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Kika – Brava! Brava! Kaum von der Leine gelassen, hat Kika sogleich den ersten Trüffel aufgespürt. Die bildschöne Drahthaar-Hündin ist nur schwer im Zaum zu halten. Sie rast und springt über die steilen Grashügel, schlägt Haken, mal nach links, mal nach rechts, schnuppert, wittert und fängt dann zu buddeln an. Kika ist ein echter Champion. Sie ist der beste Trüffelhund im Stall von Giorgio Remedia. Giorgio und seine Familie sind Trüffeljäger in Acqualagna, einer verschlafenen Gemeinde in Mittelitalien, in der Region Marche, oder zu deutsch Marken, abseits ausgetretener Touristenpfade.
Es ist ein verregneter Vormittag, als wir uns auf die Jagd begeben. Giorgio, sein Bruder Fabrizio und seine Nichte sind in lange Regenmäntel gehüllt, auf dem Kopf tragen sie Ölhüte mit breiter Krempe, die Füße stecken in Gummistiefeln. Ich hatte auf schönes Wetter Anfang Mai in Italien gewettet und bin mit meinen Sneakern und einem lädierten Regenschirm nur suboptimal ausgestattet. Das Gelände ist steil, der Untergrund nass und matschig. An meinen Schuhen klebt zentimeterdick Schlamm. Trüffeljagen hat nicht viel mit einem entspannten Spaziergang gemein. Als Jäger muss man seinen Hunden stets auf den Fersen bleiben und blitzschnell agieren, wenn diese anschlagen und zu Buddeln beginnen. Für die Hunde ist das alles ein Spiel. Freudig springen sie an ihren Herrchen empor, dann sprinten sie wieder los. Sie sind trainiert die wertvollen, aromatischen Pilze mit ihren feinen Nasen aufzuspüren, diese jedoch nicht zu fressen. Das ist auch der Hauptgrund, warum heutzutage fast ausschließlich Hunde und keine Trüffelschweine mehr eingesetzt werden. Die Schweine verschlingen die Trüffel nur allzu gerne, sind schwierig zu zügeln und zerstören beim Graben auch noch die Wurzelspitzen. Kika und Bobo, der zweite im Bunde, überlassen die Tuber, wie die Trüffel auch bezeichnet werden, brav ihrem Herrchen und freuen sich über die Leckerlis, die Giorgio in seiner Hosentasche versteckt hält. Der gräbt die Trüffel vorsichtig mit einem kleinen Spaten aus und lässt sie in seine Manteltasche gleiten.
Aber auch ohne tierische Unterstützung und hypersensiblen Geruchssinn kann der Mensch Trüffel aufstöbern. Giorgio zeigt uns, wie das geht. Mit einer Wünschelrute, die er flugs aus einem Zweig schnitzt, demonstriert er uns die Technik. Wie durch Zauberhand zuckt die Rute nach unten, sobald Giorgio seinen Fuß über einen Trüffel hält. Auch mit einer Goldkette, oder Metallstäben lässt sich dieser Effekt erzeugen. Diese überkreuzen sich, sobald ein Tuber überschritten wird. Damit wir nicht auf falschen Hokuspokus reinfallen, probieren wir reihum unser Glück mit der Rute. Und welch Wunder – sie schlägt wirklich aus. Kraftströme, die die Trüffel aussenden, machen es möglich.
Die meisten Bewohner Acqualagnas haben in irgendeiner Form mit Trüffel zu tun: als Sammler, in der Produktion feiner Trüffelprodukte, dem Verkauf, oder in der Gastronomie.
Acqualagna, das sind ein paar verschlungene Gässchen, eine Piazza, auf der Markt abgehalten wird, ein Café, eine Kirche, winzige Geschäfte, eine Handvoll Restaurants und ein paar Tabacchis. Was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist – Acqualagna ist auch Hauptstadt und zwar die der Trüffelwelt. Das 4466 Seelendorf ist Zentrum des italienischen Trüffelhandels. Ganzjährig wachsen in der Region sämtliche Arten des Pilzes, neun an der Zahl. Von Januar bis Ende April der Bianchetto oder Marzuolo, von Dezember bis Mitte März der Tartufo Nero Pregiato, von Juni bis Dezember der schwarze Sommertrüffel, Scorzone genannt, und von September bis zum 31. Dezember der kostbarste, der Tuber magnatum pico, der weiße Albatrüffel. Die weißen Prachttrüffel können auf Auktionen für mehrere 100.000€ das Kilo versteigert werden. Es wird sogar von Angeboten in Millionenhöhe chinesischer Bieter berichtet.
