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John Wessels war draußen auf den Straßen, als die Polizei von Johannesburg mit Gummigeschossen auf die Männer feuerte, deren wütende Gesichter von den Flammen der brennenden Barrikaden erleuchtet wurden. Wessels war mittendrin. Der junge Südafrikaner ist Pressefotograf. Die Proteste der armen Leute gegen die Zwangsräumungen der besetzten Gebäude hier in Jeppestown, einem Viertel südöstlich der berüchtigten Downtown, die musste er natürlich ablichten. »That was heavy shit«, sagt Wessels über diesen Tag, der gerade einen Monat zurückliegt.
Für einen Besucher, der erst ein paar Stunden in Maboneng verbracht hat, klingt es wie die Geschichte aus einer anderen Welt. Man ist erstaunt. Wer eine Woche in Maboneng unterwegs war, wundert sich nicht mehr.
Maboneng, das bedeutet »Ort des Lichts«. Den Namen hat sich die Immobiliengesellschaft Propertuity ausgedacht, die das kleine Viertel in einen Szenebezirk umgewandelt hat. Es ist ein Kunstname, mehr eine Verheißung als eine geografische Bezeichnung. Die Nachbarschaft liegt genau zwischen Jeppestown und dem Stadtteil Doornfontein, bislang umfasst sie kaum mehr als die unmittelbaren Seitenstraßen entlang der Fox Street. Doch ihr Ruf geht weit über die Häuserblocks zwischen Berea Road und John Page Drive hinaus.
Der Gast aus Deutschland wähnt sich in einer Miniaturausgabe von Berlin-Kreuzberg oder dem Hamburger Schanzenviertel. Das ist natürlich eine eurozentrische Perspektive, aber es erklärt die Gemütslage des Reisenden: überaus entspannt.
In dem kleinen Café Eat Your Heart Out bringt der Kellner gut abgestimmte Smoothie-Kreationen: Rote Beete mit Apfel, Melone mit Minze, Karotte mit Ingwer. Die Speisekarte steht auf einer Schiefertafel, die von einem Holzrahmen eingefasst wird. Der Kaffee ist mild und aromatisch. Im Little Addis Café nebenan gibt es äthiopische Küche, im House of Baobab um die Ecke Spezialitäten aus dem Senegal. Die Fabulous Burger Boys belegen das Rindfleisch auch mit Blauschimmelkäse, alles junge, gutaussehende, motivierte Männer. Allerbeste Organic-Food-Idylle. Ein Mittagessen kostet vielleicht zehn Euro, für einen Urlauber, der 600 Euro für den Flug nach Südafrika ausgeben kann, ist das – völlig okay.
Wie Kreuzberg oder Schanzenviertel: die Nachbarschaft Maboneng.
Im Café sitzt auch James Rood, Mitte 30, er hat die Statur eines Footballspielers. »This place is fucking beautiful«, so fasst er die Atmosphäre zusammen. Rood war lange fort und kann sich an diesen Ort hier nicht erinnern.
Der gebürtige Südafrikaner wuchs in Johannesburg auf, als Weißer in Hillbrow, einem der kriminellsten Viertel der Stadt. Er ging nach England, arbeitete für eine norwegische Ölfirma, machte gutes Geld. Jetzt ist er zurück in Südafrika, besucht Verwandte, die Arbeit hat er gekündigt. Es bleibt offen, wieso. Rood ist in Johannesburg also Einheimischer und Tourist zugleich. Die Immobilien in Maboneng sind erschwinglich für ihn. Es ist womöglich dieser sonnige Tag im April, der seinem Leben eine neue Wendung geben wird.
Samstagmorgen, das Wochenende hat begonnen. Stilsicher gekleidete Bohemiens führen ihre Garderobe aus: Skinny Jeans, Vintage-Shirts, Sakkos mit Einstecktuch, Sneaker in Bonbonfarben, schwere Goldketten, die mit großem Ernst, aber wohl doch ein wenig halbironisch getragen werden. In dieser »connected urban neighbourhood«, so steht es auf einem Schild, sind die Leute gut drauf, was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass sie für südafrikanische Verhältnisse ziemlich wohlhabend sind. Die Touristen aus Europa, die vom Stil her deutlich gegen die Einheimischen abfallen, laufen staunend die Fox Street entlang und fragen sich, ob sie hier wirklich in der Innenstadt von Johannesburg sind. Kurze Erinnerung: Sicherheitsleute stehen an jeder Straßenecke.
Shoppen und Schlemmen – beschützt von einer privaten Sicherheitsfirma.
