Abenteuer als Produkt, eine Augenwischerei?

Wenn Du heu­te in ein Tour Office am Rei­se­ziel Dei­ner Wahl schaust, wirst Du fast erschla­gen mit Aben­teu­ern: Trek­king, Moun­tain­bi­king, Raf­ting, Tier­sa­fa­ri, Mino­ri­tä­ten Dör­fer und mehr!

Aber kannst Du Aben­teu­er wirk­lich kau­fen?

abenteuer

Aben­teu­er im Tour Office

Pseudo-Abenteuer

Ist die in Süd­ost­asi­en in jedem Land und an fast jedem tou­ris­ti­schen Ort buch­ba­re »Halb­ta­ges-Aben­teu­er-Tour« mehr als nur dem Namen nach ein Aben­teu­er? Der Ver­lauf, der Aus­gang und selbst die Foto-Stopps die­ser Stan­dard-Tour sind genau durch­ge­plant:

  • • 9:00 Was­ser­fall
  • • 9:30 Ele­fan­ten­rei­ten
  • • 10:30 Aus­sichts­punkt
  • • 11:00 Trek­king
  • • 12:00 Mit­tag­essen
  • • 13:00 Sou­ve­nir­la­den

Ste­fan von Fas­zi­na­ti­on Süd­ost­asi­en nennt sol­che Aben­teu­er sehr tref­fend Pseu­do-Aben­teu­er. Ein Pseu­do-Aben­teu­er ist die Insze­nie­rung eines Aben­teu­ers, für die Teil­neh­mer, für die Kame­ra, für Face­book.

Ste­fan sagt, dass Pseu­do-Aben­teu­er »nicht mehr mit einem Risi­ko oder einem unge­wis­sen Aus­gang ver­bun­den« sind.

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Vietnams Easy Rider, ein Pseudo-Abenteuer?

In Dalat, im zen­tra­len Berg­land von Viet­nam gibt es die Biker von den Easy Rider. Die Easy Rider haben leis­tungs­star­ke Motor­rä­der, spre­chen gutes Eng­lisch und sind käuf­lich.

Auf dem Rücken ihrer Bikes zei­gen sie Dir Dalat als Tages­tour oder brin­gen Dich gar tage­lang durch Viet­nams Hügel­welt auf dem Ho Chi Minh Trail, wenn Du willst bis nach Hanoi.

Die Easy Rider sind Gui­des, Über­set­zer, Mecha­ni­ker, Erst­hel­fer, Beschüt­zer und wer­den sogar manch­mal zu Freun­den, selbst nach der Tour.

Die ansons­ten sehr schwie­rig schei­nen­de Her­aus­for­de­rung, mit dem Motor­rad durch Viet­nams Hin­ter­land zu fah­ren wird so für viel mehr Rei­sen­de zugäng­lich.

Ver­kau­fen die Easy Rider ein Pseu­do-Aben­teu­er? Ich fin­de ehr­lich gesagt nicht.

adventureforlife

Easy Rider als gelungenes Abenteuer

Lass mich ehr­lich sein ich wür­de per­sön­lich nie im Leben einen Easy Rider buchen, schon allein weil das $80 USD am Tag kos­tet (Essen, Über­nach­tung usw. sind inklu­si­ve).

Ich wür­de eine Motor­rad­tour lie­ber selbst orga­ni­sie­ren, weil mir das auch mehr Spass macht. Aber das ist mei­ne per­sön­li­che Vor­lie­be und ich will nie­man­dem etwas vor­schrei­ben oder gar die Easy Rider schlecht reden.

Ganz im Gegen­teil, ich lege Dir sogar nahe auf einer Viet­nam­rei­se über eine Easy Rider Tour nach­zu­den­ken! Im klei­nen Berg­dorf im Hin­ter­land ein­zu­fah­ren und nach einem lan­gen Tag im Sat­tel einen Homestay für die Nacht zu suchen, klingt nach Aben­teu­er, auch mit Gui­de.

