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Reisen macht nicht glücklich. Das ist die wichtigste Erkenntnis über das Reisen, die ich im vergangenen Lebensjahr gewonnen habe. Es klingt ziemlich negativ, das so zu sagen. Dabei ist es gar nicht so gemeint.
Ich bin vergangenes Jahr viel gereist: in den Libanon, nach Südamerika, nach Japan und Südkorea, nach Finnland oder Sierra Leone. Ich hatte die Möglichkeiten dazu. Je öfter man reist, umso selbstverständlicher wird es. Das ist ganz natürlich. Das gilt für alles, was man im Leben tut.
Ich habe mir in der sogenannten Travel-Blogger-Szene einen Namen erschrieben. Das ist schön, weil es zeigt, dass man irgendwie mit dem vorankommt, was man gerne macht. Man fühlt sich bestätigt in dem, was man tut.
Aber was macht es für einen Unterschied?
In einem Interview mit Spiegel Online habe ich erklärt: »Das Unterwegs-Sein wird gerne als Sehnsuchtszustand verklärt. Nur die praktischen Reiseabläufe sind oft ermüdend und ernüchternd. Man stellt fest, das Reisen per se auch kein dauerhaftes Glück bedeutet, weil die euphorischen Momente wie sonst auch im Leben nur punktuell auftreten.«
Genau so ist es.
Für viele mag das deprimierend klingen. Wenn ich Leuten von meinen Reisen erzähle oder wenn sie davon im Internet lesen, dann folgen oft Kommentare wie »Beneidenswert« oder »Wahnsinn, wo du immer unterwegs bist«.
Das stimmt einerseits.
Andererseits habe ich mich auf Reisen oft schon ziemlich einsam gefühlt. Ich wusste an den schönsten Orten der Welt nichts mit mir anzufangen. Ich habe mir über das Für und Wider dieses oder jenes Lebensstils, dieser oder jener Entscheidung den Kopf zerbrochen statt einfach den Moment zu genießen.
Im besten Fall habe ich das Reisen wie im Rausch erlebt. Ich habe mich nicht mit mir selbst, sondern mit der Welt beschäftigt und dem, was sie zu bieten hat.
Aber nach fast jeder Reise kam irgendwann der Moment, in dem ich in meinem Zimmer in Berlin saß und mich gefragt habe: Was hat sich eigentlich verändert?
Diese Frage wurde nach meiner Reise nach Peru immer größer. Die Geschichte darüber handelt von diesem Widerspruch aus Erwartung und Enttäuschung.
In der Ferne, beim Sich-Treiben-Lassen spürt man nämlich sehr stark die Energie des Lebens. Zuhause am Abend in der eigenen Wohnung schrumpft die große Welt wieder zusammen. Als sei man nie wirklich weg gewesen.
Wie kann das sein?
Ich bin überzeugt, dass es ein Irrglaube ist zu meinen, das Reisen lade einen mit einer positiven Energie auf, mit der man sein Leben dauerhaft ändern kann. Das mag gelingen, wenn man wirklich lange fortgeht und sich in existenzielle Extreme begibt – ein halbes Jahr in ein Kloster in Asien, Wochen allein durch die Wüste, mit dem Segelboot über den Atlantik, eine Expedition auf einen hohen Berg.
Aber das gewöhnliche, zeitlich beschränkte Reisen macht aus dir keinen besseren oder glücklicheren Menschen. Es ändert meist auch nur wenig an deiner Haltung. Man trägt seine Sorgen und seine großen Fragen an das Leben im Rucksack durch die Welt. Im besten Fall vergisst man sie eine Weile. Aber sie verschwinden nicht.
Das ist eine ernüchternde Erkenntnis. Aber zumindest für mich trifft sie zu.
Die Möglichkeit, in ein Flugzeug zu steigen und wegfliegen zu können, verändert überhaupt nichts.
Diese Feststellung ist keinesfalls so negativ, wie sie vielleicht klingt. Im Gegenteil – sie ist von einem Bewusstsein getragen, das am Ende zu viel mehr Zufriedenheit führen kann als jeder Selbstfindungstrip in Südostasien.
