CAST AWAY – Part 2

Ich lös­te den Tank­de­ckel, um einen Blick in den Tank zu wer­fen. Der Tank war voll. Ich wickel­te das Star­ter­seil um den Anlas­ser und zog ein­mal kräf­tig. Ein kur­zes Blub­bern und dann – kein Laut.

Noch ein­mal ver­such­te ich den Motor zu star­ten. Erfolg­los. Ich biss ein­mal kräf­tig in mein Brot, spül­te den Bis­sen mit einem gro­ßen Schluck Was­ser run­ter und wickel­te erneut das Seil um den Anlas­ser.

Immer und immer wie­der ver­such­te ich den Motor zu star­ten. Doch das ver­fluch­te Ding woll­te ein­fach nicht ansprin­gen.

Das offene Meer

Ich leg­te eine kur­ze Pau­se ein. Irgend­wie über­kam mich ein selt­sa­mer Gedan­ke, den ich aber im nächs­ten Moment ver­dräng­te. „Wird schon wie­der.“, rede­te ich mir ein und griff nach dem Werk­zeug­kas­ten unter mei­ner Sitz­bank. Der Werk­zeug­kas­ten war gut über­schau­bar: Ein alter, ros­ti­ger Schrau­ben­dre­her und ein Maul­schlüs­sel, um die Zünd­ker­ze zu lösen. Ich über­prüf­te die Zünd­ker­ze. Sie war Ok.

Eine kreisende Möwe

Es ver­gin­gen bereits eini­ge Stun­den und ich war immer noch dabei den Motor zu star­ten. In mei­nen Hand­flä­chen bil­de­ten sich Bla­sen vom Anlas­seil. Mit jedem wei­te­ren geschei­ter­ten Ver­such, den Motor zu star­ten, schwand mei­ne Hoff­nung und das selt­sa­me Gefühl ergriff lang­sam Macht in mir.
An das Fischen konn­te ich nicht mehr den­ken. Zu weit war ich schon vom Riff abge­drif­tet. Ich woll­te nur noch nach Hau­se, zu mei­ner Frau, doch der Motor woll­te ein­fach nicht ansprin­gen.

Panorama 1

Es ver­gin­gen wei­te­re ver­zwei­fel­te Stun­den. Irgend­wann gab ich erschöpft auf, den Motor in Gang zu bekom­men. »Ist er eben kaputt.«, dach­te ich mir und griff nach dem Brot, da ich einen leich­ten Hun­ger ver­spür­te. Doch dann über­leg­te ich es mir noch ein­mal gut. Ob ich in das Brot bei­ßen soll­te, oder nicht, denn das selt­sa­me Gefühl in mir begann zu spre­chen: »Arnold, geh nicht all zu ver­schwen­de­risch mit dei­nem Brot um! Du hast schließ­lich kei­ne Ahnung wie lan­ge du hier auf dem Meer her­um trei­ben wirst!«

Ich nahm nur einen klei­nen Bis­sen und weni­ge Schlu­cke von dem ver­blie­be­nen Was­ser – Spar­sam sein! Ich hat­te Hun­ger!

Es wird lang­sam Abend

Als lang­sam die Däm­me­rung ein­setz­te, wur­de mir ein wenig kalt. Decken hat­te ich natür­lich nicht dabei, ist ja klar. Mit so einer Situa­ti­on rech­net nie­mand. Also beschloss ich mich in die lee­re Sty­ro­por­box, die eigent­lich für mei­nen heu­ti­gen Fang bestimmt war, zu legen. So ver­brach­te ich die Nacht in der lee­ren Fisch­kis­te, ohne zu ahnen wie vie­le Näch­te ich in der Box ver­brin­gen müss­te. Das war der ers­te Tag.

Sonnenuntergang

Tag 2 – Hun­ger

Ein lau­tes Knur­ren riss mich aus mei­nen Alp­träu­men. Schweiß­ge­ba­det blin­zel­te ich in die strah­len­de Son­ne. Ich bekam mei­ne Mund­win­kel kaum auf­ge­ris­sen, sie waren ver­trock­net. Die Zun­ge kleb­te am Gau­men – Durst! Was­ser! Ich nahm einen kräf­ti­gen Schluck aus der Was­ser­fla­sche. Es fühl­te sich an, wie ein Trop­fen auf einen hei­ßen Stein. Ich nahm noch ein ver­schwen­de­ri­schen Schluck und rieb mir die Augen. Die Son­ne blen­de­te für eine kur­ze Zeit, bis sich die Augen der blau­en Hel­lig­keit anpass­ten.
Blau. Nichts als Blau. Ich war immer noch auf die­sem unfass­bar gro­ßen Meer unter­wegs. Mir wur­de mei­ne Situa­ti­on erneut bewusst. Der Alp­traum war rea­ler, als mir lieb war.

Blauer Himmel

Als mir mei­ne Situa­ti­on lang­sam wie­der bewusst wur­de, biss ich in mein Brot und stell­te fest, dass der brau­ne über­le­bens­not­wen­di­ge Klum­pen immer klei­ner wur­de. Mein Magen krampf­te ins lee­re. Nah­rung! Ich brauch­te Nah­rung. Ich schmiss mei­ne Angel­schnur her­aus und hoff­te dar­auf, dass ein paar Fische sich mei­ner erbar­men und anbei­ßen wür­den. Doch das Was­ser war zu tief. Es ver­irr­te sich kein ein­zi­ger Fisch zu mir. So blieb ich auch am zwei­ten Tag hung­rig und durs­tig.