Der Easy Rider kann durch’s Dol­met­schen viel­leicht sogar mehr dar­aus machen, als ich mit mei­nen 3 Wör­tern Viet­na­me­sisch.

Nicht umsonst schwär­men vie­le ande­re Rei­sen­de von ihrer Easy Rider Tour.

chiclit

Fal­sches Gen­re

Abenteuer sind wie Bücher

Wo ist also der Unter­schied zwi­schen den Easy Ridern und der Stan­dard-Tages­tour? War­um soll das eine ein Pseu­do-Aben­teu­er sein und das ande­re ein gelun­ge­nes Aben­teu­er?

Ich fin­de, sobald ein Aben­teu­er als Pro­dukt ver­kauft wird, ist es wie ein Buch: Wenn Du ein Buch gekauft hast, dann ist das näm­lich erst der Anfang:

  • • Du musst Dir Zeit dazu neh­men
  • • Du musst in der rich­ti­gen Stim­mung sein
  • • Das Gen­re muss Dir zusa­gen
  • • Cover, Mar­ke­ting und ande­res Blend­werk hel­fen nicht
  • • Ent­we­der Du lernst etwas oder ver­folgst eine span­nen­de Hand­lung
  • • Der Autor (Gui­de) muss sym­pa­thisch sein

Wir den­ken oft, wenn wir ein Buch kau­fen, dann kau­fen wir damit auch die Zeit das Buch zu lesen. Aber nach dem Kauf müs­sen wir uns erst ein­mal auf das Buch ein­las­sen und das Buch muss zu uns pas­sen.

Genau so emp­fin­de ich ein gekauf­tes Aben­teu­er: Der Kauf eines Aben­teu­ers garan­tiert kei­ne aben­teu­er­li­che Erfah­rung son­dern kann sie nur ermög­li­chen. Du musst den Rest schon selbst machen.

Das heißt: auch eine Easy Rider Tour wird nur dann ein Aben­teu­er, wenn Du eins dar­aus machst. Ansons­ten bist Du wie der gelang­weil­te, abge­lenk­te Typ auf Kamel­sa­fa­ri in dem Film »Hotel Very Wel­co­me«.

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Bes­ser mit Hilfs­mit­tel Lei­ter, als gar nicht

Hilfsmittel für Abenteurer

Frei­klet­tern ist der gol­de­ne Stan­dard im Berg­sport. Ohne Hilfs­mit­tel eine Wand zu erklim­men, Sei­le und Haken nur als Siche­rung ver­wen­den, davon schwär­men Klet­te­rer.

Aber nicht jeder Alpi­nist ist ein Klet­te­rer. Wenn ich nicht Klet­tern kann oder will, dann blei­be ich trotz­dem nicht daheim. Dann neh­me ich eben den Nor­mal­weg zum Gip­fel, ohne Klet­ter­pas­sa­gen.

Und wenn ich nicht pla­nen will oder kann, dann neh­me ich einen Gui­de. Ich mache, was auch immer nötig ist, damit das Aben­teu­er mei­nem Schwie­rig­keits­grat ent­spricht und mei­nem Risi­ko­le­vel.

Ich gehör­te bis vor kur­zem noch zu den Leu­ten, die gekauf­te Aben­teu­er grund­sätz­lich ver­teu­felt haben. Nach dem Mot­to: »Alles, was auf dem Sil­ber­ta­blett prä­sen­tiert wird, kann kein Aben­teu­er sein.«

Mitt­ler­wei­le sage ich nur noch »Wha­te­ver works!« – Dein Aben­teu­er ist nicht mein Aben­teu­er.

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Klet­ter­steig statt Frei­klet­tern, wha­te­ver works!