Johannesburg hatte lange den Ruf als gefährlichste Stadt der Welt. Das war in den neunziger Jahren, als die Apartheid abgeschafft worden war und die Geschäftsleute die Innenstadt verließen, um sich im Norden der Stadt niederzulassen. Die Mordrate soll damals die Zahl der Verkehrsunfälle überstiegen haben. Heute hat Johannesburg einen kleinen, gesunden Hype. Die Downtown gilt für weiße Touristen allerdings immer noch als No-Go-Zone. Aber nicht Maboneng.
»It was a rough place«, erzählt Dario Manjate, der die Gegend schon kannte, bevor Propertuity 2009 damit begann, Gebäude aufzukaufen und an junge Unternehmer zu vermieten. Der Künstler ist an diesem Abend nach Maboneng gekommen, weil in der Galerie Imba Ya Sarai eine Ausstellung eröffnet, die seine Werke zeigt. Es sind Collagen aus Magazinschnipseln, mit etwas Abstand erkennt man darin ein Frauengesicht. Es gehört Manjates Nichte.
Dreimal sei er in der Downtown mitten am Tag überfallen worden, berichtet der Südafrikaner. Gäbe es Maboneng nicht, sagt er, dann müsste man in der Gegend große Angst haben. Er habe nie geglaubt, dass es hier einmal so sicher sein würde. In den Häusern der Nachbarschaft könnten sich keine Kriminellen mehr verstecken, im Gegensatz zu den »vandalized buildings« ganz in der Nähe. »I hope there will be more places like this«, sagt Manjate. Für ihn als Künstler wäre das förderlich.
»This place became a hotspot«, findet auch Ben Tuge, ebenfalls Künstler, der hier seine Werke ausstellt. Er trägt eine schwarze Lederjacke, schwarze Mütze, die Brille hängt ihm vor der Brust. Tuge kam vor 15 Jahren aus Simbabwe nach Südafrika. Auch die Kunst sei für ihn eine Reise gewesen. »You have to practice. You have to understand yourself.« Seine aus weichem Holz geschnitzte, etwa einen Meter hohe und überaus anmutige Frauenfigur kostet 18.000 Rand. Der deutsche Besucher rechnet nach: mehr als 1000 Euro, doch etwas zu viel für ein Mitbringsel.
Künstler Ben Tuge: drei Monatseinkommen für eine Statue.
Die Menschen, die vor einem Monat nur ein paar Blöcke weiter auf die Straße gingen und irgendwann Geschäfte geplündert haben, müssten für Ben Tuges Figur statistisch gesehen ungefähr drei Monate arbeiten – wenn sie Arbeit hätten. Es sind solche Zahlenspiele, die vielleicht erklären, warum die Stimmung so aufgeheizt ist, dass sie sich in einem derartigen Gewaltausbruch entladen hat. »It was just a matter of time until Jeppe locals stood up against the aggressive development of Maboneng«, kommentierte eine Frau auf Twitter.
Fotoreporter John Wessels fährt den Ort des Geschehens noch einmal ab. Er steuert seinen Wagen über die Main Street, dann in die Betty, die Marshall und rüber zur Madison. Er fährt nicht zu schnell und nicht zu langsam. Und nicht zu weit nach Süden, denn er will nicht, dass sein Gesicht dort erkannt wird.
Keine zehn Minuten zu Fuß von Maboneng entfernt steht das sogenannte Hostel, wo früher die Mitarbeiter der staatlichen Minenfirma wohnten, eine Wohnbaracke, in der heute mehrere hundert Männer unter erbärmlichen Bedingungen leben. Das Haus wurde wie so viele Gebäude in der Innenstadt irgendwann einfach besetzt. Wessels fährt nicht direkt dort vorbei. Aber er zeigt die geplünderten Shops in der Nähe, die Einschusslöcher der Polizeigeschosse, Schmauchspuren an den Fassaden.
Viele Menschen hier seien in Gangs organisiert, erzählt Wessels, der auf seiner Fahrt die andere, die Kehrseite von Maboneng zeigen will, wie er sagt. Die Demonstration sei gut abgestimmt gewesen, alle hätten Bescheid gewusst. Wie auf Kommando seien Steine von den Dächern geflogen, als die Polizei anrückte. Er hat Männer auf den Häusern schon mit Feuerwaffen gesehen.
