Auf dem Dach der Welt

Tadschi­ki­stan, ein klei­nes Land, Sehn­suchts­ort aller Gebirgs­wan­de­rer, dabei den meis­ten Euro­pä­ern zu Unrecht völ­lig unbe­kannt, liegt mit­ten in Zen­tral­asi­en und grenzt an Chi­na, Usbe­ki­stan, Kir­gi­stan, Paki­stan und Afgha­ni­stan.

Ghor­no-Bad­akhs­han, die auto­no­me Regi­on im Osten des Lan­des und nur mit einem geson­der­ten Per­mit ber­eis­bar, war mein Ziel für eini­ge Wochen ernst­haf­ten Hoch­ge­birgs­trek­kings auf dem „Dach der Welt“, dem Pamir.

Vom Trek­king zur Akkli­ma­ti­sie­rung aus den Fann-Ber­gen im Nord­wes­ten des Lan­des war ich nach Dushan­be, der weit­läu­fi­gen Haupt­stadt des Lan­des zurück­ge­kehrt. In die­ser, für Zen­tral­asi­en, so typi­schen Stadt mit den bau­li­chen Relik­ten des unter­ge­gan­ge­nen Sowjet-Reichs, sowie den für zen­tral­asia­ti­sche Staats­ober­häup­ter so cha­rak­te­ris­ti­schen Prunk­bau­ten, Paläs­ten und Monu­men­ten, such­te ich nach einer Trans­port­mög­lich­keit ins ent­le­ge­ne Bad­akhs­han.
 
 
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Monu­men­ta­les Dushan­be.
 
 
Auf­grund der wet­ter­be­ding­ten Unzu­ver­läs­sig­keit der ein­zi­gen Flug­ver­bin­dung, blieb nur der Trans­port per 4x4, auch wenn ich der 12 stün­di­gen Fahrt über buck­li­ge Pis­ten nicht gera­de mit freu­di­ger Erwar­tung ent­ge­gen­sah. Ich begut­ach­te­te meh­re­re Gelän­de­wa­gen auf ihren tech­ni­schen Zustand und Kom­fort, ver­han­del­te, ob mei­ner feh­len­den Sprach­kennt­nis­se unter gro­ßen Schwie­rig­kei­ten den Preis und mach­te mich am nächs­ten Mor­gen auf den Weg nach Chorug, der Haupt­stadt Gor­no-Bad­akhs­hans.
 
 
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Wei­te Tei­le des Lan­des sind auf dem Land­weg nur per 4x4 zu errei­chen, die Wahl des rich­ti­gen Fahr­zeugs und Fah­rers ist essen­zi­ell auf den teils mehr als 12 stün­di­gen Fahr­ten.
 
 
Der gro­ße HDJ 90 Land­crui­ser mit einem noch recht jun­gen Fah­rer erwies sich als gute Wahl und nach eini­gen Stun­den Fahrt ras­ten wir, ent­lang der afgha­ni­schen Gren­ze und von ihr nur durch einen Fluss getrennt, unse­rem Ziel über mal mehr, mal weni­ger schlech­te Schot­ter­pis­ten ent­ge­gen.

Je wei­ter wir nach Osten kamen, des­to deut­li­cher wur­de die Mili­tär­prä­senz. Meh­re­re Check­points waren zu pas­sie­ren, Gar­ni­sons­städ­te, moder­ni­siert durch Gel­der der Agha-Kahn Stif­tung im star­ken Kon­trast zu den bäu­er­li­chen Lehm­hüt­ten der Afgha­nen in Sicht­wei­te.

Das undi­zi­pli­nier­te, schlecht aus­ge­rüs­te­te Mili­tär mit sei­nen weni­gen gepan­zer­ten, jedoch stark ver­al­te­ten Fahr­zeu­gen russ­sisch-ukrai­ni­scher Bau­wei­se, konn­te in die­sem unüber­sicht­li­chen, ber­gi­gen Ter­rain nicht den gerings­ten Anschein von Kon­trol­le ver­mit­teln. Hin und wie­der Fahr­zeu­ge ame­ri­ka­ni­scher Bau­art im Besitz der afgha­ni­schen Mili­tär­po­li­zei, die das bes­se­re Wege­netz auf tadschi­ki­scher Sei­te nutz­te um schnel­ler von einem zum ande­ren Ort zu kom­men und dabei gele­gent­lich afgha­ni­schen Tadschi­ken auf Besuch eine unkom­pli­zier­te Mit­rei­se ermög­lich­ten.
 
 
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Afgha­ni­stan immer in Stein­wurf­wei­te und nur durch einen klei­nen Fluss getrennt. Unten: einer der bes­se­ren Pis­ten­ab­schnit­te, trotz­dem Mate­ri­al­mord für die Fahr­zeu­ge.
 
