Von Berlin in den Busch

Ich wür­de ja ger­ne behaup­ten, dass mein Plan, mich in Afri­ka zum Ran­ger aus­bil­den zu las­sen am Boden eines zu häu­fig gefüll­ten Schnaps­gla­ses gele­gen hät­te. Das wür­de näm­lich bedeu­ten, dass ich nicht ganz bei Sin­nen war, als die Ent­schei­dung fiel. Tat­säch­lich ist das aber nicht der Fall. Dass ich jetzt hier in Afri­ka bin, mor­gens von Löwen­ge­brüll geweckt wer­de und abends die Schram­men und Schürf­wun­den an mei­nen Bei­nen bestau­ne, das soll­te so kom­men. Irgend­wie.

Aber von vor­ne.

Anfang 2014 reis­te ich zum ers­ten Mal nach Süd­afri­ka und wäh­rend der Fun­ke auf mei­ne Mit­rei­sen­den zu der Zeit nur so halb über­zu­sprin­gen schien, war für mich mit dem ers­ten Tag des Jah­res klar: Hier gehö­re ich hin. An die­sem ers­ten Tag in 2014 sah ich mei­nen ers­ten wil­den Ele­fan­ten.

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Mitt­ler­wei­le sind unzäh­li­ge sol­cher Begeg­nun­gen gefolgt; nicht nur durch die Schei­be eines Miet­wa­gens betrach­tet son­dern zu Fuß, auf dem­sel­ben Fleck­chen Erde ste­hend, teil­wei­se nicht mehr als eine Arm­län­ge ent­fernt. Ich konn­te den Atem die­ser Gigan­ten auf mei­ner Haut spü­ren, habe gese­hen, wie sie ihre Jun­gen beschüt­zen, sich im Schlamm wäl­zen und auch mal ziem­lich böse wer­den kön­nen.
Dass es für mich als Euro­päe­rin und blu­ti­ge Anfän­ge­rin in Sachen Safa­ri tat­säch­lich mög­lich ist, mich in Süd­afri­ka zum so genann­ten “Field Gui­de” aus­bil­den zu las­sen, erfuhr ich wäh­rend mei­ner Zeit im Addo Natio­nal­park, wo ich in einem klei­nen Guest­house arbei­te­te, um an den Rei­se­kos­ten zu spa­ren und das Land so zu sehen wie es die Locals ken­nen. Als ich schließ­lich nach drei Mona­ten in Süd­afri­ka wie­der ins Flug­zeug gen Deutsch­land stieg, stand mein Ent­schluss fest: Egal, wie lan­ge es dau­ern soll­te, ich wür­de das Geld zusam­men spa­ren, um die­se Aus­bil­dung machen zu kön­nen.

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War­um?
Die Fra­ge habe ich mir im Jahr 2014 oft genug gestellt. War­um will ich das machen? War­um will ich ein Jahr lang drau­ßen in der Wild­nis leben, von der Natur ler­nen und mich in Gefah­ren­si­tua­tio­nen bege­ben, die ‑unge­lo­gen- mein Leben kos­ten könn­ten?
… War­um is’ eine so lebens­mü­de?
Die Ant­wort dar­auf habe ich erst hier drau­ßen fin­den kön­nen. Noch zu Hau­se, wäh­rend der Vor­be­rei­tun­gen, bin ich ein­fach nur einem Instinkt gefolgt; habe alle Zwei­fel über Bord gewor­fen und mei­nen Kom­pass ganz aufs Bauch­ge­fühl aus­ge­rich­tet – egal was alle ande­ren davon hiel­ten. Und ich erin­ne­re mich noch genau an das Gefühl, mit dem ich Anfang Febru­ar ins Flug­zeug stieg.

Muf­fen­sausen.