Ebenso wenig wie die große Backpacking-Tour ein life changer ist, sind es andere einzelne herausragende Erlebnisse wie zum Beispiel ein Bungee-Sprung, das lang ersehnte Auslandssemester in Soundso oder ein Sportwagen.
Es sind die Dinge, die wir jeden Tag tun, die den größten Unterschied in unserem Leben machen. Und die wirklich langfristig zu einer größeren Zufriedenheit mit unserem für sich genommen unfassbar privilegierten Leben beitragen.
Es ist nicht das einmalige Erlebnis, das Außergewöhnliche, das Extrem. Sondern die Beständigkeit, das Alltägliche, die konstante Arbeit an sich selbst.
Es geht vor allem darum, negative Routinen abzustellen und Gewohnheiten zu entwickeln, die positiv zum täglichen Wohlbefinden beitragen. Meist sind das ganz profane Dinge: früher aufstehen, häufiger Menschen ansprechen, besser zuhören, sich immer nur einer einzelnen Sache mit voller Konzentration widmen.
Es geht darum, im Kleinen und Stück für Stück an seinen Interessen und Potenzialen zu arbeiten, um den sogenannten großen Zielen näher zu kommen.
Dinge als richtig erkennen und sie dann umsetzen.
Es geht also um den gesamten state of mind, um die Haltung, die man gegenüber den Dingen entwickelt und die Art und Weise, mit der man den Alltag lebt. In jedem Moment.
Das formt den Charakter. Alles andere ist Attitüde.
Aber was ist nun mit dem Reisen anzustellen, wenn es langfristig gar kein so großer Glücksbringer ist?
Das Reisen zu lernen, heißt das Leben zu lernen. Es gibt keinen Unterschied.
Am Anfang schrieb ich: Reisen macht nicht glücklich. Man müsste vielleicht sagen: Die Möglichkeit, reisen zu können, macht nicht glücklicher als das normale Leben.
Natürlich, Reisen ist oft spektakulärer als der Alltag. Jede Form von Abwechslung und ungewohntem Erlebnis hinterlässt stärkere Erinnerungen als die monotone Abfolge von Aufstehen, Arbeiten, Essen und Schlafen.
Wahrscheinlich muss jeder die Frage, warum er irgendwo hinreist und nicht woanders hin oder eben überhaupt nicht, für sich selbst beantworten.
Ich kann nur für mich sprechen: Ich sehe Reisen als wertvolle Bereicherung meiner Erfahrungswelt.
Das geschieht auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Das Motiv einer Reise kann das Interesse an der Lebenswirklichkeit eines bestimmten Kulturkreises sein. Eine journalistische Recherche. Der Reiz, über körperliche Grenzen zu gehen. Das Bedürfnis nach Entspannung und Kontemplation. Der Wunsch, sich der Welt zu entziehen. Der Versuch, sich selbst zu finden (oder wiederzufinden).
Ich denke, das sind gute Gründe.
Aber das Reisen sollte nicht zum Sehnsuchtszustand verklärt und zur Glücksphantasie erhoben werden.
Wahrscheinlich sollte man jeden Tag beginnen wie die große Reise, von der man sich so vieles erhofft.
So funktioniert es vielleicht irgendwann, gelassener und gleichzeitig fokussierter durch das Leben zu gehen. Mit wachem Verstand und offenem Herz statt mit Desinteresse und Zynismus. Seine eigene Bedeutung zurückzustellen vor der Größe und Fülle der Dinge, die einen jeden Tag umgeben. Mehr zu genießen statt in Endlosschleifen der Reflektion über sich selbst zu verharren.
Das gelingt mir noch lange nicht so oft, wie ich mir das wünsche.
Aber es fällt eben nicht mit einer Reise vom Himmel. Es ist ein langer Weg.
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Antworten
Hallo, sehr guter Artikel. Ob Reisen verändert kann ich so nicht sagen.
Ich habe meine erste Fernreise auf eigene Faust mit 40 Jahren unternommen,
vorher war nie Zeit ( genommen ) für das Reisen.
Nach der Reise habe ich mein Leben Komplet verändert.
Ich würde sagen die Reise hat mir die Zeit gegeben um alles zu überdenken.