 
Eine wirk­li­che Kon­trol­le der Gren­ze, der zeig­te sich bei mei­nem spä­te­ren Besuch des Wak­han-Kor­ri­dors, schien unmög­lich und eine Expan­si­on der wie­der­erstark­ten Tali­ban im Nor­den Afgha­ni­stans, nur weni­ger Kilo­me­ter süd­lich der tadschi­ki­schen Gren­ze, Rich­tung Tadschi­ki­stan schien nur eine Fra­ge der Zeit.

Es war bereits Nacht, als ich die Stadt Chorugh erreich­te und mich unter einem beein­dru­cken­den Ster­nen­him­mel, unter Maul­beer­bäu­men in den Gar­ten mei­nes Homestays leg­te, um mich von der band­scheib­en­er­schüt­tern­den Tour zu erho­len.

Am Fol­ge­tag nutz­te ich die Zeit auf dem bun­ten Bazaar, zusätz­lich eini­ge fri­sche Lebens­mit­tel ein­zu­kau­fen, dann mach­te ich mich per Taxi auf den Weg Rich­tung Osten, kam jedoch nur bis Manem, einem klei­nen Ort ca. 10 km öst­lich von Chorog. Hier hat­te ein gewal­ti­ger Erd­rutsch weni­ge Wochen zuvor den Fluss auf­ge­staut, den Ort über­schwemmt und den Pamir High­way auf Mona­te hin unter­bro­chen.
 
 
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Chorug, das Tor nach tadschi­kisch-Bad­ak­s­han. Unten: selbst in die­se ent­le­ge­ne Gebirgs­re­gi­on wer­den die in Zen­tral­asi­en im Som­mer obli­ga­to­ri­schen Melo­nen trans­por­tiert. Auf­grund der poli­ti­schen Span­nun­gen zwi­schen Usbe­ki­stan und Tadschi­ki­stan auf­grund der Was­ser­recht kom­men die­se jedoch nicht, wie sonst über­all aus dem Fergha­na Tal, son­dern west­lich von Dushan­be. Rechts: Besuch des Bazaar in Chorug.
 
 
Es hieß also, einen schma­len Fuß­pfad ent­lang der stei­len Berg­flan­ke des rech­ten Ufers zu über­win­den. Voll­ge­packt mit mei­nem Gepäck sowie Ver­pfle­gung für zwei Wochen, ins­ge­samt über 40 kg, klet­ter­te ich bei fast 40°C im Schat­ten den rut­schi­gen Steil­hang ent­lang, eine Tor­tur.
 
 
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Oben: die auf dem Pamir High­way Rich­tung Osten, Unten: Mili­tär und schwe­res Gerät arbei­ten an der Wie­der­her­stel­lung der Ver­kehrs­ver­bin­dung, Rechts: Pami­ri-Frau­en beim Über­win­den der teils lebens­ge­fähr­li­chen Umge­hung, auch für die Ange­hö­ri­gen der hei­mi­schen Berg­völ­ker eine Tor­tur.
 
 
Nach mehr als eini­ger Stun­de erreich­te ich, nass­ge­schwitzt und eini­ger­ma­ßen geschafft, end­lich den noch übrig­ge­blie­be­nen Teil des Dor­fes, nur durch einen klei­ne, neu­en Fluss­arm vom Behelfs­weg getrennt.

Eini­ge Sol­da­ten, jun­ge Bur­schen, die ihren Job sicht­lich genos­sen, pad­del­ten mich mir ihrem Schlauch­boot über den klei­nen Fluss und nutz­ten das küh­le Was­ser an die­sem hei­ßen Tag hin und wie­der unter gro­ßem Gejoh­le zur Abküh­lung, wäh­rend ich nei­disch erneut mein schwe­res Gepäck schul­ter­te und nach einer Trans­port­mög­lich­keit zum Aus­gangs­punkt mei­ner Tour such­te.
 
 
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Oben: das tadschi­ki­sche Mili­tär trans­por­tiert Güter ins Kata­stro­phen­ge­biet, rechts: der schwer­be­la­de­ne Autor, links: Ange­hö­ri­ge der tadschi­ki­schen Mari­ne 😉
 
 
Ein gelän­de­gän­gi­ges Fahr­zeug war schnell gefun­den, den­noch bedurf­te es, ange­sichts mei­ner kaum vor­han­de­nen Rus­sisch­kennt­nis­se und der völ­lig über­zo­ge­nen Preis­vor­stel­lun­gen, eini­ger Tele­fo­na­te mit mei­nen Kon­takt­per­so­nen, bis wir eine Eini­gung erziel­ten.