Ich hät­te nie­mals für mög­lich gehal­ten oder gar erah­nen kön­nen, was mir in den kom­men­den drei Mona­ten begeg­nen wür­de; was ich alles ler­nen, erfah­ren und sehen wür­de; wie sich mein Hori­zont erwei­tern und mein Ver­ständ­nis von der Welt, in der wir leben ver­tie­fen wür­de.

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Als mei­nen Aus­bil­der wähl­te ich den – wie ich fin­de- bes­ten Anbie­ter in Sachen Natu­re & Field Gui­de Edu­ca­ti­on aus, den es da drau­ßen gibt: Eco­Trai­ning.
Eco­Trai­ning gibt es seit über zwan­zig Jah­ren, sie sind in der Safa­ri-Indus­trie ein bekann­ter Name und haben unend­lich vie­le Kon­tak­te. Wer sich durch Eco­Trai­ning aus­bil­den lässt, erhält spä­ter bes­se­re Chan­cen auf dem Arbeits­markt, weil jeder weiß, dass es nur die Bes­ten der Bes­ten durch die­se Aus­bil­dung schaf­fen.
Die letz­ten drei Mona­te habe ich mit inten­si­vem Ler­nen in frei­er Natur ver­bracht. Ich bin täg­lich bis zu acht Stun­den durch den Busch gewan­dert und habe jeden Mit­tag eine Theo­rie-Ein­heit im wil­den Klas­sen­zim­mer gelehrt bekom­men. Ich bin jetzt qua­li­fi­ziert im Fähr­ten- und Ster­nen­le­sen; dar­in das Ver­hal­ten der Big 5, sowie der häu­figs­ten ande­ren Tie­re im Kru­ger Natio­nal­park zu ver­ste­hen und zu inter­pre­tie­ren; ich habe die Basics in Sachen Geo­lo­gie und Öko­lo­gie gelernt und weiß jetzt, wie viel Arbeit so ein Mist­kä­fer täg­lich bewäl­tigt. Ich kann Off­road mit einem Land­ro­ver an einer Her­de Ele­fan­ten vor­bei­fah­ren und dabei erklä­ren, wie es sich mit ihrem Paa­rungs­ver­hal­ten so ver­hält.

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All das erwäh­ne ich nicht, um anzu­ge­ben.

Ich erwäh­ne es, weil ich wohl selbst noch nicht ganz rea­li­siert habe, was für einen Satz ich gemacht habe. Die Aus­bil­dung zum Field Gui­de Level One dau­ert 55 Tage. Danach folgt ein Theo­rie­test, sowie eine prak­ti­sche Fahr­prü­fung, bei der man sein Kön­nen und Wis­sen unter Beweis stel­len muss. Bei­des habe ich bestan­den und darf mich jetzt offi­zi­ell Field Gui­de nen­nen. Das ist jedoch erst der Anfang. Wer in der Safa­ri-Indus­trie arbei­ten möch­te, braucht vor allem eins: Arbeits­stun­den drau­ßen im Busch. Die Basics, die sich in die­sen ers­ten Mona­ten mit Eco­Trai­ning erler­nen las­sen, sind ein guter Anfang – der bes­te, wenn ihr mich fragt – aber sie sind eben nur ein Anfang.
Im Gespräch mit vie­len Gui­des in den letz­ten Mona­ten habe ich vor allem eines gelernt: Der Reiz an die­sem Job liegt dar­in, dass man täg­lich etwas Neu­es lernt. Der Kopf muss frisch blei­ben; kei­ne Begeg­nung mit einem wil­den Tier gleicht einer ande­ren. Eco­Trai­ning hilft des­halb bei der Ver­mitt­lung von Prak­ti­ka in Lodges. Und wer sich hier gut anstellt, hat viel­leicht das Glück über­nom­men zu wer­den.

Nicht jeder wird am Ende Field Gui­de.

