­ne drit­te und letz­te Sze­ne ist noch weni­ger erqui­ckend. Soweit ich es ver­ste­he, lässt mich Super­man wegen einer ande­ren Frau ste­hen. Ich blei­be, wütend und fas­sungs­los, die Hän­de in die Hüf­ten gestemmt, zurück.

Da nie­mand mit mir spricht, kann ich nur erah­nen, was ich über­haupt machen soll. Super­mann gibt mir wir­re Anwei­sun­gen. Es wirkt, als hät­te er sel­ber kei­ne Ahnung. Nach der ers­ten Sze­ne kommt irgend­ein Ver­ant­wort­li­cher auf Super­man und mich zuge­stürmt. Aggres­siv und unzu­frie­den brüllt er eine Zeit­lang auf Tamil auf mich ein. Dann wen­det er sich an Super­man und macht ihn auch zur Schne­cke. Irri­tiert gucke ich Super­man an, er winkt mei­nen fra­gen­den Blick nur ab. Nach­dem alles etli­che Male abge­dreht ist und ich auf gut Glück jedes Mal etwas ande­res mache, darf ich end­lich gehen.

am Set, Kollywood

Dann betritt sie end­lich die Sze­ne: die Haupt­dar­stel­le­rin Nik­ki Gal­ra­ni und Grund dafür, dass mich Super­man hat sit­zen las­sen. Die jun­ge Frau, weiß wie eine Mit­tel­eu­ro­päe­rin, trägt einen fun­keln­den, wun­der­schön ver­zier­ten, pom­pö­sen, knall­ro­ten Sari. Ihre lan­gen, dunk­len, spie­gel­glat­ten Haa­re wehen unun­ter­bro­chen im Wind des alten, rie­si­gen Ven­ti­la­tors, der ihr für die­sen Zweck – und trotz sei­nes Gewichts – stän­dig hin­ter­her getra­gen wird. Nik­ki kommt natür­lich nicht aus Tamil Nadu. Erschre­cken­der­wei­se sind die Schau­spie­le­rin­nen in den Fil­men Kol­ly­woods nur in sehr weni­gen Aus­nah­me­fäl­len aus dem süd­lichs­ten Staat Indi­ens. Grund dafür ist schlicht­weg ihre hier typi­sche dunk­le Haut­far­be, die den Schön­heits­idea­len der Inder nicht ent­spricht. Indi­en, gera­de­zu beses­sen von wei­ßer Haut, hält den Mäd­chen und Frau­en mit dunk­lem Teint ihr Leben lang unter die Nase, dass eine Frau mit dunk­ler Haut nie­mals schön sein kann. Obsku­re Cremes und Wäs­ser­chen, die eine magi­sche Auf­hel­lung über Nacht ver­spre­chen, wer­den an jeder Ecke ange­prie­sen. Kei­ne Schau­spie­le­rin, kein Model, kei­ne Wer­be­an­zei­ge, kein Pla­kat: Nichts und Nie­mand wirbt mit dunk­ler Haut. Alle ach so schö­nen Men­schen in Indi­en sind weiß wie eine Wand. Es geht sogar so weit, dass das schnee­wei­ße bri­ti­sche Model Amy Loui­se Jack­son mas­sen­haft Rol­len in Kol­ly­wood ange­bo­ten bekommt, in denen sie doch tat­säch­lich indi­sche Cha­rak­te­re mit male­ri­schen Namen wie Nandhi­ni Rama­nu­jan spielt. Eine Geschmack­lo­sig­keit, die fast alle Frau­en auf dem Sub­kon­ti­nent dis­kri­mi­niert.

Wei­ße Haut ist sogar Kri­te­ri­um für die Aus­wahl des Ehe­part­ners. Mäd­chen wird ans Herz gelegt, bloß nicht zu lan­ge in die Son­ne zu gehen. Man wol­le ja noch einen Ehe­mann fin­den. Wei­ße Haut ver­spricht Erfolg im pri­va­ten, sowie im Berufs­le­ben. Wei­ße Haut scheint ele­men­tar. Ja gar lebens­wich­tig.