Nach eini­gen nun ereig­nis­lo­sen Stun­den auf dem erstaun­lich guten Pamir High­way Rich­tung Osten, die Stras­se war vor nicht all zu lan­ger Zeit durch Chi­ne­si­sche Arbei­ter gegen Kon­zes­si­ons­rech­te in Rekord­zeit erneu­ert wor­den, wur­de mei­ne Rei­se erneut unvor­her­ge­se­hen, aber wie­der­um typisch für die Pamir­re­gi­on unter­bro­chen.

Der Som­mer war die­ses Jahr unge­wöhn­lich heiß und hat­te die zahl­rei­chen Glet­scher stär­ker abschmel­zen las­sen, als sonst. Erd­rut­sche waren die Fol­ge, doch das star­ke Anschwel­len der Flüs­se führ­te auch dazu, dass Stra­ßen unter­spült wor­den waren. Vor mir klaff­te ein zehn Meter brei­tes Loch im Pamir High­way.

Die Son­ne schick­te sich an, hin­ter den schnee­be­deck­ten Gip­feln der umge­ben­den Ber­ge zu ver­sin­ken und tauch­te die Sze­ne­rie in einen war­men Rot­ton, wäh­rend sich Män­ner an einem lan­gen Seil damit abmüh­ten, einen Klein­bus chi­ne­si­schen Fabri­kats ans ande­re »Ufer« zu zie­hen. Der Fah­rer des Vehi­kels war, ohne All­rad, all­zu wage­mu­tig gewe­sen und in der Mit­te einer klei­nen Furt des schnell­flie­ßen­den Flus­ses ste­cken­ge­blie­ben. Wäh­rend ich eini­gen betag­ten Damen dabei half, das Hin­der­nis zu Fuß zu über­win­den, schaff­te schließ­lich rohe Gewalt das schier Unmög­li­che und der gefan­ge­ne Klein­bus kam frei.
 
 
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Oben: stark anschwel­len­de Flüs­se unter­gra­ben den High­way, Rechts: die Pas­sa­gie­re que­ren die Furt zu Fuß, Links: ohne Gemein­schaft und/​oder All­rad kein Fort­kom­men.
 
 
Der Fah­rer mei­nes klei­nen Gelän­de­wa­gens schien mit der Situa­ti­on ver­traut zu sein und nam die Furt mir genü­gend Anlauf ohne grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten.

Es war end­gül­tig Abend gewor­den und kein Tages­licht mehr vor­han­den, als wir von der Stra­ße auf einen stei­ni­gen Schot­ter­weg abbo­gen. Mehr als vier Stun­den quäl­te sich der RAV4 in völ­li­ger Dun­kel­heit, mit All­rad über die schlech­te, immer wie­der von fla­chen Fluss­läu­fen unter­bro­che­ne Pis­te. Der kur­ze Rad­stand und der um sein Fahr­zeug besorg­te, auf die Rou­te und sei­nen Fahr­gast flu­chen­de Fah­rer lie­ßen in dem schwe­ren Gelän­de kaum mehr als Schritt­ge­schwin­dig­keit zu.
 
 
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Oben:Fahrten in teil­wei­se weg­lo­sem Ter­rain, Unten: der frü­he Mor­gen gibt einen klei­nen Vor­ge­schmack auf die noch kom­men­de Schön­heit des Gebir­ges, Rechts: Toi­let­te in Luxus­aus­füh­rung. 
 
 
End­lich, kurz vor Mit­ter­nach erreich­te ich ein klei­nes abge­le­ge­nes Dorf auf 3500 m über NN. Eini­ge weni­ge Duzend Pami­ri leb­ten hier in den tra­di­tio­nel­len, dick­wan­di­gen Lehm­häu­sern, die nied­ri­gen Flach­dä­cher für den kom­men­den Wind­er über und über mit getrock­ne­tem Kuh­dung und Heu bedeckt. Bei der Fami­lie mei­nes Gui­des kehr­te ich in ein ein­fa­ches Quar­tier zu Nacht ein und genoss die Stil­le, den per­fek­ten Ster­nen­him­mel und die kal­te Gebirgs­luft bei einem Glas Tee. Das Aben­teu­er Bad­akhs­han hat­te gera­de erst begon­nen.

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Antworten

  1. Avatar von Claus-PeterK

    Als Freun­de auf die Idee kamen, lass uns einen Teil der Sei­den­stras­se nach­fah­ren und eine Tour durch Taji­ki­stan machen, wuss­te ich ehr­lich gesagt nicht wo das sein soll. Mitt­ler­wei­le habe ich mich mit dem The­ma beschäf­tigt, und die ers­ten Pla­nun­gen sind ange­lau­fen. So wie es aus­sieht wer­den wir wohl im kom­men Jahr die­sen Teil der Welt berei­sen. Dei­ne Tipps wer­den uns dabei sehr hilf­reich sein

  2. Avatar von Nord-Peru Reisen

    Tol­ler Arti­kel, ich hab ganz mit Dir mit­ge­fie­bert.

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