Dunkles Wasser und tierische Beschwerden

Der Qui­lo­toa-Loop, die Schlei­fe rund um den Kra­ter­see Qui­lo­toa, ist eine der beein­dru­ckends­ten Sehens­wür­dig­kei­ten Ecua­dors. Hier, im andi­nen Hoch­land, laden unzäh­li­ge Wan­der­we­ge zum Erkun­den der atem­be­rau­ben­den Land­schaf­ten ein. Klei­ne Berg­dör­fer erlau­ben einen Ein­blick in das Leben der Land­be­völ­ke­rung. Bun­te Wochen­märk­te und tra­di­tio­nel­le Fes­te las­sen die Besu­cher stau­nen.

Auf unse­rem Weg durch das ecua­do­ria­ni­sche Hoch­land haben wir bereits den rie­si­gen, far­ben­fro­hen Sonn­tags­markt in Puji­lí bestaunt und waren zu einem Spon­tan­be­such in Gua­ya­ma San Pedro, um dem dort statt­fin­den­den Bul­len­kampf bei­zu­woh­nen (hier).

Mitt­ler­wei­le sind wir in Chug­chilán ange­kom­men. Das klei­ne andi­ne Dorf liegt zen­tral auf dem Qui­lo­toa-Loop und begrüßt uns mit einem gekoch­ten Schwei­ne­kopf auf der The­ke eines klei­nen Stra­ßen­stan­des. Auf Höhen zwi­schen 2.600 Metern und 3.800 Metern befin­den sich rund um Chug­chilán meh­re­re aus­ge­zeich­ne­te Wan­der­rou­ten.

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Wir ent­schei­den uns für die Wan­de­rung zum Kra­ter­see Qui­lo­toa. Um acht Uhr mor­gens ver­las­sen wir Chug­chilán. Wir wol­len und müs­sen den Kra­ter­see bis 14 Uhr errei­chen, um den ein­zi­gen Bus des Tages zurück nach Chug­chilán nicht zu ver­pas­sen. Öffent­li­cher Ver­kehr ist hier im dünn besie­del­ten Hoch­land Ecua­dors rar gesät.

Rund um den klei­nen Ort leuch­ten grü­ne Wie­sen auf den Hän­gen der Ber­ge. Gleich hin­ter den weni­gen zusam­men­ge­wür­fel­ten Häu­sern Chug­chiláns befin­den wir uns mit­ten in der andi­nen Schön­heit. Das frü­he Mor­gen­licht taucht die Land­schaft in beein­dru­cken­de Far­ben und so schlen­dern wir vor­bei an Wie­sen und Fel­dern und genie­ßen die Aus­sicht auf die umlie­gen­de grü­ne Berg­land­schaft.

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Die Luft riecht nach fri­schem Gras und Blü­ten, Schmet­ter­lin­gen tan­zen durch die Luft, Vögel zwit­schern in den Bäu­men. Unser Weg führt uns zu ein­sa­men Bau­ern­häu­sern in traum­haf­ter Kulis­se und anschlie­ßend immer wei­ter berg­ab. Die Schlucht, die der Fluss Toa­chi ins Gebir­ge grub, müs­sen wir durch­que­ren. Immer tie­fer stei­gen wir hin­ab. Der schma­le Pfad win­det sich an Fels­vor­sprün­gen vor­bei, ver­wan­delt sich in mat­schi­gen Morast und lässt uns über locke­re Stei­ne stol­pern.

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Dann sind wir end­lich unten. Die Son­ne, die uns bereits in die­sen frü­hen Mor­gen­stun­den den Nacken ver­brennt, schafft es noch nicht ganz bis hin­ab in die Schlucht und so machen wir eine kur­ze Pau­se im küh­len Schat­ten der Hän­ge.