Grüße aus dem Schwarzwald Jens.»steigt regelmäßig in Flugzeuge, um sein Fernweh zu mildern«
Die Ökobilanz muss verheerend sein!
Für mich war schon 1983, mit gerade mal 14 Jahren klar: wenn reisen, dann nur unmotorisiert! Gerne auch über interkontinentale Entfernungen (mein absolutes Sehnsuchtsziel war immer Afghanistan, dicht gefolgt von Indien), aber nie schneller als in Fahrrad- oder gar Fußgängergeschwindigkeit…
…was zur Folge hatte, dass ich bis heute eigentlich nichts von der Welt gesehen habe, schon gar nicht Indien, geschweige denn Afghanistan!
Hallo Philipp,
ein toller Artikel! Eigentlich gibt es viel zu wenige über Reise- und Lebensphilosophie und darüber, was das Reisen eigentlich bedeutet (für jeden einzelnen).
Trotzdem stimme ich dir nicht in allen Punkten zu. Ich bin seit fünf Monaten von einer einjährigen Weltreise über vier Kontinente durch 20 Länder zurück. Oberflächlich betrachtet bin ich einfach zurück ins alte Leben: alte Wohnung, alter Job usw. Tatsächlich haben sich bei mir aber ganz viele kleine Dinge verändert, einfach weil mein Blick sich durch die Reise so sehr geweitet hat. Ich verfolge ganz andere Ziele, treffe andere Leute, mache andere Pläne. Die Energie,die mir das gibt, ist mit meinem Vorreiseenergiepegel in keiner Weise zu vergleichen. Keine Ahnung, wohin mich das führt. Aber es fühlt sich gut an, und ich werden den Pfad einfach mal weitergehen 🙂
In diesem Sinne, viele Grüße aus Hamburg
ClaudiaHallo Claudia,
vielleicht braucht man das Reisen manchmal einfach als Anstoß, Dinge zuhause zu verändern. Weil man plötzlich sieht, dass es auch anders geht. Einigen wir uns auf: Reisen ist nicht Glück, aber ein Weg dorthin 😉
Viele Grüße aus Berlin!
Danke und nochmals danke für die anregenden und klugen Geschichten.
Es ist ein Genuss, sie zu lesen. Und nochmals zu lesen.Herzlichen Dank für den tollen Beitrag! Ich musste ihn gleich zweimal lesen! 🙂
Hallo. Ich bin ein Jahr durch Australien gereist und seit dem habe ich immer das Gefühl, dasd ich nicht mehr glücklich bin. Ich renne dem Glücks Gefühl hinterher und ich kann es einfach nicht mehr finden im normalen leben. Was macht man wenn man nicht mehr weiß wie das normale Leben eigentlich ist?!
Danke für die wunderbaren Anregungen. Heiko
Danke!
DANKE für deine klaren Worte und Gedanken!
Ein sehr gelungener Artikel! Danke an den Autor!
Reisen allein ist sicherlich nicht die Medizin für ein glückliches Leben, sondern wie du so schön geschrieben hast, das kontinuierliche Tuning an seinem charakterlichen Selbst. Reisen kann einem dabei aber sehr gut helfen: Durch das Unterwegs-sein habe ich z.B. erst gelernt wirklich offen gegenüber neuen Menschen und Kulturen zu sein; und wie viel Glück dieser Wesenszug einem bringen kann.Gruß nach Berlin,
VerenaDarum: Reisen lernen, heißt leben lernen.
Super Artikel, wirklich toll geschrieben.
Kann ich voll nachvollziehen.
War für einen Monat in Brasilien und dachte mein Leben danach verändert sich völlig, weil man sooo viel erlebt/gesehen/gelernt hat.
Heute, eine Jahr danach, kommt mir die ganze Reise als ein Traum vor und die gesamme Gefühle verblassen.
AFKann das exakt nachvollziehen, Anna.
Danke für den tollen Artikel.
