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Tibet – ein Reisetraum

Schon sehr lan­ge träu­me ich davon ein­mal durch Tibet zu rei­sen. Doch die­se Rei­se lag immer in einer fer­nen Zukunft, dann, wenn man ein­mal frei und unbe­fan­gen durch das Land rei­sen kann.
Auch im Jah­re 2014 ist ganz Tibet von Chi­na besetzt. 

Ganz Tibet? Ja, ganz Tibet.

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Tibet: Klös­ter, bud­dhis­ti­sche Pil­ger, Mani-Stei­ne, Stu­pas und Gebets­fah­nen

Doch zumin­dest für den Rei­sen­den, wenn auch kaum für die nach Frei­heit lech­zen­den Tibe­ter, gibt es einen Aus­weg aus dem Dilem­ma: nörd­lich und öst­lich der soge­nann­ten “Auto­no­men” Regi­on Tibets sind weit­läu­fi­ge Gebie­te der benach­bar­ten chi­ne­si­schen Pro­vin­zen Qing­hai und Sichu­an, die man mit dem sel­ben Visum durch­rei­sen kann wie etwa Peking oder Shang­hai, zumin­dest rein kul­tu­rell noch immer fest in tibe­ti­scher Hand.

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Tibe­ti­sche Städ­te

In vie­len Dör­fern und Städ­ten leben deut­lich mehr Tibe­ter als Han-Chi­ne­sen. Hier erset­zen Gebets­fah­nen und bud­dhis­ti­sche Klös­ter Mao-Sta­tu­en und graue Hoch­haus­fas­sa­den mit Neon­be­leuch­tung. Alte, fal­ti­ge Frau­en sit­zen geklei­det in tra­di­tio­nel­le brau­ne Kut­ten auf ihrer Tür­schwel­le und krei­sen sto­isch ihre Gebets­müh­len. An der Stras­sen­ecke ste­hen oran­ge-rot geklei­de­te Mön­che und han­tie­ren mit ihren Smart­phones. Pil­ger umkrei­sen Stu­pas und Klös­ter. Jun­ge Frau­en mit lan­gen, kunst­voll gefloch­te­nen Haa­ren und bun­tem, selt­sam-geform­tem Haar­schmuck tra­gen ihr Baby auf dem Rücken nach Hau­se, wo sie für ihre ande­ren Kin­der But­ter­tee auf dem mit getrock­ne­tem Yak­kot betrie­be­nen Herd­feu­er kochen wer­den. Vor dem Dorf gras­sen die gehörn­ten Pro­du­zen­ten des Heiz­ma­te­ri­als auf grü­nen Wie­sen zwi­schen gol­den-weis­sen Stu­pas, glit­zern­den Klös­ter­dä­chern und hohen Ber­gen mit weis­sen Gip­feln. Und über­all heisst man den Rei­sen­den mit einem herz­li­chen »Tashi delek« will­kom­men.

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Mein Tor in die­se Wun­der­welt hies Kulun, ein fast 4800 Meter hoher Pass in der Pro­vinz Qing­hai. Doch der Kun­lun liess mich auf mei­nem Fahr­rad nicht ohne wei­te­res ein­tre­ten. Wäh­rend mei­nes Anstie­ges hin­ter­liess ein Schnee­sturm Pfüt­zen eis­kal­ten Was­sers auf der Stras­se, die an mein Ket­ten- und Schalt­sys­tem spritz­ten und dort gefro­ren. Kurz vor Pass­hö­he ver­lor ich so die Mög­lich­keit zu schal­ten und auf der anschlies­sen­den Abfahrt war die Stras­se bereits leicht zuge­schneit.

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Im Schnee­sturm über den Kulun Pass (4800m) 

Auch die fol­gen­den Tage und Wochen in der hoch­ge­le­ge­nen Berg­land­schaft Tibets wur­de kein leich­tes Unter­fan­gen. Doch gegen Schnee, Regen, Hun­de­an­grif­fe, nächt­li­che Minus­tem­pe­ra­tu­ren, leich­te Höhen­krank­heit, schlech­te Stras­sen und vie­le hohe Päs­se stan­den kaum-besuch­te Klös­ter unter weis­sen Berg­gip­feln, herz­lich grüs­sen­de Tibe­ter in den Dör­fern und Ein­la­dun­gen zu But­ter­tee in war­me, mit Yak­kot geheiz­te Wohn­stu­ben.