Im Ort gibt es eigens eine Trüffelakademie. Hier wird dieser faszinierende Pilz erforscht. Trüffel lassen sich nicht züchten, auch das wirkt sich auf den Preis aus. Zudem sind sie äußerst empfindlich, was ihre Umgebung betrifft. Jede Sorte Trüffel braucht ganz bestimmte Konditionen, sonst gedeiht sie nicht. Trüffel reagieren stark auf negative Umwelteinflüsse. Dort wo sie wachsen, ist die Natur rein. Das ist so eine Faustregel. Der weiße Trüffel mag es gerne feucht und findet sich häufig an Flüssen, der schwarze bevorzugt es trocken.
In der Akademie lerne ich, dass viel Schindluder mit Trüffeln betrieben wird. Da sich astronomische Summen für ein paar Gramm Trüffel abrufen lassen, während wahre Trüffelkenner rar sind, landen immer wieder falsche Trüffel in den Einkaufskörben unwissender Konsumenten. Jede der kostbaren Sorten hat mehrere Doppelgänger, die der Laie kaum unterscheiden kann. Beim Trüffelkauf sollte man immer nach dem botanischen Namen fragen, das gibt oft Auskunft. Wichtigstes Kaufkriterium ist die Frische. Nur der frische Trüffel ist wirklich schmackhaft.
Ein wenig außerhalb Aqualagnas steht die Trüffelfabrik von Manuela Borghese, Acqualagna Tartufi. Seit zehn Jahren werden hier Trüffel weiterverarbeitet, lokale, aber auch Trüffel aus anderen Teilen Italiens. Nur die ganz großen Tuber, mit einem Gewicht von über 20 Gramm, gehen im Ganzen direkt in den Verkauf. Aus der restlichen Ausbeute wird in dem Bio-zertifizierten Betrieb Öle, Aufstriche, Saucen, Butter, Nudeln und noch vieles mehr gefertigt. Bis zu 500 Kilogramm Trüffel durchlaufen in der Hochsaison von Dezember bis Februar täglich die kleine Fabrik. Der unglaublich intensive Trüffelgeruch, der wage an Moschus und Knoblauch erinnert, durchdringt jeden Raum. Manuela exportiert ihre Waren in die ganze weite Welt. Aber natürlich landen sie auch in den Restaurants in und um Acqualagna. Vom Trüffel wird alles genutzt, nichts wird weggeworfen. Die Wurzeln bleiben in der Erde. Aus ihnen sprießen wieder neue Tuber.
Trüffel sind sehr gesund, haben ein betörendes Aroma, gelten als natürliches Aphrodisiakum, enthalten wertvolle Mineralstoffe, viel Wasser und nur wenig Kalorien. Eine Trüffeldiät wäre bestimmt eine feine Sache, scheitert jedoch am schmalen Geldbeutel.
Nicht ganz Diät konform gestalten sich die vielen Gerichte, die ich abends in der Antica Macelleria Sorcinelli verkosten darf. Die Metzgerei liegt direkt am Marktplatz Acqualagnas. Mittlerweile hat sich herum gesprochen, dass die beiden Brüder Sorcinelli nicht nur schmackhafte Würste machen, sondern auch über famose Kochkünste verfügen. Kurzerhand haben die sympathischen Metzger das Nebenzimmer zum Restaurant umgestaltet. Jetzt kann hier in stimmungsvoller Kulisse zwanglos diniert werden. In der Metzgerei spielt der Trüffel ebenfalls eine bedeutende Nebenrolle. Er findet sich in der Salami, gesellt sich als Aufstrich zum Crostini, oder landet gemeinsam mit Wildkräutern und Wildspargel im Omelett. Aber auch Nichttrüffelesser werden in der Antica Macelleria Sorcinelli glücklich. Im offenen Feuer brutzeln zarte Koteletts, dazu werden bester Käse, Prosciutto, frisches Brot und jede Menge Vino serviert.
Highlight des Jahres ist die Fiera Nazionale Del Tartufo Bianco, die Trüffel-Messe zu Ehren des Weißen Trüffels. Dieses Jahr findet sie zum 50. Mal statt, vom 25. Oktober bis zum 15. November, immer an den Wochenenden. Dann ist der gemächliche Ort nicht wieder zu erkennen. Trüffelfans aus aller Welt pilgern in ihre Hauptstadt und schieben sich in Scharen über den Markplatz und durch die Gassen Acqualagnas. Auf der Piazza Mattei stehen die Buden der Trüffelverkäufer und Gastronomen. Die leckersten Trüffelgerichte und Produkte werden feil geboten. Umliegenden Restaurants warten mit speziellen Trüffelmenüs auf. Dazu lassen sich regionale Weine verkosten. Es werden Trüffeltouren angeboten und Händler stellen auf einem Kunsthandwerkermarkt ihre Waren aus. Ein ganz besonderes Festival für Genusssuchende und Kuriositäten-Liebhaber.
Trüffel – ein ganz besonderer Pilz, Acqualagna – ein ganz bezaubernder Ort!
Vielen Dank an Marcheholidays für die Einladung.
Antwort
Wirklich ein schöner Bericht. Sehr interessant.
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