Wenn man mit offenen Augen durch die Welt reist und das eine oder andere Abenteuer erlebt, kehrt man um einiges an Erfahrung reicher nach Hause zurück. Klar, macht es einen Unterschied, ob ich 1 Woche mit Freunden am Ballermann verbringe oder 3 Monate lang allein um die halbe Welt reise. Ich denke, wenn man offen für Neues ist, mit allen Sinnen reist und etwas Selbstreflektion betreibt, kann Reisen vieles bewegen und durchaus glücklich machen. Die neuen Erfahrungen und Sichtweisen verändern einen und wirken auch noch zu Hause nach, was sich wiederum positiv auf den Alltag auswirken kann. Aber bekanntlich ist jeder selbst seines Glückes Schmied.
Moin Philipp,
vielen Dank für diesen Beitrag! Endlich hat jemand meine Gedanken über das »Reisen« bestätigt. Was nicht heißt, dass ich selbst gern unterwegs bin und mir die Welt anschaue, so lange ich noch dazu in der Lage bin. Aber einen Ort zu haben, an dem man zu Hause ist, ist auch sehr schön. Und es kann durchaus auch »berauschend« sein, wenn man es schafft sich nicht von den Widrigkeiten des Alltages unterkriegen zu lassen und das, was man auf den Reisen so von sich selbst lernt, dann im normalen Trott auch anwendet. Das ist meiner Meinung nach die eigentliche Herausforderung!
Lieben Gruß, Chrissi
Hallo,
beeindruckend und mir ganz aus der Seele geschrieben. Danke
Beste Grüße
UlrikeInteressante Gedanken! Ja, auch ich kann mich sehr gut an schrecklich einsame Momente im vermeintlichen Paradies erinnern, an Orte, die so gar nicht den Erwartungen entsprachen und an plötzliche Reiseunlust mitten auf der Reise.
Aber natürlich kommt es auch darauf an, wie oft und lange man auf Reisen ist, und was man von der Reise erwartet. Wenn das Reisen zum Dauerzustand wird, kann es durchaus seinen Reiz verlieren und man stellt vor allem fest, dass auch an den begehrenswertesten Orten der Welt den Alltagstrott, Stress und Probleme gibt.Denn warum sollten Stress und Probleme an anderen Orten auch verschwinden?
Hey Philipp, Dein Artikel wäre die perfekte Ergänzung zu meiner bis 1.4.14 laufenden Blogparade »Was macht glücklich auf Reisen!« (http://www.reisemeisterei.de/aufruf-zur-blogparade-was-macht-gluecklich-auf-reisen/)
So, Werbebanner erledigt, jetzt meine Gedanken zu Deinem Artikel.
Nein, Reisen macht nicht DURCHGÄNGIG glücklich. Ich erinnere mich gut an Situationen wie eine durchwachte Nacht in Kopenhagen, als das Kind partout nicht zur Ruhe kommen wollte und wir uns fragten, wie bescheuert man eigentlich sein muss, als Familie einen Roadtrip einmal um die Ostsee zu machen. An einen Streit mit meiner Freundin mitten in der australischen Wüste. An den Gedanken »na, so toll ist das auch nicht, warum sind alle anderen so begeistert« am White Heaven Beach. An verregnete Städtetrips ohne rechte Lust aufs Reisen.
Verklärung ist wohl bei begeisterten Reiseberichten immer dabei, vor allem nach einer langen Reise, die dann auch zum Alltag wird.
Dennoch gibt es unterwegs Glücksmomente, die ich im Alltag nicht habe.
Und die verkläre ich gern – bewusst -, denn auch das – ja, genau – macht glücklich.Guter Artikel!
Christina
Stimmt schon, Christina. Ich verkläre auch, im Nachhinein. Allzu menschlich, denke ich. 😉
Phillipp,
… das klingt voll positiv. Ja sehr geil, wenn jeder reisen würde und keiner Projekte starten, Kinder erziehen und ein Vorbild sein für andere Menschen, dann würden wir ja in kürzester Zeit verkommen 🙂 Neben dem Mind changing impact, den Reisen hat, ist es doch nichts wertvolleres zu erkennen, dass man überall ankommen kann. Überall glücklich sein.
Wenn man die richtigen Voraussetzungen in seinem eigenen Denken, Handeln und Mindset etablieren kann.