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Schlech­te Stras­sen und fros­ti­ge Näch­te sind der Preis mei­ner Rei­se durch Tibet

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Tsa­m­pa wird zube­rei­tet

So ass ich mein ers­tes Tsa­m­pa, ein aus Getrei­de­mehl, But­ter, Zucker und grü­nem Tee gemisch­ter Teig­bal­len, der roh geges­sen wird. Als ich eines Tages mein Fahr­rad durch das Tor eines Klos­ters auf den dahin­ter lie­gen­den Hof schob, stürm­te ein Dut­zend jun­ger Mön­che auf mich zu mit dem Wunsch Pho­tos mit mir zu machen. Natür­lich woll­te auch ich ein Pho­to mit ihnen.

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Jeder über­wun­de­ne Pass belohn­te mich mit dem Anblick eines flat­tern­den Mee­res aus bun­ten Gebets­fah­nen. Die Land­schaft wech­sel­te von tun­dra­ar­ti­gem Gras­land mit sanf­ten, blass­grü­nen Hügeln und gra­sen­den Yaks über Getrei­de­fel­der im Schat­ten zacki­ger, schnee­be­deck­ter Berg­rie­sen zu tief­grün-bewal­de­ten Schluch­ten und Tälern.

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Tibe­ti­sche Land­schaf­ten

Eines Abends sass ich pau­sie­rend auf der Stras­se als mich ein vor­bei­fah­ren­der Tibe­ter namens Basa zum Über­nach­ten zu sich nach Hau­se ins nächs­te Dorf ein­lud. Wie in allen Dör­fern der Gegend gab es hier kein flies­sen­des Was­ser, doch neben einem Plumps­klo besass Basa auch ein eige­nes Ton­stu­dio, wo er mit sei­nem Sohn und ein paar Freun­den Musik auf­nimmt.

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Basa in sei­nem Ton­stu­dio auf 4000 Metern Höhe

Die letz­ten Tage in Tibet führ­ten mich noch ein­mal über hoher Päs­se und schlech­te Stras­sen. Einen kom­plet­ten Tag ver­brin­ge ich auf dem stei­len 60-Kilo­me­ter Anstieg zum 4300 Meter hohen Daxu­ens­han-Pass. Mitt­ler­wei­le ist es Herbst in Tibet. Die Laub­bäu­me haben sich gelb oder rot ver­färbt und leuch­ten bunt im Meer der grü­nen Nadel­bäu­me, die ein para­die­si­sches Tal unter sanft gezack­ten Fels­wän­den aus­fül­len. Die voll­kom­me­ne Stil­le wird nur ab und zu vom ent­fern­ten Zwit­schern eines Vogels unter­bro­chen. Tibet ent­lässt mich deut­lich fried­li­cher als es mich emp­fan­gen hat.

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Herbst in Tibet


Antworten

  1. Avatar von EYAND TRAVEL

    Tol­le Bil­der und ein­ma­li­ge unver­gess­li­che Erfah­run­gen, ich bin beein­druckt!
    Die Bil­der mit Schnee­sturm über den Kulun Pass – es ist unglaub­lich, wie sich das Wet­ter dort ändern kann und wie unter­schied­li­che Bil­der von einer Ecke dabei ent­ste­hen kön­nen!
    Tibet ist tat­säch­lich ein Rei­set­raum, für eini­ge aber lei­der wegen der Höhe uner­reich­bar, die herz­krank sind oder ande­re Ein­schrän­kun­gen haben, die eine Rei­se in hohe Gebie­te unmög­lich machen.
    Zu der Höhen­krank­heit und zum Gesund­heit­li­chen Check vor der Rei­se gibt es zahl­rei­che Infos auf unse­rer Sei­te unter https://www.eyand.de/de/tibet-reisen – ein­fach nach unten scrol­len!

  2. Avatar von Tibet Reisen
    Tibet Reisen

    Das Foto vom Fahr­rad­fah­ren auf der Brü­cke ist groß­ar­tig.
    Schö­ne Berich­te und Fotos, Hut ab und wei­ter so!

  3. Avatar von Philipp Laage

    Das muss eine spek­ta­ku­lä­re Tour gewe­sen sein. Die Fotos begeis­tern mich. Hut ab auch vor den Pass­über­que­run­gen, die in der Höhe bei der Käl­te sich alles abver­lan­gen.