Wessels kennt die Gegend gut, er wohnt seit einiger Zeit in Maboneng, aber nimmt gewissermaßen die Rolle des neutralen Beobachters ein. Er grüßt die Verkäufer auf dem nahen Zulu-Markt, den Schrotthändler aus Indien, die Einwanderer aus Benin oder Mosambik mit ihren kleinen Shops, den ehemaligen Jäger und Extremsportler Swazi Werner in seiner abgedrehten Zebra Bar, wo fast 100 ausgestopfte Antilopen, Zebras und Affen an der Wand hängen. Wessels hält ihn fest: den Gegensatz aus Arm und Reich, der hier auf besonders engem Raum offensichtlich wird.
Aufstand der Armen: Spuren der Verwüstung in Jeppestown.
Alles sei ein Missverständnis gewesen, erklärt Bheki Dube, Betreiber der Curiocity Backpackers an der Fox Street. Auch ein Hostel, aber in diesem Fall erste Anlaufstelle für Traveller, die auf ihrer Südafrika-Rundreise keinen Bogen um Johannesburg machen. Propertuity habe den kritischen Räumungsbescheid nicht geschickt, sondern eine andere Immobilienfirma, sagt Dube. Das ist richtig. In den lokalen Medien und sozialen Netzwerken wurde spekuliert, welches Unternehmen es dann gewesen sein könnte, Propertuity jedenfalls nicht. Doch das Vorzeigeprojekt Maboneng war als Projektionsfläche für die Wut der Habenichtse einfach zu passend. Weil der Aufstand von der Polizei niedergeschossen wurde, kehrte allerdings schnell wieder Ruhe ein.
Bheki Dube spricht nicht so gerne über die denkwürdige Nacht vor vier Wochen. Lieber erzählt er von der Zukunft. »This is the most talked-about neighbourhood of Johannesburg«, sagt er. Zwar gibt es auch andere Kreativstandorte wie 44 Stanley in Richmond, aber dort ist alles gehobener, es werden antike Möbel aus Europa verkauft, und Melville ist nicht fern, wo man über keine Mauer steigen kann, ohne dass der Strom einen umwirft. Maboneng dagegen hat einen wilden Ruf.
Die überschaubare Nachbarschaft könne ein Vorbild für die Stadt sein, findet Dube. Tatsächlich will die Stadtregierung die Downtown wiederbeleben, riesige Plakate an leerstehenden Hochhäusern kündigen eine »radical transformation« an. Dube sieht in Maboneng so etwas wie einen Funken, der die ganze Stadt anfeuern könnte. Er wählt eine andere Metapher: »Let the bubble grow, let it explode and spread up.« Dube lässt keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint.
Der Selfmade-Unternehmer ist Fotograf, er reiste durch Südafrika und machte Bilder von Hostels, schaute sich Konzepte an. Dann kam Propertuity mit CEO Jonathan Liebman, der unter anderem in Brooklyn gelernt hat, wie man verrufene Stadtteile in Szeneviertel verwandelt. Das Curiocity war geboren, Ableger in Kapstadt und Durban sind schon geplant. »In five years this will be the leading hostel in South Africa«, prognostiziert Dube. Er ist 23 Jahre alt.
Das Curiocity ist ein Ort, wie ihn sich der Reisende wünscht: Industriedesign, günstige und saubere Zimmer, freundliche Mitarbeiter, die Stadtführungen und Ausflüge organisieren und dem Gast das Gefühl vermitteln, auf Augenhöhe mit ihm umzugehen. Man erzählt die spannende Geschichte, dass sich Nelson Mandela einst in dem Gebäude versteckt hielt, als er in der Zeitschrift »Fighting Talk« für den African National Congress (ANC) politische Streitschriften veröffentlichte. Abends wird zusammen Billard gespielt, und viele Touristen hier glauben, schon nach kurzer Zeit kleine Freundschaften mit den »locals« zu schließen.
Der in Deutschland etwas überstrapazierte Kampfbegriff Gentrifizierung ist auch in Johannesburg ein Schlagwort, das für Diskussionen sorgt. Dube hält ihn mit Blick auf Maboneng für nicht passend. »The rents go up. That’s natural progression«, sagt er. Im Übrigen brauche man das Geld der »upper class« – er hält kurz inne und ergänzt: und der »middle class« – um ein Viertel zu entwickeln. Wenn die Regierung sich so ein Projekt vornehme, dann dauere das drei oder vielleicht auch fünf Jahre, bis etwas passiert. Oder es tut sich überhaupt nichts. Propertuity ist da deutlich schneller und mit seiner Expansion noch lange nicht am Ende.
Curiocity Backpackers, Bheki Dube, Maboneng: ein gutes Geschäft.
