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Alles Somalia oder was?

„Is that Haschisch?“ fragt mich der soma­li­sche Grenz­be­am­te, wäh­rend ich auf mei­nen Pass war­te und eine Ziga­ret­te dre­he.

„Oh… no. Just nor­mal tob­ac­co…“ ent­geg­ne ich leicht über­rascht.

„It’s a pity!“ mur­melt der Mann ent­täuscht. Muss er sich wohl wie­der sei­nen Khat-Zwei­gen zuwen­den, statt mal was Fei­nes zu rau­chen… Alex und ich lachen erhei­tert.

„Any­way, guys,… wel­co­me to Soma­li­land!“

Wajaa­le, ein klei­nes stau­bi­ges Grenz­städt­chen ist der offi­zi­el­le Beginn von Soma­lia.

Ein Land das nicht gera­de den bes­ten Ruf genießt, und dies aus sehr gutem Grund. Pira­ten ter­ro­ri­sie­ren von ihren Stütz­punk­ten an der soma­li­schen Küs­te aus den indi­schen Oze­an mit einer Reich­wei­te von bis zu 1.000 See­mei­len, sich bekrie­gen­de Clans und Isla­mis­ten haben das Land zu einem der gefähr­lichs­ten Orte der Welt gemacht. Euro­pä­er sind hier viel wert, denn mit einem ent­führ­ten Wei­ßen ver­dient man eine schnel­le Mil­li­on US-Dol­lar Löse­geld. 500 Men­schen sol­len zur Zeit in Schur­ken­hand sein. Moga­di­schu, die einst char­man­te Haupt­stadt, ist eine Rui­ne, in der die ugan­di­schen Trup­pen (von der Afri­can Uni­on ent­sen­det) nur noch den Flug­ha­fen und zwei, drei Stra­ßen­zü­ge unter Kon­trol­le haben, sowie das Gelän­de der ohn­mäch­ti­gen „Übergangs“-Regierung.

Doch so ein­fach ist es nicht, es gibt mehr als ein schnel­ler Blick auf die Land­kar­te ent­hüllt.
In den 90er-Jah­ren haben sich zwei Regio­nen von Soma­lia unab­hän­gig erklärt. Das ist an der Spit­ze des Horns von Afri­ka Punt­land: ein Land­strich mitt­ler­wei­le ohne jeg­li­che Regie­rung, und der Haupt­stütz­punkt der soma­li­schen Pira­ten. Ein Ort, in den sich, wie auch in den Rest Soma­li­as, seit Jah­ren kein hell­häu­ti­ger Mensch mehr gewagt hat, zumin­dest kam kei­ner wie­der zurück.*

Und dann gibt es Soma­li­land, an der Gren­ze zu Dji­bou­ti und Äthio­pi­en.
Hier freut sich der Soma­li über ein sta­bi­les Regie­rungs- und Rechts­sys­tem, ziem­lich bestän­di­gen Frie­den und eine ech­te, aber kaput­te Ampel an einer Kreu­zung der san­di­gen Haupt­stadt Har­gei­sa. Einen Wehr­muts­trop­fen gibt es: Kein Staat der Welt erkennt Soma­li­land als eige­ne Nati­on an. Dafür mag es eini­ge Grün­de geben, zum Bei­spiel die Angst vor Nach­ah­mern in den ande­ren von Kolo­ni­al­mäch­ten will­kür­lich zusam­men­ge­füg­ten Staa­ten Afri­kas. Oder die nai­ve Hoff­nung, dass die sprö­de Sta­bi­li­tät auf die ande­ren Tei­le Soma­li­as aus­strah­len könn­te. Wie dem auch sei – die Men­schen Soma­li­lands haben dadurch vie­le Nach­tei­le. Sei­en es Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, Ent­wick­lungs­hil­fe, Kre­di­te, Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge oder Tou­ris­mus: Es ist unge­fähr die ungüns­tigs­te mög­li­che Bedin­gung, ein Teil Soma­li­as zu sein.

Für den hart­ge­sot­te­nen Rei­sen­den, der alle paar Tage über die Gren­ze schlenzt, hat die­se Situa­ti­on Vor- wie auch Nach­tei­le.
Doof ist, dass man für Rei­sen durchs Land  einen mit einer Kalasch­ni­kow bewaff­ne­ten, unnüt­zen Sol­da­ten mit­neh­men (und bezah­len), sowie ein Auto mit Fah­rer mie­ten muss. Auch die zahl­rei­chen Pass­kon­trol­len an den Check­points alle paar Kilo­me­ter ner­ven (vor allem wenn der Wacht­pos­ten nicht lesen kann und nur die schö­nen, bun­ten Visa betrach­tet).

Aber als einer von Weni­gen die­ses Land zu erkun­den, und das in ange­mes­se­ner Sicher­heit, ist man­che klei­ne Unan­nehm­lich­keit wert. Zwar sind die Soma­li nicht für ihre Freund­lich­keit berühmt – aber eine gewis­se Freu­de über den sel­te­nen Besu­cher ist erfri­schend, wenn man „You money, you pen!“ so aus Äthio­pi­en gewohnt ist, dass man es gar nicht mehr bewusst wahr­nimmt…

* Mein Rei­se­freund Mike aus Kana­da, der es sich seit 18 Jah­ren zum Pro­jekt gemacht hat, jeden Win­kel der Erde zu besu­chen, erlang­te zeit­gleich zu sei­nen fünf­zehn Minu­ten Ruhm, als er nach Moga­di­schu flog, als ers­ter Tou­rist seit Ewig­kei­ten. Mit viel diplo­ma­ti­scher Über­zeu­gungs­kraft und lus­ti­gen Sto­ries konn­te er die Immi­gra­ti­on davon abbrin­gen, ihn direkt wie­der ins Flug­zeug zu ver­frach­ten, so dass er den von Trup­pen beschütz­ten Flug­ha­fen ver­las­sen und zwei Tage in dem win­zig klei­nen kon­trol­lier­ten Teil der Stadt ver­brin­gen konn­te. Das erzähl­te er, als wir ihn im Hotel in Har­gei­sa tra­fen…
Nach­dem er aber bereits mit­ten in der US-Offen­si­ve auf Bag­dad sich die Stra­ßen­kämp­fe von der Dach­ter­as­se aus genoß und vor zwei Jah­ren durch tali­ban­kon­trol­lier­te Regio­nen Afgha­ni­stans stapf­te, ist er wei­ter­hin davon über­zeugt, dass es gefähr­li­cher ist, auf einen hohen Berg zu klet­tern. Ob er es auch nach Punt­land und in einem Stück wie­der her­aus schafft, wer­de ich berich­ten… 🙂

Mike bei spiegel.de
Mike in eng­lish
Mike im BBC world­ser­vice Inter­view

Erschienen am



  1. Avatar von Imam
    Imam

    Naja…
    muti­ger Kerl der Mike, aber viel­leicht auch mehr Glück als Ver­stand??!! So ab und zu stockt mir der Atem beim Lesen! Pass auf dich auf, mein Lie­ber!

    1. Avatar von klys

      na kla­ro!

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