  4. Avatar von Oli

    Ein schö­ner Bericht mit tol­len Fotos. Ich den­ke aber, man soll­te bei den poli­ti­schen Begriff­lich­kei­ten bei den Bezie­hun­gen zwi­schen Han-Chi­na und Tibet etwas vor­sich­tig sein. Auch wenn bei uns im Wes­ten zwar der Kon­sens vor­herrscht, dass Chi­na böse und Tibet gut ist, so ist die Real­tität doch eini­ges kom­ple­xer. Ins­be­son­de­re soll­te man dabei auch beach­ten, dass die Exil­ti­be­ter eine gewal­ti­ge Pro­pa­gan­da-Indus­trie betrei­ben, wel­che die Wahr­neh­mung hier im Wes­ten sehr stark beein­flusst.

    Bei der Fra­ge, ob es sich hier über­haupt um eine Besat­zung han­delt, müss­te man zuerst klä­ren, ob Tibet vor dem Ein­marsch der Roten Armee ein unab­hän­gi­ger Staat gewe­sen ist. Wenn du dich ernst­haft mit der Geschich­te der Regi­on beschäf­tigst, wirst du sehen: das ist gar nicht so klar. Es gibt näm­lich sowohl Hin­wei­se für eine frü­he­re Eigen­stän­dig­keit, wie auch auf dafür, dass Tibet schon vor­her ein Teil Chi­nas war. Tat­säch­lich war Tibet wohl am ehes­ten in einem Zwi­schen­sta­tus.

    Nun bin ich durch­aus nicht der Mei­nung, dass die Geschich­te zwin­gend den Rechts­sta­tus vor­ge­ben soll­te, son­dern dass die Bewoh­ner zu jedem Zeit­punkt frei ent­schei­den kön­nen sol­len, ob sie unab­hän­gig wer­den wol­len oder nicht. Dazu bräuch­te es eine Volks­be­fra­gung. So lan­ge die­se nicht statt­fin­det, lässt sich auch nicht mit Sicher­heit sagen, was die Mehr­heit der Tibe­ter wünscht.

    In mei­nen Jah­ren in Chi­na habe ich vie­le in Chi­na leben­de Tibe­ter ken­nen­ge­lernt und ich den Ein­druck gewon­nen, dass auch hier recht unklar ist, was die Mehr­heit der Tibe­ter wünscht. Mei­ne Ein­schät­zung auf Grund von Gesprä­chen mit Bau­ern aus der Regi­on ist, dass vie­le Leu­te auch durch­aus die chi­ne­si­schen Bemü­hun­gen zur Ent­wick­lung der Regi­on gut­heis­sen. Die lau­tes­ten Stim­men kom­men jeweils von den Tibe­tern, die im Wes­ten auf­ge­wach­sen sind und oft ihre »Hei­mat« noch nie besucht haben.

    Und naja… Regie­rungs­kri­ti­ker wer­den in Tibet auch nicht stär­ker ver­folgt als in ande­ren Tei­len des Lan­des. Das hat also nichts mit dem Kolo­ni­al­be­stre­ben der Han-Chi­ne­sen zu tun. Am schlimms­ten sind in die­ser Hin­sicht ja ohne­hin die mus­li­mi­schen Uig­hu­ren dran. Aber mit Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Mus­li­men kann man bei uns im Wes­ten ja nie­man­dem hin­ter dem Ofen vor­ho­len. Die­se Ter­rois­ten habens ja ver­dient, fin­den hier vie­le.

    Sor­ry für die Aus­füh­run­gen. Mich irri­tiert nur manch­mal ein biss­chen, wenn jemand über Pro­pa­gan­da schreibt und dabei sel­ber von der Pro­pa­gan­da einer Sei­te bein­flusst wird.