An der Ecke Beacon / Lower Ross steht James Rood vor einem gewaltigen Wohnblock mit dem Konterfei Nelson Mandelas. Propertuity renoviert das Gebäude, Arbeiter hocken auf dem Dach, im Erdgeschoss gibt es ein Geschäft, das durch ein Schild schon als zukünftige Cupcake-Bar ausgewiesen ist. Die Immobilienfirma informiert über die Apartments, die hier entstehen sollen. 45 bis 65 Quadratmeter, das sei für ihn zu wenig, sagt Rood. 100 Quadratmeter seien besser. Im Curiocity lässt er sich später die Baupläne des Wohnkomplexes zeigen.
Propertuity gehören nach eigenen Angaben bereits mehr als 35 Gebäude in der Gegend. Maboneng soll vor allem nach Norden hin wachsen, mit Prestigeobjekten wie dem Hallmark House an der Siemert Road, »the most desirable lifestyle space on the African continent«, wie es in der Werbebroschüre heißt. Die Penthouse-Suite hat 125 Quadratmeter plus eine 48 Quadratmeter große Außenterrasse. Aber auch südlich der Fox, mehr in Jeppestown, sind moderne Apartmentkomplexe geplant. Eines heißt Craftsmen’s Ship, designt vom bekannten südafrikanischen Künstler Stephen Hobbs. Insgesamt 193 Wohneinheiten gibt es, außerdem einen Pool. 29 Quadratmeter sind für knapp eine halbe Million Rand zu haben, das sind 30.000 Euro, ein echtes Schnäppchen.
Noch sehen viele Straßenzüge trostlos aus. Ärmlich gekleidete Menschen schieben sich an Häuserwänden entlang, Ratten wühlen im Müll, aufgerissene Bürgersteige. In welchen Gebäuden einmal die urbane Kreativelite Johannesburgs residieren wird, davon zeugen an vielen Stellen bislang nur Graffitis. Es sind keine hingeschmierten Tags, sondern großflächige Kompositionen von angeheuerten Künstlern, so wie das Bild von Mandela, das Touristen begeistert von der tollen »Street Art« schwärmen lässt. Propertuity bedient sich einer Ausdrucksform der Straße, aber es bleibt offen, ob es ein Zeichen der Annäherung ist oder der Verdrängung, die Vereinnahmung des Gegners mit den Mitteln der anderen Seite.
Streifzug durch Maboneng und Umgebung: Penthouses im Elendsviertel.
Auf dem Food Market im Arts on Main, einer alten Lagerhalle, in der Maboneng gewissermaßen seinen Ausgang nahm, stellt man sich solche Fragen eher nicht. Dafür gibt es ausgezeichnete Küche. Thai-Gerichte, Currys, Buritos, Kuchen, craft beer aus Soweto. An vielen Ständen werden Probierhäppchen angeboten. Alles wirkt erstaunlich bürgerlich. Als Vorbild dient der Neighbourgoods Market in Bramfontein, der auch erst 2006 von zwei jungen Kreativen gegründet wurde und für das neue, trendbewusste Johannesburg steht. Viele Köche trifft man auf beiden Märkten. »Kulinarik ist ein großes Thema«, mit einer solchen Leerformel würden Tourismusvermarkter die Bedeutung des Arts On Main für Maboneng umschreiben.
Viele Touristen snacken sich hier durch den Mittag, aber auch wohlhabende Johannesburger aus den reichen Vororten im Norden, aus Sandton und Rosebank, wo es aussieht wie in Europa. Sie kommen mit ihren Limousinen und SUVs herunter, weil diese Nachbarschaft hier ein hippes und gleichzeitig sicheres Wochenendvergnügen verspricht. Und tatsächlich wirkt ja eine Gated Community wie zum Beispiel Melrose im Gegensatz zu Maboneng unendlich trostlos.
Abends verlagert sich das Treiben in Richtung Patapata. In dem Restaurant werden Weinflaschen entkorkt und zarte Filets serviert. Im Theater nebenan interpretiert eine junge Künstlergruppe an diesem Tag Shakespeares »Sommernachtstraum«. Und in der Rooftop-Bar in der Kruger Street genießen junge Menschen ihren Sundowner. Ein DJ legt auf, über Johannesburg geht die Sonne unter. Maboneng, das ist ein Ort für die neue kreative Klasse im Sinne Richard Floridas, die Avantgarde der Globalisierung, junge Unternehmer, für die guter Geschmack und Stilempfinden immer schon fast genauso wichtig waren wie Produktivität und Geschäftssinn.
