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Da steht das Pferd und schaut mich an. Damit soll ich also reiten. Eigentlich mag ich keine Pferde. Aber jetzt bin ich in Uruguay, in den Bergen von Rocha. Im Land der Gauchos. 3 Millionen Einwohner 12 Millionen Kühe und. Da MUSS man doch mal durch die Pampa reiten. Hallo, Gefühl von Freiheit und Abenteuer? Gibt es etwas Schöneres?… Wären da nicht die Geister der Vergangenheit.
Alle Mädchen mochten Pferde. Ich nicht. Ich träumte von einem Esel, mit dem ich zur Schule reiten wollte. Quer durch Köln. Ich würde ihn am Fahrradständer anbinden, na und? Ein Pferd kam für mich nicht in die Tüte. Auf keinen Fall. Schuld war Freddy, der Arbeitsgaul meiner Großtante in Kall in der Eifel. Ich war fünf, ein Stadtkind zu Besuch auf dem Land. Als keiner hinsah hängte ich mich an Freddys Schwanz. Und Freddy trat zu. Dabei wollte ich doch nur spielen. Freddy war ein kräftiges, großes Pferd und ich ein schmächtiges kleines Mädchen. Im Krankenwagen kam ich wieder zur Besinnung. Ich hörte das Tatütata und sah die Lichter der Straße vorbeiflitzen. Dann war ich 3 Wochen im Krankenhaus. Mit rasiertem Kopf. Allein. In der Eifel.
Deshalb mag ich keine Pferde. Sie machen mir Angst. Aber in Uruguay denke ich: jetzt oder nie.
Lucie liebt Pferde. Die Österreicherin hat schon in Costa Rica mit Tieren gearbeitet und dann hat es sie nach Uruguay verschlagen. Hier lebt sie zusammen mit Santiago. Ihr Grundstück, ihre Pferde, ihr Haus und drei Hütten für Gäste. Ökologisch, nachhaltig und, hups, vegetarisch. Im Land der Zwölfmillionen Kühe. Lucie ist glücklich. Santiago auch. Nur ich bin gerade ein bisschen durch den Wind. Wird das gutgehen? Soll ich einen Helm anziehen? Lucie lacht. Patricia sei eine ganz und gar gutmütige Stute. Und außerdem wird Lucie mir erst mal eine Reitstunde geben bevor es hinaus in die Wildnis geht.
Santiago ist gerade mit einem fast wilden Pferd beschäftigt. Er will es als Reitpferd auszubilden. Wieder und wieder legt er dem Tier die Satteldecke über. Es soll sich daran gewöhnen. Santiago steht ganz nah beim Pferd, mit der rechten Hand immer im Kontakt. Er redet leise mit ihm. Wenn du dicht beim Pferd stehst und Körperkontakt hälst fühlt das Tier sich sicher. Wenn du zu viel Abstand hast und plötzlich in sein Blickfeld trittst kann es sich erschrecken. Santiago erklärt mir noch etwas von zwei Pferdegehirnhälften die nicht so optimal miteinander verbunden sind, sodass das Bild „springt“ – und das Pferd auch. Und vom Pferdeinstinkt, der auf Flucht und Verteidigung programmiert ist. Das Pferd, sagt Santiago, braucht einen verlässlichen Partner damit es sich sicher fühlt. Hilfe, und das soll ausgerechnet ich sein? Armes Pferd. Ich habe mehr Angst als du. Aber während ich Santiago zuhöre werde ich immer ruhiger, beinahe wie hypnotisiert. Dabei bin ich doch gar nicht das Pferd.
Was soll ich sagen? Nach nur einer Reitstunde weiß ich wie ich einhändig die Zügel führen soll, kann vorwärts, seitwärts, rückwärts und mein Po tut weh. Aber jetzt geht es erst los. Wir reiten raus.
Es geht durch hohes Gras und dornige Büsche hinab zum Fluss. Patricia scheint sich auszukennen und das ist gut so. Ich bin so damit beschäftigt meinen Kopf einzuziehen wenn wir unter Bäumen hindurch müssen, dass ich das lenken fast vergesse. Dann geht es rustikal und etwas holprig durch den Fluss, meine Füsse werden nass aber ansonsten komme ich trocken an und fühle mich schon fast wie ein Gaucho. Jetzt kann es nur noch aufwärts gehen. Wir ersteigen einen Berg und oben angekommen treffen wir auf eine kleine Herde von Wildpferden. Es öffnet sich ein umwerfender Blick auf die umliegenden Berge im Licht der tiefstehenden Sonne.
Da sitze ich also nun auf einem Pferd, lässig die Zügel in einer Hand haltend, genieße die Aussicht und bin – ich kann es kaum glauben- völlig frei von Angst. Im Gegenteil: ich fühle mich geerdet und bin berührt. Patricia berührt mich und die Landschaft berührt mich. Ich lebe den Moment.
Ist es nicht toll? denke ich. Beim Reisen bewege ich mich nicht nur im Außen sondern auch im Innen. Ich überschreite nicht nur Landesgrenzen sondern auch innere Grenzen. Braucht es die andere Umgebung, um über den eigenen Schatten zu springen, um die Schatten der Vergangenheit zu überwinden? Es hilft. Soviel steht fest. Und nächstes Mal reite ich in der Eifel.
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Hallo, mein Mann und ich reisen am 25.2.2016 für 3 Wochen nach Uruguay um dieses Land ein bischen näher kennenzulernen. Wir haben ein Auto und haben uns selbst eine kleine Rundreise zusammengestellt. Gibt es eine Adresse von Lucie. Wir könnten einen Abstecher dorthin unternehmen.
Viele Grüße aus Münster
Christine
P.S. : In Costa Rica waren wir schon vor ca. 25 Jahren. Es war wie im Paradies!Eine herrliche Landschaft und schöne Bilder. Uruguay steht auch auf meiner aktuellen Wunschliste 🙂 Es ist allerdings leider sehr schwierig, von Deutschland aus dahin zu kommen 🙁
Hallo Max,
ist nicht mehr schwierig. Es gibt eine super Verbindung mit Iberia über Madrid direkt nach Montevideo. Viel Spaß!
So ein schöner Artikel! Ich freue mich für dich, dass du deine Angst überwunden hast, das macht die Erfahrung bestimmt noch mal besser! Ich bin zwar auch keine Könnerin was das Reiten angeht, aber ich habe auch schon erlebt, wie toll es sein kann, eine Landschaft vom Rücken eines Pferdes zu erkunden. Es ist etwas ganz anderes, irgendwie ursprünglicher. 🙂
danke Rosa, war auch ein sehr einfühlsames Pferd (-; werde das demnächst mal wiederholen, in der Eifel. Das wird dann die ultimative Mutprobe sein.
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