»Es klingt ziemlich negativ, das so zu sagen. Dabei ist es gar nicht so gemeint«
… schöner Artikel nochmal 😉
Auf bald,
ErikDanke, Erik! Ja, stell dir mal vor, niemand würde mehr in Krankenhäusern, auf dem Flughafen, bei der Polizei, in den Gerichten und Werkshallen arbeiten, und alle wären auf Reisen. Chaos! 😉
Jaja, reisen hat auf jeden Fall auch lästige Momente. Das wird in vielen Reiseberichten unterschlagen. Und: Reisen schenkt viele Freiheiten, zum Beispiel die den eigenen Aufenthaltsort immer wieder neu zu bestimmen, aber es nimmt auch einige. So fürchterlich frei habe ich mich schwitzend eingequetscht auf dem Plastiksitz eines lokalen Busses dann oft doch nicht gefühlt.
Bloß mit Deinem Satz, »Die Möglichkeit, reisen zu können, macht nicht glücklicher als das normale Leben.« komme ich nicht mit. Ich nehme an, die meisten Bewohner der damaligen DDR haben das anders gesehen. Und mir geht es auch so: Die Möglichkeit, es tun zu können, macht mich ein kleines bisschen glücklich, auch wenn ich nicht reise.
Überhaupt: Ich finde Reisen ist immer noch meistens toll. Es bereichert mein Leben, es schenkt mir neue Begegnungen, Orte und Bilder. Aber man sollte es nicht überhöhen.
Martin, ich bin genauso gespannt auf Deine Überlegungen.Ich sehe es ähnlich wie du, Mathilde. Wenn ich mich entscheiden müsste – reisen oder nicht reisen – ich würde mich immer für das Reisen entscheiden.
„Den Himmelsstrich, nicht ihr Innerstes wechseln, die das Meer überschiffen.“
Hat schon Horaz angemerkt. Aber vermutlich muss man manche Dinge erst einmal getan haben, um sie einordnen zu können.
Und um eine Perspektive für die Welt und das eigene kleine Leben darin zu entwickeln, ist so eine Reise (und vor allem eine mit viel Zeit) eine tolle Gelegenheit.Stichwort: genügsamer werden.
danke für diesen bericht. der wichtigste satz für mich: wahrscheinlich sollte man jeden tag beginnen wie die große reise, von der man sich soviel erhofft. daß wir auch die wunder vor der eigenen haustüre sehen, auch hier fremde menschen ansprechen, offenherzig, neugierig und uns hier aushalten, das größte abenteuer wartet
in uns.Ich schalte leider viel zu oft wieder in den »Alltagsmodus«, sobald ich zuhause bin.
Lieber Philipp,
vielen Dank für diesen Bericht. Klasse. Deshalb verbringe ich die schönste Zeit des Jahres in meinem Garten. In der Hollywoodschaukel, den Grill vis à vis, und mit netten Nachbarn am Zaun. Nordamerika ist mein Büro. Ein tolles, zugegeben, aber halt ein Büro, in dem gearbeitet werden und Geld verdient werden muss. Mein Traum: Irgendwann einmal ganz ohne Produktionsdruck und Terminkalender die Klamotten ins Auto zu schmeissen und ohne Plan loszufahren. Wer weiss: Vielleicht schaffe ich das noch einmal .. 🙂
Lieben Gruß aus Kanada, Ole
Was spricht gegen deinen Plan? Schöne Grüße nach Kanada!
Vielen Dank für deine wahren Worte! Es ist zwar der erste Artikel den ich von dir lese (ein Freund hat ihn bei facebook geteilt), aber ich kann deine Gedanken sehr gut nachempfinden!
Gerne auch die anderen Artikel lesen… 😉
Ich mag solche reflektierten Denkanstöße. Aber natürlich ist jetzt ein »Aber« unvermeidlich 😉
Du schreibst «Ich sehe Reisen als wertvolle Bereicherung meiner Erfahrungswelt.» So ist es. Du lässt hier z.B. nebenbei die Erkenntnis fallen, dass wir ein «unfassbar privilegiertes Leben» führen. Richtig. Diese Erkenntnis bekommt man aber eben erst durch das Reisen. Natürlich kann man viel dazu lesen oder TV-Sendungen angucken, aber etwas selbst zu sehen, zu erleben und zu spüren, ist tausendfach intensiver in der Wirkung und verändert einen deshalb eher.