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Der Auf­stieg hat es in sich. Schnau­fend und prus­tend erklim­men wir die ande­re Sei­te. Far­ne und Büsche wach­sen bis weit in den Weg hin­ein und ver­wei­gern uns ein ums ande­re Mal den Durch­gang.

Wei­ter oben bleibt die Vege­ta­ti­on aus. Statt­des­sen ist der Pfad so schmal, dass zwi­schen uns und dem Abgrund nur weni­ge Zen­ti­me­ter ver­blei­ben. Ein­hei­mi­sche auf Eseln kreu­zen unse­ren Weg. An der schmals­ten Stel­le des Pfa­des, an der wir vor­sich­tig einen Fuß vor den ande­ren setz­ten, rei­ten sie voll­kom­men ent­spannt vor­bei. Mit der Hand am Hut wer­den wir in guter alter Cow­boy­ma­nier gegrüßt.

Je höher wir stei­gen, des­to atem­be­rau­ben­der wird die Aus­sicht. Bald sind wir weit genug die enge Schlucht hin­auf­ge­stie­gen, um den Blick schwei­fen zu las­sen. Grü­ne Hügel, brau­ne Fel­der und grau­er Fels umge­ben uns in schein­bar geord­ne­ten geo­me­tri­schen For­men. Auf der ande­ren Sei­te der Schlucht, erken­nen wir, in noch gar nicht so gro­ßer Ent­fer­nung, Chug­chilán.

Die Son­ne brennt. Wir befrei­en uns von den vie­len Klei­dungs­schich­ten, die uns in der mor­gend­li­chen Küh­le noch wärm­ten. Der Auf­stieg tut sein Übri­ges. Voll­kom­men ver­schwitzt errei­chen wir das Ende der Schlucht.

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Von dort führt uns eine Stra­ße bis nach Gua­ya­ma San Pedro. Der win­zi­ge Ort ist wie aus­ge­stor­ben. War beim gest­ri­gen Bul­len­fest noch das gesam­te Dorf auf den Bei­nen, so begeg­nen wir jetzt kei­ner Men­schen­see­le. Die Are­na, tags zuvor Schau­platz betrun­ke­ner Selbst­über­schät­zung, liegt fried­lich inmit­ten des Ortes.

Hin­ter Gua­ya­ma San Pedro erhebt sich der Kra­ter des Vul­kans, in des­sen Inne­rem sich der See Qui­lo­toa befin­det. Wir wäh­nen uns fast am Ziel, als plötz­lich ein Kalb vor uns auf­taucht. Das halb­star­ke Rind, so ver­rät der durch­ge­ris­se­ne Strick, der an sei­nem Hals bau­melt, genießt sei­ne uner­war­te­te Frei­heit.

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Es läuft die Wie­sen hoch und run­ter, ohne genau zu wis­sen wohin mit den neu­ge­won­ne­nen Mög­lich­kei­ten. Dann schei­nen wir sein Inter­es­se geweckt zu haben. Neu­gie­rig kommt es schnup­pernd in unse­re Rich­tung und holt sich die gewünsch­ten Strei­chel­ein­hei­ten ab.

Der Auf­stieg zum Kra­ter zieht sich in die Län­ge. Zwar ist der Weg nicht beson­ders anspruchs­voll, jedoch nimmt er wegen der vie­len wei­ten Kur­ven jede Men­ge Zeit in Anspruch. Nach ins­ge­samt vier Stun­den errei­chen wir den Rand des Kra­ters.

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Wir haben es geschafft. Unter uns liegt nun, majes­tä­tisch und Ehr­furcht gebie­tend, der rie­si­ge Kra­ter­see. Mit einem Durch­mes­ser von drei Kilo­me­tern erstreckt sich das dun­kel­blau schim­mern­de Was­ser in der grü­nen Wei­te der hüge­li­gen Land­schaft.