Ja, die meis­ten wer­den eine Anstel­lung in einer Lodge fin­den und in Zukunft Tou­ris­ten die Tie­re zei­gen, aber es gibt so viel mehr Mög­lich­kei­ten da drau­ßen: Eini­ge wer­den tat­säch­lich Wild­life-Ran­ger und beschüt­zen die Reser­va­te und Tie­re, set­zen sich zum Bei­spiel unter Ein­satz ihres Lebens im Kampf gegen Nas­horn-Wil­de­rei ein. Ande­re absol­vie­ren ihr Prak­ti­kum in einer For­schungs­ein­rich­tung und machen so die rei­ne Tier­be­ob­ach­tung zu ihrem Job. Und wie­der ande­re neh­men das im Busch Gelern­te wie­der mit nach Haus in ihr Hei­mat­land. Doch was auch immer die Stu­den­ten von Eco­Trai­ning in Zukunft anstel­len wer­den: Sie wer­den es im Sin­ne der Natur tun und mit dem fes­ten Vor­satz, die Welt ein klei­nes biss­chen bes­ser zu machen.

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Ich für mei­nen Teil wer­de mein Prak­ti­kum in der Wüs­te Nami­bi­as machen. Im Anschluss dar­an keh­re ich zurück nach Süd­afri­ka und gehe mit mei­ner Aus­bil­dung noch einen Schritt wei­ter, indem ich mich zum “Trails Gui­de” aus­bil­den las­se. Das bedeu­tet, den Umgang mit einer Schuss­waf­fe zu ler­nen und sich dar­in zu qua­li­fi­zie­ren, zu Fuß durch den Busch zu mar­schie­ren. Ein Ende ist also noch lan­ge nicht in Sicht.
All das wäre für mich noch im letz­ten Jahr unvor­stell­bar gewe­sen. Und es jetzt auf­zu­schrei­ben, klingt auch irgend­wie nach einem irren Scherz. Aber die Wahr­heit ist:

Mir liegt das hier, das wil­de Leben.

Ich befin­de mich in der Gesell­schaft von jun­gen Men­schen, die Gutes tun wol­len, die das Groß­stadt­le­ben genau so satt haben wie ich. Ich habe das gro­ße Glück, von den bes­ten Leh­rern ler­nen zu dür­fen, die es in der Bran­che wohl gibt. Und ich darf wie­der drau­ßen spie­len bis zum Abend­brot.
Wohin auch immer mich die­ser Weg am Ende füh­ren wird, ich bin sicher, dass ich mit Eco­Trai­ning mei­ne Bestim­mung fin­den wer­de. Ich sit­ze hier jetzt an einer uner­schöpf­li­chen Quel­le an guten Geschich­ten, die erzählt wer­den wol­len.
Und das war schließ­lich immer mein Traum…

Um euch einen Ein­druck zu ver­mit­teln, wie es hier drau­ßen so ist, habe ich mit mei­nen Mit­stu­den­ten einen klei­nen Film auf­ge­nom­men. Viel­leicht weckt er ja auch in euch den Wunsch, wie­der wild zu sein…

 

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Antworten

  1. Avatar von Desertrhino

    Die Ein­hei­mi­schen dort haben wir als sehr zuvor­kom­mend erlebt.

    Trotz­dem haben wir gro­ße Unter­schie­de fest­ge­stellt,
    die abhän­gig davon waren wo man sich mit ihnen unter­hält.
    In der Haupt­stadt waren eini­ge Kol­le­gen doch schon ziem­lich
    – wie sagen wir’s mal am bes­ten – beharr­lich auf­dring­lich.
    Abseits der Tou­ris­ten-Hoch­bur­gen dann ein kom­plett ande­res Bild.
    Gast­freund­lich und schon nahe­zu schüchtern.Jedenfalls braucht man in die­sem Land kei­ne Sor­ge haben beraubt zu wer­den.