Man kann mit dem Mehr an Erfahrungen dann immer noch ganz viel falsch machen, aber das mehr an Erfahrungen erhöht normalerweise die Wahrscheinlichkeit, die richtigen Prioritäten zu setzen und die richtigen, glücklich machenden Entscheidungen zu treffen.
Da stimme ich dir vollkommen zu, Guido.
Was mir auf Reisen Zufriedenheit gibt, und mich freier und glücklicher macht schreib ich oft dem glücklichen Zustand zu dass ich keine Erwartungshaltungen an meine Person zu erfüllen habe.
Ich kann tun was immer ich möchte, zu dem Zeitpunkt der für mich passend erscheint.Guter Punkt. Vielleicht wird die Wahrnehmung, die andere von einem haben könnten, weitgehend egal.
Eine absolut gute Sichtweise: Sich dem Reise- und Selbstfindungshype mal auf diese Weise zu nähern, und zwar von jemandem, der wirklich Erfahrungswerte aufweist. Aber du schreibst: »Ebenso wenig wie die große Backpacking-Tour ein life changer ist, sind es andere einzelne herausragende Erlebnisse wie zum Beispiel ein Bungee-Sprung, das lang ersehnte Auslandssemester in Soundso oder ein Sportwagen.« Der Sportwagen ist es sicher nicht, die Backpacking-Tour kann es und ein Auslandssemester ist es dagegen sehr oft: der life-changer. Bei mir war es so und bei sehr vielen meiner damaligen Kommilitonen ebenfalls. Man bricht zum ersten Mal richtig aus dem vorgegebenen Alltag von Schule, Familie, Freundesleben und Uni aus und danach bekommt das Leben oft eine andere Richtung. Trennungen, Umzüge, neue Liebe, andere Jobs. Mein Leben hat sich einmal komplett gedreht und wäre nie so in der Richtung verlaufen, hätte ich nicht das übliche Unijahr damals mit Auslandssemestern unterbrochen. Das ist auch dem Alter geschuldet (zwischen 20–30 ändert sich vieles fundamental) und ich bin sicher auch gegen eine Verherrlichung solchermaßen aufgeladener Lebensentwürfe. Aber doch und ja: Es kann sich alles ändern.
Chris, du hast Recht. Das mit dem Auslandssemester ist etwas unfair. Ich kenne auch Leute, für die dieses halbe Jahr ein »life changer« war. Das will ich ja auch auf gar keinen Fall jemandem absprechen!
Auch meinem Leben haben bestimmte Reisen schon eine bedeutende Wendung gegeben. Ich habe zum Beispiel jemanden kennengelernt, in den ich mich später zuhause verliebt habe.
Der Punkt ist vielleicht: Jedes Erlebnis, jede Reise KANN ein »life changer« sein – aber das hat oft nichts mit der Reise an sich zu tun, sondern mit dem eigenen Verhalten. Was natürlich durch eine Reise oder ein Jahr im Ausland verändert werden kann. Aber sollte man darauf setzen? Oder lieber schauen, wie man besser durch jeden Tag kommt – egal wo.
Auch von mir: toller Beitrag, sehr reflektiert und auf den Punkt.
Grundsätzlich denke ich, muss man unterscheiden und sich die Frage stellen: »Warum will ich reisen?« Will ich was erleben? Lauf ich vor irgendwas davon? Will ich es, weil es alle machen, weil es cool ist?
Ich kann mich noch an meine erste Reise erinnern, nach Neuseeland, allein, ohne Plan, konnte kein Englisch. Hab dort dann erstmals vom Konzept von Backpacker Hostels erfahren. Die gab’s nämlich damals nur in Ozeanien und noch ne Handvoll in Nordamerika.
Nicht so wie heute, kurz Google anschmeissen und mit ein paar Klcks bei 10 Leuten Couchsurfen können. Ohne Internet war das ne ganz andere Nummer – eigentlich besser, denn man hat mehr erlebt und noch selbst entdeckt anstatt vorher zu googlen um zu entscheiden ob etwas den Aufwand wert ist. Und weil das ziemlich viele machen, hängen natürlich fast alle an den immer gleichen Orten ab. Dabei ist das echte Abenteuer, das Unbekannte, die spontane Begegnung und das Authentische vielleicht schon hinter der nächsten Ecke.