Abenteuer sind Augenwischerei

Zurück zum Pseu­do-Aben­teu­er. Wenn die Easy Rider Tour ein Buch ist, dann ist das Pseu­do-Aben­teu­er ein Ver­sand­haus­ka­ta­log. Es ist von vor­ne bis hin­ten Fake. Du wirst vor­ge­führt und sollst kau­fen, kau­fen, kau­fen: Sou­ve­nirs, Snacks und das zusätz­li­che Zipli­ne-Aben­teu­er.

Aber wer weiß, viel­leicht liest Du ja gar kei­ne Bücher und der Ver­sand­haus­ka­ta­log schaut eigent­lich ganz inter­es­sant aus, mit vie­len bun­ten Bil­dern. Viel­leicht bist Du das ers­te Mal in Süd­ost­asi­en und die Hit­ze und das Essen sind eh schon Aben­teu­er genug.

»Doch hier wird die Defi­ni­ti­on des Pseu­do­aben­teu­ers unter­schätzt. Denn, wer legt fest, was für wen ein Aben­teu­er ist?

Selbst eine durch­or­ga­ni­sier­te Rei­se kann für den­je­ni­gen, der zum ers­ten Mal auf Rei­sen an einen ihm unbe­kann­ten Ort ein ech­tes und span­nen­des Aben­teu­er sein.«

(Mar­tin vom Latein­ame­ri­ka-Maga­zin)

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Dein Aben­teu­er ist nicht mein Aben­teu­er

Mar­tin fin­det außer­dem, dass heut­zu­ta­ge sowie­so alle Aben­teu­er Augen­wi­sche­rei sind, egal ob es an den Süd­pol geht oder zum Super­markt. Der Süd­pol-Erobe­rer sei sogar ein »selbst­herr­li­cher Idi­ot«.

Das lässt sich kaum bestrei­ten, oder?

Was sagst Du zu gekauf­ten Aben­teu­ern und Pseu­do-Aben­teu­ern?

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Anna Grete
    Anna Grete

    Aben­teu­er – ja, defi­nie­re das mal! Ich buche eine Cam­ping­sa­fa­ri in Bots­wa­na – wer­de gefah­ren, hab mein zuge­dach­tes Zelt, abends wird von der Crew gekocht – alles sicher. Aber: plötz­lich kommt ein Ele­fant und schaut, wer da im Dusch­zelt steht. Nachts machen sich die Hyä­nen einen Spaß dar­aus, ums Zelt zu jagen. Die Löwen hin­ter­las­sen ihre Tat­zen­spu­ren rings um das Toi­let­ten­zelt. Ele­fan­ten wol­len uns par­tout nicht über die Pis­te fah­ren las­sen. Da bleibt eine Men­ge Aben­teu­er übrig, was so nicht im Kata­log stand.
    Oder eine Rei­se nach Kamt­chat­ka – auch hier alles orga­ni­siert. Bei der Floss­fahrt tau­chen plötz­lich Bären am Ufer auf; am Fluß-Zelt­la­ger hat man Not, unters Mos­ki­to­netz fürs Gesicht zu kom­men, so schnell sind Myria­den von Pla­ge­geis­tern da. Bei der Vul­kan­be­stei­gung bricht eine Schnee­brü­cke über den Bach unter den Füßen; Schuh­soh­len lösen sich auf geheim­nis­vol­le Wei­se kom­plett ab und man latscht mit nas­sen Füßen im Schnee­re­gen wei­ter; man­gels Sicht und funk­tio­nie­ren­dem Funk­ge­rät tau­melt man bis Mit­ter­nacht durch die Land­schaft zum Lager, wo das Küchen­per­so­nal im eisi­gen Zelt das Nacht­mahl zube­rei­tet. Auch hier Aben­teu­er pur, obwohl alles vor­ab gebucht.
    Das sind jetzt nur zwei Bei­spie­le, denn im all­ge­mei­nen rei­sen wir ein­fach so drauf los, ken­nen nur Start und Ziel. Aber das zeigt, dass »geplan­tes Aben­teu­er« und tat­säch­li­ches Erle­ben eine sehr indi­vi­del­le Sache sind.