  2. Avatar von Vanessa Leppert

    Lie­be Gesa,
    ein wun­der­schö­ner Bei­trag, mit ganz tol­len Fotos! Das möch­te ich Dir auch pri­vat schrei­ben, da ich ein ech­ter Bewun­de­rer Dei­nes Blogs bin. Aber auch beruf­lich habe ich eine Anfra­ge: Ich arbei­te in einem Buch- und Zeit­schrif­ten­ver­lag, betreue dort eine Zeit­schrift im Bereich Erwach­se­nen­bil­dung. Für die nächs­te Aus­ga­be wür­den wir gern einen Aus­zug aus Dei­nem Bei­trag ver­wen­den. Ein Kol­le­gin von mir hat­te Dir schon eine Mail geschrie­ben. Es wäre toll, wenn Du mir dazu ant­wor­ten könn­test. Sehr herz­li­che Grü­ße Vanes­sa

  3. Avatar von Judith
    Judith

    Ich hade­re sel­ten damit, das ich nicht mehr jung bin, aber das ist eine sol­che Gele­gen­heit. Da bedau­re ich sehr, dass mir sol­che Optio­nen nicht mehr offen ste­hen. Wir waren die­ses Jahr einen Monat mit dem Dach­zelt in Nami­bia unter­wegs und ich habe es geliebt. Vor allem das schla­fen unter frei­em Him­mel und die unend­li­che Wei­te war wun­der­schön. Genieß Dei­ne Zeit

    1. Avatar von Gesa

      Lie­be Judith,

      Ich bin jetzt in Nami­bia und mir steht genau die­se Erfah­rung bevor. Freue mich rie­sig drauf! Mor­gen geht es los 🙂

      Was das Alter angeht, so bin ich ein gro­ßer Ver­fech­ter des­sen, dass es nur eine Zahl ist… Uns er ältes­ter Mut­stu­dent war 59 Jah­re alt. Und wie gesagt: Nicht jeder macht die­se Aus­bil­dung, um am Ende Safa­ri Gui­de zu wer­den. Vie­le wol­len ein­fach nur erfah­ren, wie es ist, so natur­ver­bun­den zu leben. Es ist eine Erfah­rung, die einem wirk­lich die Augen öff­net und einen für immer ver­än­dert – ganz gleich, wie alt man ist. Ich kann es jedem nur wärms­tens emp­feh­len!

      Alles Gute für dich!!

      Gesa

  4. Avatar von Jens

    Hal­lo! Wow, Süd­afri­ka muss ein ech­ter Traum sein. Wenn ich das lese, kann ich mich regel­recht weg­träu­men und mir vor­stel­len, wie auf­re­gend und schön dein Leben dort wohl ist. Ich ver­trei­be mir den Som­mer mit Fischen in Öster­reich. *g*

    1. Avatar von Gesa

      Es ist wirk­lich ein ganz wun­der­ba­rer Ort. Vor allem drau­ßen im Busch ticken die Uhren anders… I love it!

  5. Avatar von Dario

    Ich weiß genau was DU meinst!!!!!!
    Lie­be Grü­ße aus Oudt­sho­orn
    Dario

    1. Avatar von Gesa

      Dario, mein Bes­ter!
      Ich sen­de einen ganz lie­ben Gruß nach Oudt­sho­orn!

      Gesa

  6. Avatar von Sophia

    Lie­be Gesa,
    TOLL!!! Ich bin völ­lig begeis­tert und fin­de das, was Du machst ein­fach nur gran­di­os. Süd­afri­ka hat mich auch voll uns ganz in sei­nen Bann gezo­gen. Bin super gespannt, was Du noch alles berich­ten wirst.
    Vie­le lie­be Grü­ße aus Ham­burg
    Sophia

    1. Avatar von Gesa

      Lie­be Sophia,

      Vie­len Dank dafür! Freut mich sehr, dass mein Bericht dei­nen Nerv trifft! Mehr wird kom­men, ver­spro­chen 🙂

      Schön, dass du mit­liest!

      Gesa

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