Promenade in Pondicherry am Tag

Nik­ki hat jetzt ihre ers­te Sprech­sze­ne. Die Nord­in­de­rin hat Pro­ble­me mit der tami­li­schen Spra­che und ver­mas­selt die Sze­ne mehr­fach, bis der Regis­seur ihr nach­sich­tig anbie­tet, den Text auf Eng­lisch zu spre­chen. Der Film wird im Nach­hin­ein sowie­so syn­chro­ni­siert.

Es ist mitt­ler­wei­le weit nach Mit­ter­nacht. Kumar, der Haupt­dar­stel­ler, der nur von sei­nem Han­dy auf­schaut, sobald die Kame­ra läuft, hat inzwi­schen ein mäch­ti­ges Bat­tery­pack an das Gerät ange­schlos­sen.

Die schö­ne Nik­ki steigt nun aus einem schnee­wei­ßen Audi A6 aus. Wir lau­fen wie Auf­zieh­männ­chen hin­ter dem Auto die Stra­ße auf und ab. Fast eine hal­be Stun­de lang. Nik­ki hat Pro­ble­me mit ihrem Sari aus dem Fahr­zeug aus­zu­stei­gen, ohne zu stol­pern. Es ist fast zwei Uhr mor­gens. Und die Allü­ren der Haupt­dar­stel­le­rin kos­ten allen Men­schen am Set die letz­ten Ner­ven.

Nun, da Nik­ki es end­lich geschafft hat, aus dem Auto aus­zu­stei­gen, fährt die Kame­ra ganz lang­sam von ihren Füßen hoch zu ihrem Gesicht. Sie probt sich schon in ihrem las­zi­ven Gesichts­aus­druck, mit zur Sei­te geneig­tem Kopf, leicht geöff­ne­tem Mund und dem Wind des Ven­ti­la­tors in ihrem Haar, dabei ver­bleibt die Kame­ra noch meh­re­re Sekun­den lang auf Höhe ihrer Brüs­te. Eine außer­or­dent­lich bizar­re Sze­ne, die jeder Frau die Trä­nen in die Augen trie­be. Da stoppt Nik­ki völ­lig hys­te­risch die Auf­nah­me. Sie möch­te noch mal nach­ge­schminkt wer­den. Und jemand muss sich drin­gend um ihre Haa­re küm­mern. Sie wird zu ihrem Wohn­wa­gen gebracht, aus dem sie laut pol­ternd ihrer Unzu­frie­den­heit Luft macht.

Kopf­schüt­telnd bleibt die gesam­te Mann­schaft war­tend zurück. Wir hin­ken dem Zeit­plan drei Stun­den hin­ter­her.

Dann end­lich die vor­letz­te Sze­ne. Eine Grup­pe aus etwa 25 Tän­zern tritt nun auf. Kon­zen­triert und eif­rig übt jeder für sich die gelern­ten Tanz­schrit­te, eine Cho­reo­gra­phin gibt Anwei­sun­gen und führt die Tän­zer schließ­lich als Ein­heit zusam­men. Zu lau­ter, beat­las­ti­ger Musik explo­diert nun ein wah­res Feu­er­werk des­sen, was dem Kli­schee indi­scher Fil­me mehr als nur gerecht wird. Syn­chron wer­den die Hüf­ten geschwun­gen, hef­tig in die Luft geboxt, die Kör­per und die Köp­fe ver­dreht, sich in schlan­gen­ähn­li­chen Bewe­gun­gen zur Sei­te gedreht, mit weit gespreiz­ten Bei­nen kraft­voll der Unter­leib nach vor­ne geschleu­dert, als wer­de eine Sex­sze­ne gedreht. In der tro­pi­schen Nacht sind die Tän­zer nach weni­gen Minu­ten kom­plett nass­ge­schwitzt.

Dabei ist es die Mischung der Män­ner, die fas­zi­nie­rend ist. Von jun­gen, ath­le­ti­schen Män­nern bis hin zu den­je­ni­gen, die eine rie­si­ge Plau­ze vor sich her­tra­gen und umso mehr mei­nen Respekt erfah­ren, die­ses Tem­po in die­ser Hit­ze durch­zu­hal­ten, sind alle Typen vor­han­den.

