Die Koriander-Sache

Mexi­ko, Sep­tem­ber 2009.
Ich lie­be das mexi­ka­ni­sche Essen. Am Meis­ten mag ich die Tacos in all sei­nen Varia­tio­nen, so wie sie in Nord­me­xi­ko auf der Stra­ße zu kau­fen sind. Ich kann nicht genau sagen, war­um, aber sie sind anders als in Zen­tral­me­xi­ko. Jede Regi­on wird ihre Eigen­hei­ten haben. Aber da gibt es ein Ding, das mir immer und immer wie­der zu schaf­fen macht: die Kori­an­der-Sache. Die mexi­ka­ni­sche Küche liebt die­ses Kraut, das wie Peter­si­lie aus­sieht. Immer und über­all kommt es hin­ein und dar­über. Jedes Gericht muss eine Spur fri­schen Cil­an­tro beinhal­ten, sonst schmeckt das Essen nicht so, wie es schme­cken soll. Das zumin­dest erklä­ren mir Freun­de wie­der­holt. Doch ich habe da ein wirk­lich gra­vie­ren­des Pro­blem, erst in Mexi­ko, wo die­ses Kraut so unend­lich wich­tig ist, wur­de mir bewusst, dass es da ist. Man kann sich ja eigent­lich an Vie­les gewöh­nen und jedes Essen kann man irgend­wie hin­un­ter­wür­gen, auch wenn man es nicht gera­de umwer­fend fin­det. Mit der Schär­fe der Sal­sa Pican­te habe ich mich lan­ge ange­freun­det, auch wenn die­se Bezie­hung lang­sam und Schritt für Schritt auf­ge­baut wer­den muss­te, da mir sonst der Atem stock­te und ich dicke Trä­nen wein­te. Aber das mit dem Kori­an­der, das will nicht so recht hin­haun, ich habe wirk­lich viel an der Sache gear­bei­tet. Das ers­te Mal kam mir Cil­an­tro in Spa­ni­en unter. Ich war bei einer Bekann­ten zu Besuch und sie koch­te Pael­la – extra für mich. Fei­nes Rind­fleisch hat­te sie dafür gekauft. Ich aß einen Löf­fel, als mich plötz­lich ein star­ker Wür­ge­re­flex über­kam. Ich gur­gel­te vor mich hin, pein­lich berührt, dass ich das Essen nicht hin­un­ter­schlu­cken konn­te. In die­sem Moment dach­te ich mir über mich selbst: »Sap­per­lot, es kann ja doch nicht sein, dass du Vor­ur­tei­le gegen­über dem Fleisch hast, nur weil du es nicht in dei­ner Hei­mat zu dir nimmst.« Ein­fach nur schlu­cken, ist doch ganz leicht. Ver­dammt! Es geht ein­fach nicht! Resul­tat: ich hol­te das halb­zer­kau­te Essen wie­der aus mei­nem Mund und muss­te mei­ner Gast­ge­be­rin irgend­wie erklä­ren, dass ich das jetzt nicht essen kann. Damals dach­te ich, ich wäre gegen­über dem Fleisch vor­ein­ge­nom­men, dass es womög­lich nicht gut genug durch­ge­kocht war oder was auch immer. Heu­te weiß ich, dass das nicht der Grund war.

In Mexi­ko gehe ich mit einem Freund gemein­sam das ers­te Mal Tacos essen. Und wie­der: ich habe den ers­ten Bis­sen gera­de im Mund, als sich in mir die­ser Wür­ge­re­flex breit­macht. Mir kommt die Situa­ti­on so unglaub­lich bekannt vor. Ein Geschmack, der mich irgend­wie an Chlor erin­nert, schleicht über mei­ne Zun­ge. Ich kann die­sen Taco nicht essen. Mein Freund hat sogleich eine Ver­mu­tung, er hat solch eine Reak­ti­on schon bei ande­ren Mexi­ko-Rei­sen­den erlebt. Er bestellt mir einen Taco ohne Kori­an­der. Und tat­säch­lich! Ich kann ihn see­len­ru­hig essen, ohne dass sich etwas in mir gegen die Nah­rungs­auf­nah­me wehrt.

Immer wie­der pro­bie­re ich, zumin­dest ein biss­chen Kori­an­der zu essen. Mit Nase-Zuhal­ten oder Schnell-Schlu­cken. Manch­mal schaf­fe ich es, den Wür­ge­re­flex zu unter­drü­cken. Aber so wirk­lich mögen tut mein Kör­per die­ses Kraut ein­fach nicht. Ein­mal lese ich im Inter­net, dass man Cil­an­tro ent­we­der liebt oder hasst, etwas dazwi­schen gibt es nicht. Heu­te bestel­le ich mei­ne Tacos meis­tens sin Cil­an­tro – ohne Kori­an­der – und zwi­schen­durch mache ich den Selbst­ver­such, ob sich mein Kör­per inzwi­schen an den Geschmack gewöhnt hat, bis irgend­wann die Kori­an­der-Sache aus der Welt geschafft ist.