Tag 3 – Die Box

Die Nacht in der Sty­ro­por­box war nicht beson­ders kom­for­ta­bel. Und mit dem Gedan­ken, noch mehr Näch­te zusam­men gekau­ert in die­ser Box zu ver­brin­gen, woll­te ich mich ein­fach nicht anfreun­den – noch nicht!

Gie­rig biss ich noch ein­mal in mein Brot – der letz­te Biss. Als hät­te ich es nicht geahnt. Ich hat­te über­haupt kei­ne Idee, wie ich mei­nen hung­ri­gen Magen in den kom­men­den Tagen fül­len soll­te. Ich über­prüf­te mei­ne Angel­schnur, die auch wäh­rend der Nacht im Was­ser hing.
Kein Fisch.
Ver­zweif­lung und Frus­tra­ti­on – ich heul­te jäm­mer­lich.
Ich wünsch­te mir so sehr end­lich von die­sem Boot run­ter zu kom­men. So habe ich mir mei­nen Tod nie­mals vor­ge­stellt! Bil­der kreis­ten im Kopf – Ich ver­miss­te mei­ne Frau! Was­ser!!! Was hät­te ich für eine küh­le Coke geben!

Als dann am Ende des Tages die Däm­me­rung ein­brach, war ich immer noch mit dem Gedan­ken beschäf­tigt, wie ich mei­nen schmerz­haft sau­gen­den Magen fül­len könn­te. Geschwächt und aus Ver­zweif­lung begann ich klei­ne, geschmacks­neu­tra­le Stü­cke an der Kan­te der Sty­ro­por­box her­aus zu bre­chen, mei­ne Schlaf­box. Mit dem letz­ten Schluck Was­ser in der Fla­sche würg­te ich die wei­ßen Kügel­chen in mich hin­ein, in der Hoff­nung, das Hun­ger­ge­fühl zu besänf­ti­gen. Ob sie mich such­ten? Was mache ich, wenn die Box auf­ge­ges­sen ist? Nachts erfrie­ren?

Ich leg­te mich erneut in die Box zum schla­fen und um nicht zu erfrie­ren.

Tag 4 – Hoff­nung!

Die Nacht in der ange­knab­ber­ten Box war schlimm. Hohe Wel­len ris­sen mich immer wie­der aus mei­nem Alp­traum geplag­ten Schlaf.  Und mor­gens, dann die gro­ße Hoff­nung! Eine Regen­front zog direkt auf mich zu!

Die Regenfront

Immer wie­der hoff­te ich, ein paar Regen­trop­fen wür­den mich errei­chen, um mei­ne Was­ser­fla­schen auf­zu­fül­len und mei­nen tro­cke­nen Gau­men zu befeuch­ten. Ich fei­er­te vor Freu­de auf mei­nem Boot – allein.
Doch die Regen­front zog gna­den­los an mei­nem Boot vor­bei. Zum Grei­fen nahe war das Trink­was­ser – die Hoff­nung.

Mei­ne Sor­gen wur­den grö­ßer und grö­ßer. Wie fühlt es sich an, zu ver­durs­ten? Ich woll­te nicht dar­an den­ken.
Ich bekam Schwie­rig­kei­ten, mei­ne Gedan­ken klar bei­sam­men zu hal­ten. Ich dreh­te durch! Bei­na­he wäre ich mit dem Kopf ins Meer ein­ge­taucht, um mei­nen Durst mit dem sal­zi­gen Was­ser zu stil­len. Doch das hät­te mei­ne Situa­ti­on nur ver­schlech­tert. Ich nahm einen letz­ten, klei­nen Schluck aus der Fla­sche und ver­steck­te mich auf dem Boot vor der ste­chen­den Son­ne.

Im Schat­ten, zusam­men­ge­kau­ert wie ein Häuf­chen Elend, frag­te ich mich, wie weit ich nachts bei der stür­mi­schen See wohl getrie­ben bin? Der Hori­zont sah immer noch so aus, wie am Vor­tag – end­los weit. Er zog sich wie eine rie­si­ge Schlei­fe um mich her­um. Eine Schlei­fe, die sich jeden Moment zuschnü­ren woll­te, um mir das Leben zu neh­men. Doch sie war immer noch weit weg.

Die Möwe

Es muss­te spä­ter Nach­mit­tag gewe­sen sein. Es erschien mir, wie eine Fata­mor­ga­na. Mein manö­vrier­un­fä­hi­ges Boot trieb auf einen Fleck im Hori­zont zu.
Ist es wirk­lich…? Ich war mir nicht sicher. Es konn­te gut sein, dass mein Gehirn kurz vor dem Aus­trock­nen war. Doch es könn­te sein…

Fort­set­zung folgt…

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Antworten

  1. Avatar von Martin

    No way – Fort­set­zung folgt… Das ist nicht fair :-)…ich war eben voll drin in der Geschich­te. Freue mich ja rich­tig auf Part 2!

    1. Avatar von Renartis

      So eini­ges ist nicht fair!
      Aber du kannst auch zur Abwechs­lung noch Part 1 lesen! 😉 https://www.reisedepeschen.de/cast-away-part‑1/

  2. Avatar von Alex

    Sehr span­nend, ich bin schon gespannt wie es wei­ter geht…

    LG

    Alex

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