Wir blei­ben und betrach­ten die leich­ten, im Son­nen­licht schim­mern­den Wel­len. Wie ein dunk­les Auge liegt der See tief in der ber­gi­gen Umge­bung. Nach all den Stra­pa­zen ver­schafft uns der kräf­ti­ge Wind, hier oben auf knapp 4.000 Metern Höhe, die nöti­ge Abküh­lung.

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Um den Bus zurück nach Chug­chilán zu neh­men, müs­sen wir uns jedoch auf den Weg zum gegen­über­lie­gen­den Ufer machen. In der Theo­rie ein ein­fa­ches Unter­fan­gen, gibt es doch unzäh­li­ge Pfa­de und Tram­pel­we­ge, die die Kra­ter­wän­de ent­lang­füh­ren.

Auf und ab füh­ren uns die klei­nen Schleich­we­ge ent­lang der Kra­ter­wand. Nied­ri­ges Gestrüpp säumt sei­ne Gren­zen. Gele­gent­lich bricht der Weg ein­fach ab und wir müs­sen unter Zuhil­fe­nah­me unse­rer Hän­de klet­tern, um über­haupt wei­ter vor­an zu kom­men. Mit jedem Schritt ändert sich der Blick­win­kel auf das glit­zern­de Was­ser.

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In Grün- und Blau­tö­nen liegt das Was­ser im Kra­ter­be­cken, doch bleibt uns nur wenig Zeit die Aus­sicht zu genie­ßen. Irgend­wo zwi­schen den vie­len Pfa­den müs­sen wir falsch abge­bo­gen sein, den wir haben uns kräf­tig ver­lau­fen. Statt der angeb­lich 30-minü­ti­gen Umwan­de­rung des Kra­ters, benö­ti­gen wir etwa zwei Stun­den.

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Pünkt­lich zur Abfahrts­zeit errei­chen wir den win­zi­gen Ort Qui­lo­toa, ober­halb des Kra­ters gele­gen und sehen den Bus gera­de noch in der Fer­ne davon fah­ren. Wie am Vor­tag ste­hen wir in Qui­lo­toa und war­ten auf eine Mit­fahr­ge­le­gen­heit.

Das Glück ist uns erneut ein treu­er Beglei­ter. Auf der ver­kehrs­ar­men Schot­ter­stra­ße nach Chug­chilán kommt uns ein klapp­ri­ges, quiet­schen­des Auto ent­ge­gen. Der Fah­rer, ein wort­kar­ger Typ, winkt uns zu sich und gemein­sam schlei­chen wir in etwas mehr als Schritt­ge­schwin­dig­keit durch die Land­schaft.

Bald ver­ste­hen wir war­um. Kei­ne 10 Minu­ten spä­ter stoppt das Auto, der Fah­rer springt her­aus und mit einem Schrau­ben­zie­her bewaff­net wirft er sich unter den Motor­block. Wenig spä­ter han­tiert er mit einem Stück Draht, das bis­her das Auto­ra­dio in sei­ner Ver­an­ke­rung hielt, und kurz dar­auf geht es tat­säch­lich wei­ter.

Auf der acht Kilo­me­ter lan­gen Stre­cke bis nach Chug­chilán erle­ben wir fünf(!) sol­cher Pan­nen. Doch über eine Stun­de spä­ter errei­chen wir den­noch unser Ziel.

Dass die Trans­port­mög­lich­kei­ten hier auf dem Qui­lo­toa-Loop aben­teu­er­lich sind, stel­len wir auch am nächs­ten Mor­gen fest. In einem Milch­trans­por­ter ver­las­sen wir Chug­chilán auf unse­rem Weg nach Saqui­silí. Auf der Lade­flä­che des Trans­por­ters befin­den sich, sicher fest­ge­zurrt, vier blaue Mai­sche­fäs­ser; dazwi­schen dicht gedrängt die Pas­sa­gie­re.