    1. Avatar von Florian Blümm

      Ja, defi­nie­re das mal 😉
      Ich war noch nie auf Safa­ri und ver­ste­he den Reiz nicht. Aber wie du sagst, das ist ne indi­vi­du­el­le Sache.

    2. Avatar von Johannes Klaus

      Klingt aber span­nend, Anna Gre­te, magst du mal was zu dei­nen Rei­sen schrei­ben?

  2. Avatar von Kasia Oberdorf
    Kasia Oberdorf

    Nichts für ungut, mei­ne Lie­ben, aber ich WILL Erleb­nis­se haben, die das aben­teu­er­li­che Pri­ckeln ver­spü­ren las­sen, OHNE mich in Gefahr bege­ben zu müs­sen. Ich will Erleb­nis­se OHNE einen unge­wis­sen Aus­gang. Weil ich an mei­nem Leben hän­ge und ger­ne nach Hau­se kom­men möch­te. Und weil ich es für völ­lig unnö­tig hal­te, mein Leben ohne erkenn­ba­ren Grund auf den Pocker­tisch zu legen. Ich will Erleb­nis­se, die ich so schnell nicht ver­ges­se, und ja, die nen­ne ich dann Aben­teu­er. Jedoch erschallt immer öfter Kri­tik an solch »vor­her­seh­ba­ren«, »geplan­ter« Din­gen. Sicher, in einer Welt auf­ge­wach­sen, in der es immer behü­tet zuging, sind so man­che von uns schlicht über­sät­tigt. In einer Welt, in der alles nach Belie­ben ver­füg­bar ist, sucht man ger­ne das »authen­ti­sche« außer­halb der vor­ge­ge­be­nen Pfa­de. Und dabei ver­ges­sen wir viel zu leicht, wir, die ver­wöhn­ten Men­schen der west­li­chen Welt mit unse­ren Ries­ter­ren­ten und tau­send Ver­si­che­run­gen, dass das, was für uns voy­eu­ris­tisch von außen betrach­tet die Abwechs­lung schlecht­hin zu sein scheint, für die Men­schen vor Ort har­te Rea­li­tät dar­stellt. Men­schen, die sich nach einer Sicher­heit seh­nen, wie wir sie haben, nach einem behü­te­ten Leben, wel­ches unser­eins ohne zu zögern für das ersehn­te »ech­te Aben­teu­er« weg­zu­wer­fen bereit wären… Sind wir so gelang­weilt in unse­rem Leben, in dem es alles gibt? Wonach suchen wir denn noch? Braucht man denn einen unge­wis­sen Aus­gang, um sich geräusch­voll »Aben­teu­rer« nen­nen zu dür­fen? Wozu? Erleb­nis­se, bei denen man »für den Kick« mit sei­nem Leben spielt, sind kei­ne »Aben­teu­er«, sie sind töricht.

    Ja, ich ste­he auf mei­ne im Vor­aus geplan­ten Trips, bei denen ich weiß, dass ich abends auf der Ter­ras­se ein Bier­chen schlür­fen kann. Und ich mag es, sicher zu sein, zu wis­sen, dass mir nichts pas­siert. Ich ste­he auf all die Din­ge, die so abwer­tend »Pseu­do Aben­teu­er« geschimpft wer­den. Denn die­se »Pseu­do Aben­teu­er« rei­chen mir voll­kom­men aus. Mehr bedarf es nicht… *Prost!*

  3. Avatar von Sabine

    Sobald ein Mensch, bis­her für ihn unbe­kann­te Wege geht und sei­ne eige­ne Kom­fort­zo­ne ver­lässt, begibt es sich auf ein Abenteuer…auf sein ganz eige­nes! Was ande­re evtl. nur belä­cheln und ande­re wie­der­um ins Stau­nen ver­setzt 🙂

    1. Avatar von Florian

      Wür­de ich so unter­schrei­ben!

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