Eine junge Schmuckdesignerin auf dem Arts On Main hat eine andere Perspektive auf das Viertel: »It’s escapist land. It’s a peep show.« Die junge Frau nicht will, dass ihr Name irgendwo erscheint, sonst werde sie nicht mehr eingeladen. »You can’t have one street that is paralyzing clean, and everything around is falling apart«, sagt sie. Die lokale Gemeinschaft profitiere kaum. »They call it community development, but it isn’t.« Man nutze die Menschen und ihre Kultur für das Image des Viertels. »But how are they empowered?« Inwieweit werden die armen Menschen rund um Maboneng ermächtigt, ihr Leben zu verbessern?
Organic-Food-Idylle: der Markt im Arts On Main.
Propertuity liefert ein paar Antworten: »A great part of the Maboneng Precinct is about empowering young entrepreneurs and growing the local economy«, teilt das Unternehmen mit. Günstige Mieten sollen den Menschen die Möglichkeit geben, ihr eigenes Geschäft zu starten. Es gibt das Konzept »Made in Maboneng«, das den Verkauf von lokal hergestellten Waren fördern soll. Mit dem Lalela Project hat sich eine Initiative in Maboneng eingemietet, die Kinder von der Straße künstlerisch ausbildet, um ihnen auf diese Weise ein Einkommen zu bescheren. In einer Galerie werden Shirts und Postkarten der Marke iwasshot in joburg verkauft. Das gefährliche Image der Stadt kommerziell vermarkten, um den armen Kids zu helfen: Warum nicht?
Dass sich Maboneng und die Welt jenseits seiner Grenzen aber höchstens im Rahmen von Charity-Projekten näherkommen, dürfte allein am Preisniveau liegen. Kaum einer der ansässigen Bewohner kann es sich leisten, hier zu essen, zu feiern, zu wohnen oder einzukaufen. Das Kulturangebot des Viertels wird von und für Menschen gestaltet, die nicht aus Jeppestown kommen. Der Pub Fox Denn, wo zu hypnotischer Musik billiges Bier getrunken wird, liegt eine Minute vom Patapata entfernt. Doch es sind zwei Welten, die nichts miteinander zu tun haben.
James Rood fährt nachts mit einem Mietwagen durch die Stadt. Er war in Melville essen, abends ist dort nicht mehr viel los. Das Auto rollt jetzt durch Hillbrow, das Viertel seiner Kindheit, zurück in Richtung Maboneng. Der Strom ist ausgefallen, das passiert gerade häufig in Johannesburg, weil die Kraftwerke überlastet sind. Rood schnippt die Zigarette aus dem offenen Fenster in die Düsternis der Nacht und denkt nach. Soll er zuschlagen? »Maybe that’s the most stupid idea of my life«, sagt er. Am Ende wird er zwei Apartments kaufen.
Letzter Abend in Maboneng, das Patapata hat heute geschlossen. Überhaupt es ist verdächtig leer im ganzen Viertel. In Südafrika kommt es gerade zu rassistischen Ausschreitungen gegen Einwanderer aus anderen afrikanischen Ländern. In Durban haben sie einem Mann einen Autoreifen übergestülpt und diesen in Brand gesteckt. Die Shops der Einwanderer in Jeppestown sind verbarrikadiert. Wieder gibt es Plünderungen, brennende Reifen, Schüsse in der Nacht. Die Mitarbeiterin im Curiocity Backpackers öffnet die Vordertür und lauscht in die frische Aprilluft. Die Straße hinauf grölen Männer. »It is not safe«, sagt sie zu ihren Gästen.
Für Propertuity ist Maboneng ein gutes Geschäft. Aber auch eine Vision, die von der Haltung getragen ist, die Welt besser zu machen. Womöglich geht beides oft Hand in Hand. Es ist ein Ort, an dem der Reisende aus Mitteleuropa seine Lebenswelt wiederfindet und sich deshalb wohlfühlt. Gentrifizierung auf die harte Tour, in einem Land, wo die Reichen besonders viel haben, die Armen gar nichts, und der Staat keinen Ausgleich schafft. »Maboneng is a place of light«, erklärt Propertuity, »and home to the children of the world.« So einfach ist es nicht.
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Wir sehen immer auch das, was wir mitbringen.
Ein tiefgründiger Bericht, der hinter die Kulissen blickt. Ich habe mich schon so oft gefragt, ob wir uns manchmal Dinge schön denken… Im Grunde dient manches nur dazu, dem weißen Besucher ein gutes Gefühl zu vermitteln. Da gehört schon einiges dazu, das zu hinterfragen… Lg
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