In der Zwi­schen­zeit posiert der Zuhäl­ter, läs­sig auf der Motor­hau­be der blen­dend wei­ßen Limou­si­ne lie­gend, für zukünf­ti­ge Film­pla­ka­te.

Fischer reparieren ihre Netze, Pondicherry Fischersiedlung, Pondicherry

3:30 Uhr mor­gens: End­lich wird die letz­te Sze­ne vor­be­rei­tet. Auf 300 Metern ent­lang der Stra­ße wer­den quietsch­bun­te, meter­ho­he Leucht­de­ko­ra­tio­nen seit­lich der Fahr­bahn auf­ge­baut.

Im Vor­der­grund steht die Grup­pe aus Tän­zern, der sich nun Kumar, der Haupt­dar­stel­ler, anschließt. Eini­ge Meter dahin­ter ste­hen wir, eine über­mü­de­te Grup­pe Aus­län­der, die jetzt, je nach Gus­to, aber bit­te wild und in gro­ßen Bewe­gun­gen, zu der indi­schen Pop­mu­sik tan­zen soll. Hin­ter uns hat der Audi noch mal sei­nen letz­ten deko­ra­ti­ven Auf­tritt für die­se Nacht.

Die Kame­ra, weit oben an einem klei­nen Kran ange­bracht, filmt nun die gesam­te Stra­ße hin­un­ter.

Wie jede Nacht schla­fen etli­che Obdach­lo­se am Strand von Pon­di­cher­ry. Dass wir sie bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den mit lau­ter Musik aus meter­ho­hen Laut­spre­chern beschal­len und ihren Schlaf­platz in eine Dis­ko ver­wan­deln, hat sie bis jetzt nicht gestört. Doch nun wer­den eini­ge gebe­ten, sich bit­te aus dem Bild zu ent­fer­nen. Kom­men­tar­los zie­hen die­se von dan­nen und legen sich eini­ge Meter wei­ter wie­der in den Sand.

Kumar, der nun an der Spit­ze der Grup­pe tanzt, ist deut­lich weni­ger talen­tiert als die Tän­zer und wird von der Cho­reo­gra­phin noch mal ein­ge­hend unter­wie­sen. Offen­sicht­lich sieht er die Tanz­schrit­te zum ers­ten Mal in sei­nem Leben. Er kann sich die Abfol­ge ein­fach nicht mer­ken.

Auch jetzt noch ste­hen etli­che Zuschau­er um das klei­ne Film­set her­um und beob­ach­ten das sich in Zeit­lu­pe ent­wi­ckeln­de Spek­ta­kel einer indi­schen Film­pro­duk­ti­on. Sie wol­len teil­ha­ben an einer Glit­zer­welt, an schnel­len Autos, schö­nen Frau­en, west­lich anmu­ten­den Par­tys und herz­er­grei­fen­den Roman­zen; einer Welt prall gefüllt mit bun­ten, auf­wen­dig bestick­ten Saris, lau­ter Musik, wil­dem Tanz und anzüg­li­cher Cho­reo­gra­phie, an dem Fest, das das Leben der rei­chen Ober­sicht Indi­ens dar­stel­len soll. Einem Fest, das die­se Män­ner nur vom Bild­schirm her ken­nen.

Irgend­wann, als fast schon der Mor­gen über der Bucht von Ben­gal graut und die letz­te Klap­pe schal­lend fällt, ste­hen immer noch Dut­zen­de Schau­lus­ti­ge um uns her­um. Es sind die Män­ner, die sich wenig spä­ter zu den ande­ren legen wer­den, die Nacht für Nacht am Strand schla­fen. Am frü­hen Mor­gen, wenn die Son­ne am Hori­zont über dem Meer auf­ge­gan­gen ist, wird die Bran­dung als öffent­li­che Toi­let­te genutzt. Dann hocken sie dort, in Reih und Glied mit dem Rücken zum Meer, beschämt auf den Boden bli­ckend und ver­rich­ten ihre Not­durft, die augen­blick­lich von den Wel­len in die Wei­te des Mee­res gezo­gen wird. Vom Glit­zer und Glanz Kol­ly­woods wird dann am Strand von Pon­di­cher­ry nichts mehr als eine vage Erin­ne­rung übrig sein.

Strand, Pondicherry Strand Pondicherry

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