 

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Antworten

  1. Avatar von Anja
    Anja

    Ach! Das ist inter­es­sant, weil ich nicht wuss­te, dass man Kori­an­der so weit ver­brei­tet kennt! Ich has­se Chlor vor allem in Putz­mit­teln, aber lie­be Kori­an­der im Essen aus gan­zer See­le. Dach­te, es wäre so ein asia­ti­sches Ding. Dan­ke für das Bil­dungs-Upgrade ♥︎

  2. Avatar von Ilona

    Wel­co­me to my world… Mir geht es ganz genau­so!
    Ich hat­te mei­ne ers­te Begeg­nung mit Kori­an­der in Usbe­ki­stan. Am ers­ten Abend war das über eine Art Geschnet­zel­tes mit Reis drü­ber gestreut. Ich dach­te, es sei Peter­si­lie und aß es. Ich merk­te ziem­lich umge­hend, dass da jetzt irgend­was komisch war, irgend­was, was mir augen­blick­lich den Magen umdreh­te. Aber ich hat­te Hun­ger und dach­te, das käm nur daher, weil ich so lan­ge nix geges­sen hat­te.
    Beim anschlie­ßen­den Geld­wech­seln konn­te ich mich kaum auf­recht hal­ten, weil ich sol­che Magen­krämp­fe hat­ten. Und den Rest des Abends ver­brach­te ich dann über die Klo­schüs­sel gebeugt. Und das war mein Ein­stand in die Usbe­ki­sche Küche.

    Nach und nach wur­de zwar wahr­lich jedem der Grup­pe schlecht – nicht unbe­dingt wegen dem Kori­an­der – aber mich hats gleich wegen des Kräut­leins flach­ge­legt und seit­her ver­mei­de ich es strikt.
    Ich habe anschlie­ßend auch etwas recher­chiert und gele­sen, dass dar­in wohl vie­le Sapo­nine ent­hal­ten sei­en und man­che Kör­per reagie­ren dar­auf ein­fach so, wie sie auf Sei­fe reagie­ren wür­den: Sie sto­ßen es ab.
    Mei­ner tut das offen­sicht­lich.

  3. Avatar von Marianna

    Ich gehö­re zur Frak­ti­on Ich-lie­be-Kori­an­der-am-liebs­ten-in-jedes-Essen. Kein Scherz! Einer mei­ner Haupt­grün­de nach Mexi­ko fah­ren zu wol­len, ist weil sie Kori­an­der ins Essen tun 😀

  4. Avatar von Silja

    Haha, zu der Kori­an­der-Hass-Frak­ti­on gehö­re ich auch. Bis­her hat mich das aber noch nicht in unan­ge­neh­me Situa­tio­nen gebracht. Welch Glück, denn vor allem bei dei­nem Bei­spiel, wo extra für dich gekocht wur­de, muss es übel gewe­sen sein.
    Nor­ma­ler­wei­se erin­nert mich der Geschmack eher dar­an, wie Stink­wan­zen rie­chen. Aber dass für mich Fleisch nach Chlor geschmeckt hat, hat­te ich auch schon. Viel­leicht war mir da nicht bewusst, dass Kori­an­der am Essen war und ich konn­te es nicht zuord­nen.

  5. Avatar von chiplara
    chiplara

    Ich lie­be Kori­an­der.
    Mein Freund hasst es.

    Gera­de in Por­tu­gal aus­führ­lich getes­tet ;-O

  6. Avatar von Rosa

    Ich muss so lachen, erst ges­tern habe ich mich mit einer Freun­din dar­über unter­hal­ten, dass es bei Kori­an­der nur ent­we­der oder gibt. Es gibt kein Dazwi­schen und wenn jemand das Kraut nicht mag, dann hel­fen auch die bes­ten Koch­küns­te und liebs­ten Wor­te nicht! 😀 Trotz­dem viel Erfolg bei der Desen­si­bi­li­sie­rung!

    1. Avatar von 100 Sterne und Mond

      Bin der­zeit wie­der in Latein­ame­ri­ka unter­wegs und in Vene­zue­la immer mal wie­der über einen leich­ten Kori­an­der­ge­schmack gestol­pert. Ich bre­che nicht in eupho­ri­sche Freu­den­sprün­ge aus, mer­ke immer sofort: Aha, da ist die­ses Zeugs drin, aber kann es inzwi­schen essen. Bin gespannt, wie’s wei­ter­geht, denn Mexi­ko kommt bald bzw. ich dort­hin 😉

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