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Alle paar hun­dert Meter hält der Trans­por­ter auf sei­nem Weg und sam­melt die Milch der Klein- und Kleinst­bau­ern aus der Regi­on ein. Je nach Pro­duk­ti­ons­leis­tung gibt jeder Land­wirt zwi­schen einem hal­ben Liter und meh­re­ren 5‑Li­ter-Kanis­tern Milch ab. Auch wenn es eine Wei­le dau­ert: Am Ende sind die Fäs­ser bis zum Rand gefüllt.

In Saqui­silí ist don­ners­tags Markt­tag. Neben Obst, Gemü­se und Holz­ar­bei­ten aus der Regi­on, wer­den auch Stof­fe ange­bo­ten und direkt vor Ort ver­ar­bei­tet. Gleich meh­re­re Schnei­der sit­zen auf dem Markt vor ihren mobi­len Näh­ma­schi­nen und ver­wan­deln far­bi­ge Stof­fe in Pon­chos und Über­de­cken.

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Die Haupt­at­trak­ti­on ist jedoch der Tier­markt. Wöchent­lich wer­den hier Nutz­tie­re ange­bo­ten und wech­seln nach erfolg­rei­chem Han­deln den Besit­zer. Rin­der, Schwei­ne, Scha­fe, Lamas und Meer­schwein­chen, aber auch Hun­de und Kat­zen ste­hen zum Ver­kauf.

Der Tier­markt, ein rie­si­ger, stau­bi­ger Platz, ist in meh­re­re Par­zel­len unter­teilt. Jede Ras­se hat ihren eige­nen Bereich und wäh­rend Kühe und Lamas ent­spannt in ihren Ecken ste­hen, machen die Schwei­ne, Scha­fe und Zie­gen ihrem Unmut Luft. Sie blö­ken, mähen und quie­ken erbärm­lich und so herz­zer­rei­ßend laut sie nur kön­nen. Ihr Schick­sal ändern sie jedoch nicht.

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Die Tie­re sind nichts ande­res als Ware. Ihre neu­en Besit­zer machen kur­zen Pro­zess. Wer nicht hören will, muss füh­len und so wer­den Scha­fe, Schwei­ne und Zie­gen an den Hin­ter­bei­nen über den stau­bi­gen Boden gezo­gen. Die Kleins­ten – Fer­kel, Kat­zen und Feder­vieh – wer­den kopf­über in gro­ße Säcke gestopft, geschul­tert und abtrans­por­tiert. Auf den Lade­flä­chen der Pick Ups rum­pelt das Nutz­vieh, an den Fuß­ge­len­ken gefes­selt, in die neue Hei­mat.

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Auf dem Tier­markt in Saqui­silí endet unser Aben­teu­er auf dem Qui­lo­toa-Loop. Die andi­nen Land­schaf­ten, mit all ihrer Pracht und ihren Unwäg­bar­kei­ten, haben uns nach­hal­tig beein­druckt. Das Leben in den abge­schie­de­nen Berg­dör­fern ist beschwer­lich, zugleich aber auch vol­ler Kul­tur und von Jahr­hun­der­te alten Tra­di­tio­nen durch­zo­gen.

Wer einen tie­fe­ren Ein­blick in die fas­zi­nie­ren­de Welt des ecua­do­ria­ni­schen Hoch­lan­des gewin­nen möch­te, dem sei­en die Schwie­rig­kei­ten, aber vor allem die Schön­hei­ten auf dem Qui­lo­toa-Loop ans Herz gelegt.

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Antworten

  1. Avatar von Wolfgang Käseler via Facebook
    Wolfgang Käseler via Facebook

    Cool! Fei­ner Bericht. Schö­ne Fotos …

    Hin!!! 😉

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Dan­ke, Wolf­gang!
      Genau. So schnell wie mög­lich. Es lohnt sich!

  2. Avatar von Wolf's World Tour
    Wolf's World Tour

    Schö­ner Bericht! Tol­le Fotos! 😉

    Da »muss« ich auch hin .…. 😉

    Irgend­wann!!! 😉

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