    1. Avatar von Sebastian Haas

      Hi Oli,
      dan­ke für die aus­führ­li­che Dar­stel­lung dei­ner Mei­nung, beson­ders da du dich offen­sicht­lich schon jah­re­lang mit der The­ma­tik aus­ein­an­der­setzt. Ich gebe dir Recht, wenn du vor Schwarz-Weiß-Den­ke­rei warnst und zu beden­ken gibst, dass es (wie immer) Pro­pa­gan­da auf bei­den Sei­ten gibt.
      Den­noch ste­he ich zu mei­nen Sei­ten­hie­ben auf die chi­ne­si­sche Tibet­po­li­tik in mei­nem Arti­kel. Nach mei­ner beschei­de­nen Mei­nung, die sicher­lich weni­ger auf his­to­ri­schem oder völ­ker­recht­li­chem Fach­wis­sen als auf instink­ti­vem Gerech­tig­keits­emp­fin­den ange­sichts der bekann­ten Fak­ten beruht, gleicht der Ein­marsch der chi­ne­si­schen Armee in Tibet sowie die dar­auf­fol­gen­de Zer­stö­rung kul­tu­rel­ler und reli­giö­ser Stät­ten und die Ver­drän­gung des Dalai Lamas ins Exil durch­aus einer aggres­si­ven Erobe­rung und fol­gen­der Besat­zung. In die­sem Ein­druck wur­de ich wäh­rend mei­ner Rei­se bestärkt, wäh­rend derer ich eine nega­ti­ve Ein­stel­lung vie­ler Tibe­ter gegen­über der chi­ne­si­schen Regie­rung und eine Ver­eh­rung des Dalai Lamas als Reprä­sen­tant der ihnen so wich­ti­gen tibe­ti­schen Kul­tur und Reli­gi­on beob­ach­te­te. Natür­lich sind mei­ne Ein­drü­cke sub­jek­tiv und es wäre höchst wün­schens­wert, durch eine Volks­be­fra­gung eine reprä­sen­ta­ti­ve Mei­nung der Tibe­ter her­aus­zu­fin­den. Doch liegt es ja mit Sicher­heit nicht an den Tibe­tern, dass eine sol­che Volks­be­fra­gung auch mit­tel- und lang­fris­tig extrem unwahr­schein­lich ist…

    2. Avatar von Oli

      Die Zer­stö­rung, von der du sprichst, hat es zwei­fel­los gege­ben und fin­det auch heu­te noch statt. Ich fin­de das genau­so tra­gisch wie du. Den­noch ist es so, dass die Schä­den bei der Han-Chi­ne­si­schen Kul­tur genau so gra­vie­rend waren und sind wie bei der tibe­ti­schen Kul­tur. Das wird in die­sem Zusam­men­hang ja immer wie­der ver­ges­sen.

      Des­we­gen bin ich immer etwas skep­tisch, wenn von einer geplan­ten Ver­nich­tung der tibe­ti­schen Kul­tur aus kolo­nia­len Grün­den gespro­chen wird. Viel­mehr habe ich den Ein­druck, dass ins­be­son­de­re die frü­he­ren Jah­re der Volks­re­pu­blik unter Mao eine gros­se Kata­sto­phe für sämt­li­che Bür­ger des Staa­tes waren. Die Kul­tur der Han-Chi­ne­sen wur­de ja auch fast aus­ge­löscht: Die Kul­tur­in­dis­trie in Chi­na erlag zum Bei­spiel voll­kom­men. In den 1960er-Jah­ren ent­stan­den in Chi­na ins­ge­samt nur vier Fil­me. Dabei hat­te Chi­na schon in den 30er-Jah­ren eine blü­hen­de Film­in­dus­trie geschaf­fen. Über zehn Jah­re hat­ten säm­li­che Uni­vers­ti­tä­ten des Lan­des geschlos­sen – mit Fol­gen, die heu­te noch spür­bar sind.

      Ja, eine Volks­be­fra­gen wäre wün­schens­wert. Das sehe ich auch so und ver­mut­lich wäre sie auch aus chi­ne­sisch­stra­te­gi­scher Sicht etwas Sinn­vol­les. Die Situa­ti­on im indi­schen Sik­kim ist ja etwas ähn­lich wie in Chi­na. Dort ist schon vor fast 40 Jah­re das Volk befragt wor­den, das sich für ein Ver­blieb in der indi­schen Kon­fö­de­ra­ti­on aus­ge­spro­chen hat. Das wäre ein Zei­chen und Chi­na könn­te letzt­lich die Abstim­mung genau­so mani­pu­lie­ren (oder gar fäl­schen) wie dies schein­bar auch Indi­en getan hat. Hät­te dann aber Ruhe… 🙂

      Was mich per­sön­lich etwas stört: Bei Tibet wird oft mit ande­ren Ellen gemes­sen. Auf die unter­schied­li­che Wahr­neh­mung von Tibe­tern und Uig­hu­ren habe ich ja schon hin­gewei­e­sen. Aber auch die poli­ti­sche Hal­tung von Tibet, wie ja doch sehr kon­ser­va­tiv ist, wird von Leu­ten gut­ge­heis­sen, die das andern­orts nie tun wür­den. Wenn die Schweiz wie­der ihre ras­sis­ti­schen Anfäl­le hat wie der­zeit mit der Eco­pop-Initia­ti­ve steht sie zu Recht in der Kri­tik. Dass Tibet kei­ne »Aus­län­der« will, ist hin­ge­gen voll­kom­men okay.

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