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Die Globalisierung sei heutzutage allgegenwärtig, dachte ich. Alle Waren dieser Welt seien, zum Beispiel, zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar. Diese Erfahrung machte ich selbst, als ich mir die Salsa Tapatía, eine scharfe Chillisoße aus Guadalajara (Mexiko), mit nach Deutschland brachte.
Heilfroh war ich, als ich Zuhause meinen Koffer öffnete und sie unversehrt aus einem T‑Shirt rollte. Die Chillisoße war mehr als nur ein scharfes Gewürz für mich – ich wollte meine Erinnerung an Guadalajara materialisieren: ein bisschen nach Mexiko sollten meine Salamibrote in Zukunft schmecken. Doch bald kam die enttäuschende Entdeckung: Der Edeka in Tübingen führte genau diese Soße! Meine Soße war plötzlich abgewertet, das Exotische fortan verflogen: Meine Salamibrote schmeckten nicht mehr nach Mexiko, sondern einfach nur ausgesprochen scharf.
Soll ich mir also den legendären Kampot-Pfeffer aus Kambodscha mitbringen? Eher nicht, ich könnte ihn auch jederzeit Online bestellen.
Gleichermaßen dachte ich, dass selbst geographische Grenzen nur noch im Atlas existierten. Das schwäbische Café in Singapur? Der afrikanische Friseur in Buxtehude? Alles normal heutzutage.
Doch ich muss mich gewaltig getäuscht haben. Die Globalisierung hat ihre Grenzen: Zwei Deutsche in Indonesien müssen etwas Besonderes sein! Sogar in Millionenstädten werden wir begrüßt, fotografiert und begutachtet. Menschen treten aus ihren Häusern wenn wir vorbeilaufen. In Sulawesi verfolgt man uns sogar bis aufs Hotelzimmer.
„Hello Mister!“ aus allen Himmelsrichtungen. „Good Morning, Misterrr!“, zischt es an mir vorbei. Ein Motorradfahrer. Menschen aller Altersgruppen, Schichten, Religionen, Geschlecht…ach, einfach ALLE grüßen uns. Die „Hello Mister“ Rufe sind zur Gewohnheit geworden. Vor allem sind sie so zahlreich, dass es schwierig ist, sie alle zu erwidern.
Wenn man die Einwohneranzahl zugrunde legt ist Indonesien das viertgrößte Land der Erde. 240 Millionen Menschen leben hier, verteilt auf ca. 17500 Inseln. Diese Tatsache verleitete mich zum Trugschluss, dass man hier etwas routinierter auf 2 deutsche Rucksacktouristen reagieren würde. Weit gefehlt. Fotos mit uns sind heiß begehrt. Die meisten Menschen begegnen uns meistens sehr höflich, ja fast schüchtern und freuen sich umso mehr, wenn wir uns zugänglich zeigen. Wir posieren geduldig vor allerlei Handykameras und freuen uns darüber, wie viel Freude wir auslösen können. In ländlicheren Gebieten verbreitet sich die Nachricht über unsere Präsenz wie ein Lauffeuer. Menschen, die uns erblicken, informieren eilig ihre Nachbarn, die Dorfbewohner treten aus ihren Häusern heraus und winken uns zu. Fast wie eine Parade spazieren wir durchs Dorf. Unsere Hände zum Winken können wir konstant oben lassen: ein „Abnehmer“ findet sich immer.
Mitunter überfordert uns die Aufmerksamkeit: Ganze Schulklassen rennen auf uns zu und jeder einzelne will ein Foto mit uns haben. Ein andermal springen ein paar Kinder wie Äffchen um uns herum, hängen sich an unsere Rucksäcke, ziehen und zerren an uns. Da helfen nur ein strenger Blick und ein zügiger Abgang.
In Pare Pare auf Sulawesi werden wir nachts von Teenagern geweckt, die an unserer Zimmertür rütteln. Zum Handyklingelton „I´m so lonely, broken angel” rufen sie „I wanna make love to you, Mister!“. Wir stellen uns tot bis es vorüber ist. Zuneigung im Übermaß kann verdammt anstrengend sein.
Im Mamasa-Tal sind wir die einzigen Touristen. Obwohl der Ort nur 72km von Polewali entfernt ist, brauchen wir 6 Stunden per Geländewagen. Aufgrund tiefer Schlaglöcher und steiler Abhänge unterbieten wir mitunter sogar Schrittgeschwindigkeit. Im Gasthaus können wir uns ein Zimmer aussuchen, es sind sowieso keine anderen Gäste da. Während wir über den Marktplatz gehen, wird jede Bewegung zur Kenntnis genommen, jede unserer Handlungen besprochen. Sie unterhalten sich, doch ihre Augen fixieren stets uns: „Der Mann nimmt den Rucksack ab. Er scheint etwas rauszuholen. Eine Wasserflasche. Er trinkt!“ Ich kann nur spekulieren, aber in dieser Art müssen die Gespräche ablaufen. Wir werden zu Personen des öffentlichen Lebens erhoben.
Ich freue mich herzlich Willkommen geheißen zu werden. Irgendwie fühle ich mich wertvoll, ohne etwas dafür getan zu haben. Daher rührt wohl auch mein Unbehagen: die Freundlichkeit uns gegenüber ist selektiv. Nicht der Fremde per sé wird freundlich empfangen, sondern vielmehr der hellhäutige Europäer. Viele Indonesier geben sich Mühe, ihre Haut so hell wie möglich zu halten. Bei sengender Hitze tragen sie Kapuzenpullis, Halstücher und sogar Handschuhe. Die Supermarktregale sind voll mit Whitening- Cremes. Ein heller Teint gilt als vornehm und zeugt von Status. Sich der Sonne, und somit der Arbeit auf den Feldern und Baustellen, entziehen zu können, ist ein Privileg.
Die positive Diskriminierung, die uns zuteil wird, wertet immer das Eigene, in diesem Fall Indonesische, ab. Obgleich das Phänomen grundsätzlich universeller Natur ist. Ohne eine besondere Leistung abzuliefern, allein wegen unserer körperlichen Hülle, genießen wir besondere Aufmerksamkeit. Schwaben würden sagen: Das hat ein G’schmäckle.
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Antworten
Keine Sorge, Eure Fotos hängen jetzt in vielen Wohnungen neben Postern von Filmstars 😉
Euch weiterhin viele weitere spannende Abenteuer und bleibt Gesund 😉
Als ein Indonesier kann ich d. Verhalten sehr gut nachvollziehen 😉 In Fernsehern und Kinos laufen sehr viele amerikanische Filme. Die hellhäutigen Europäer sind für Indonesier durch die Medien das Schönheitsideal schlecht hin. In den Gegenden, wo sich sehr wenige Touristen »verirren«, ist es ein Segen, wenn zwei weiße Europäer quasi vor der Haustür vorbeilaufen. Das muss dokumentiert/fotografiert werden. 😉
Hey Pitua,
danke fuer Deinen Beitrag als »Insider«! Ich muss zugeben, ich kam mir manchmal vor wie ein Filmstar 😉
Alles Gute Dir!
Da hat also noch jemand die gleiche Erfahrung gemacht wie ich (http://timoaufreisen.rtwblog.de/2013/04/22/aus-dem-leben-eines-promis/) Für mich war es in Indonesien (bei mir: Java) genauso erstaunlich… Dort wo noch wenige Touristen sind, hört man umso häufiger »Mister, picture please?!« 🙂
Ja, es ist schon merkwürdig und manchmal auch etwas anstrengend gewesen, aber gibt einen Geschmack, wie sich ein Promi fühlen muss… 😉
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