Die Weltretterin

Es gibt Men­schen,

die kreu­zen nur kurz dei­nen Weg und doch hin­ter­las­sen sie eine Spur zu einem Ort,

an dem du sie eines Tages wie­der­se­hen wirst.

 

Die Welt­ret­te­rin und ich ver­brach­ten nur drei Tage mit­ein­an­der. Ich traf sie in Frank­reich, wo sie Zeit ver­brach­te, um Kochen zu ler­nen. War­um sie kochen ler­nen woll­te, frag­te ich sie als wir in der gro­ßen Küche eines Cha­teaus zusam­men den Abwasch mach­ten. »Ich möch­te mein eige­nes Café eröff­nen,« sag­te sie mit einem star­ken ita­lie­ni­schen Akzent, doch ver­riet ihr Wort­schatz, dass sie bereits meh­re­re Jah­re im Aus­land gelebt haben muss­te.

»Wo hast du dein Eng­lisch gelernt?« frag­te ich des­halb wei­ter.

»In mei­nem letz­ten Job. Ich bin viel gereist.«

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Ich horch­te auf, woll­te wis­sen, wel­cher Job ihr das Rei­sen ermög­licht hat­te. Was ich erfuhr, war erstaun­lich. In den letz­ten zehn Jah­ren hat­te sie für ver­schie­de­ne NGOs gear­bei­tet, hat­te an Orten gelebt, von denen ich nur vage wuss­te, wo sie über­haupt lagen. Sie erzähl­te von Afgha­ni­stan, von Tschad, von Sier­ra Leo­ne. Sie war dort gewe­sen, mit­ten drin, Bil­der die ich nur aus der Zei­tung kann­te, hat­ten sich vor ihren Augen bewegt.

Ob sie Angst hat­te, frag­te ich sie und glaub­te die Ant­wort schon zu ken­nen. Natür­lich muss­te sie Angst gehabt haben! Aber wie­der erstaun­te sie mich, als sie ver­nein­te. Für Angst sei kei­ne Zeit gewe­sen. All das erzähl­te sie ohne die gerings­te Form von Stolz oder Hoch­mut. Schon immer hat­te sie Men­schen glück­lich machen, Gutes tun wol­len, erklär­te sie mir, als ich wei­ter nach­frag­te – von sich aus hät­te sie nichts erzählt. Ihre war wohl eine Welt, die jemand wie ich nicht ver­stan­den hät­te.

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Nach zehn Jah­ren hat­te sie sich aber dafür ent­schie­den, den Job hin­ter sich zu las­sen. Sie hat­te zu viel von sich selbst auf­ge­ben müs­sen. »Zuerst muss ich mich selbst glück­lich machen,« sag­te sie.

»Und was macht dich glück­lich?« frag­te ich die Welt­ret­te­rin und ihre Ant­wort war das Süßes­te, was ich jemals gehört habe.

»Kek­se backen.«

Und dann lächel­te sie.

Ich dach­te nach. Hat­te die Welt­ret­te­rin auf­ge­ge­ben? Hat­te sie ver­sagt? Ich glau­be nicht. Ich glau­be, sie hat ver­sucht. Sie hat ver­sucht, aus die­ser Welt einen bes­se­ren Ort zu machen. Und das wird sie auch wei­ter­hin tun. Und wenn ich eines Tages nach Ita­li­en kom­me, mit lee­rem Magen und auf der Suche nach einem Platz an der Son­ne, dann wer­de ich sie wie­der­se­hen. Und ich weiß sie wird mich ret­ten.

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Antworten

  1. Avatar von Lisa Burgeis

    Man­che Men­schen brau­chen nur einen Augen­blick um uns zu berüh­ren mit Ihren Geschich­ten und Aus­strah­lung, ande­re hin­ter­las­sen nach Jah­ren kei­nen blei­ben­den Ein­druck. Auch wenn die­se Men­schen einen nicht direkt ret­ten, so kön­nen sie uns manch­mal doch die Augen für neue Denk­wei­sen öff­nen. Wie in einem Roman­tik­ho­tel ver­zau­bern sie den Augen­blick. Mir sind schon eini­ge sol­cher Men­schen begeg­net, mit den meis­ten bin ich sogar bis heu­te noch irgend­wie in Kon­takt, wenn auch über­haupt nicht regel­mä­ßig. Ich bezeich­ne die­se Begeg­nun­gen ger­ne als klei­ne Hal­te­stel­len auf der Rei­se die wir Leben nen­nen, Lg Lisa =)

  2. Avatar von Susanne & Dirk

    Lie­be Gesa,
    was eine schö­ne Begeg­nung. Ja, sol­che Men­schen trifft man unter­wegs (oft an Un-Orten wie einer Küche oder in einem Wasch­sa­lon). Und sie machen einen immer nach­denk­lich, grüb­le­risch. Nur eins wer­den sie nie tun: einen ret­ten. Dafür ist man ganz allein zustän­dig. Das haben die­se Men­schen gelernt. Toll, dass sie einem Kek­se backen wür­den.
    Herz­li­che Grü­ße
    Susanne&Dirk

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