Die Steigerung des Ganzen ist natürlich, wenn man sich bewusst der Welt ausliefert, egal ob man trampt, Rad fährt, läuft, kayakt oder rudert. Das ist auch die Grundidee einer Pilgerreise. Die Grundidee ist nämlich nicht bequem mit dem Flieger, Aircon-Bus oder 4WD zu einem religiös, spirituell oder wie auch immer als wichtig erachteten Ort zu gelangen um dort rituelle Handlungen zu vollführen, sondern sich auf dem Weg dahin der Welt »auszusetzen«, durchzuhalten, Dinge zu erleben und schwierige Situationen zu meistern. Früher ging das eigentlich nur zu Fuß, heute geht das auch auf andere Art. So ist jede mit der richtigen Einstellung unternommene Reise eine Art Pilgerreise und es ist die innere Haltung die den (Weisheit-) Suchenden vom Langzeittouristen unterscheidet.
Die Sache mit dem Internet und dem omnipräsenten Wifi ist noch einmal ein ganz anderes Thema. Bei dem ich dir in deinen Ausführungen vollkommen zustimme.
»Sich der Welt aussetzen«, das ist für mich auch so der Modus, der eine Reise dann lange nachwirken lässt.
Für mich einer der stärksten Texte auf Reisedepeschen. Danke dafür.
Danke, danke!
Besser kann man es nicht ausdrücken, danke für den Artikel!
Interessant, dass für dich das Reisen sofort »nichtig« wird, wenn du wieder in deinen eigenen vier Wänden bist. Bei mir ist das anders. Nicht nur die Fotos, die ich mitgebracht habe, dienen als Erinnerung, sondern vielmehr die vielen Geschichten & Menschen, die mein Leben bereichert haben. Und hierzu muss ich nicht monatelang unterwegs gewesen sein, sondern es können auch 4 Tage London gewesen sein, die mich dann weiter für das tagtägliche Leben und auch meine Arbeit inspirieren. Deswegen ist bei mir das Reisen ja auch so essentiell, da ich mir vor allem daraus meine Energie und Inspiration für den Alltag rausziehe. Aber ja: Wahrscheinlich sollte man auch in der (selbstgewählten) Heimat versuchen, jeden Tag zu leben, als wäre es eine Weltreise. Darum bin ich im Moment auch dran, ein Reisebuch über die Steiermark zu schreiben 🙂
»Nichtig« ist vielleicht das falsche Wort. Aber oft ist es so, dass man auf Reisen aufmerksamer, kommunikativer, offener, mutiger, spontaner und gelassener ist als im sogenannten Alltag – alles Dinge, die auf lange Sicht zufrieden machen, aber eben oft nur während der Reise »gelebt« werden.
Ein Beispiel: In einem fremden Land habe ich viel weniger Hemmungen, fremde Menschen anzusprechen und ein zwangloses Gespräch zu beginnen als zuhause in Deutschland. Ist doch irgendwie seltsam.
Wow, Respekt! Großer Text, der mir absolut aus der Seele spricht.
Beste Grüße
geschrieben mit licht
Freut mich, danke! Viele Grüße!
Hallo Philipp,
ein toller Beitrag, der sympathisch mit ein paar Erwartungen an das Reisen und dessen Wirkung aufräumt. Bzw mit der Überhöhung des Reisens als Heilsbringer und universeller Pfad zu Glück und Ausgewogenheit. Ich bin schon kurz davor mal einen Rand zum Thema »Ich reise um frei zu sein/endlich Freiheit« zu schreiben. Aber ich ringe noch mit den richtigen Worten und sprachlichen Bildern. 😉
In jedem Fall hat mir Dein Beitrag neues Gehirnfutter gegeben. Danke.Gruß,
martinHallo Martin,
so einen Artikel, wie du ihn planst, würde ich irre gerne lesen! Also bitte dranbleiben. 🙂
Schönen Gruß, Philipp
Sehr gut!
So isses,
herrlich die »Endlosschleife der Reflexion« (vorrangig bei »Berufstöchtern«).
hdk
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